Umbau und Restaurierung eines 600 Jahre alten Dielenhauses in Lübeck

Es war eine echte Rettungsaktion eines Stücks Baukultur in der Lübecker Altstadt, die Bauherren, Architekten und Handwerker vor 10 Jahren begonnen und durchgeführt haben. Das Haus wurde dabei nicht nur erhalten, sondern mit ihm ein attraktiver Ort für kulturelle Veranstaltungen geschaffen.

Das Dielenhaus in der Lübecker Fleischhauerstraße 79 drohte schon komplett zu verfallen, als es glück­licherweise von seinen „Rettern“ entdeckt wurde. Aufforderungen des Denkmalamtes hatte der Vorbesitzer jahrelang ignoriert. Den drei Bauherren, die selbst in der Fleischhauerstraße wohnen und arbeiten, war das Gebäude aufgefallen, und sie hatten beschlossen, es durch Kauf und Sanierung vor dem Verfall zu bewahren. Heute ist „Das Dielenhaus“ ein fester Begriff in Lübeck, denn die Räumlichkeiten im Erdgeschoss können von der Allgemeinheit als Veranstaltungsort gemietet werden. Zudem entstand im Obergeschoss eine Wohnung. Beim Tag des offenen Denkmals ist „Das Dielenhaus“ immer dabei und auch Schulklassen besuchen es regelmäßig.

Dielenhaus als Haustypus in Folge der Stadtbrände

1251 und 1276 gab es zwei große Stadtbrände in Lübeck, in deren Folge sich das Dielenhaus als Haustypus in Lübeck zum Standard entwickelt hat. Seinerzeit wurde in den hohen, häufig zweigeschossigen Dielen noch mit offenem Feuer gekocht. Zudem konnten in der geräumigen Halle Waren angeliefert werden, die dann per Lastenwinde in die oberen Geschosse bis in den Speicher gehoben wurden. Gebaut wurde das Vorderhaus des Dielenhauses in der Fleischhauerstraße um 1290. Aus dieser Zeit stammen auf jeden Fall die Brandmauern, die im Inneren des Hauses noch vollständig erhalten sind. Der Großteil der heute sicht­baren Bausubstanz geht allerdings auf das 15. und 16. Jahrhundert zurück. Auch um 1800 wurden weitere Veränderungen vorgenommen, die auch heute noch erhalten sind. Das Gebäudeensemble besteht aus dem Vorderhaus mit Seitenflügel, einem Zwischenhaus, das mit sehr viel Engagement saniert werden konnte und einem Hofgebäude, das innerhalb der vorhandenen Außenmauern neu errichtet werden musste.

Denkmalgerechte Restaurierung der Straßenfassade

Die Restaurierung des Dielenhauses bestand aus sehr vielen Einzelschritten, an denen entsprechend viele Gewerke beteiligt waren. Eine der großen Aufgaben war, das historische Mauerwerk der Straßenfassade zu erhalten. Zusammen mit seinen zwei Nachbargebäuden gehört das Haus laut Denkmalbuch zu einer „wertvollen Gruppe alter Giebelhäuser“. Ulrich Büning schreibt in seinem Buch „Das Lübecker Dielenhaus, Fleischhauerstraße 79“, dass die Fassaden des Gebäudes weitgehend im 16. und 17. Jahrhundert neu errichtet wurden. Eine Besonderheit sind die erhaltenen Holzklappen in den Öffnungen des Dachgeschosses zur Straße. Das ist einmalig in Lübeck!

Die Restaurierungsarbeiten der Straßenfassade umfassten das Ausbessern des Mauerwerks und der Fugen, das Neuverputzen des Erdgeschosses sowie das Reparieren der so genannten Staffeln am Stufengiebel. Die Staffeln waren mit „Mönch-und-Nonne“-Hohlpfannen gedeckt, wobei so­wohl die Pfannen selbst als auch der Mörtel, in dem sie Halt haben sollten, in sehr schlechtem Zustand waren. Einige wenige Pfannen waren allerdings gut genug erhalten, um der Firma Golem als Vorlage zu dienen, um danach in ihrer historischen Ziegel-Manufaktur neue Ziegel zu brennen.

Durch den schlechten Zustand der Abdeckung war die Fassade unterhalb der Staffeln stark in Mitleidenschaft gezogen. Auch das Mauerwerk im Erdgeschoss, das mit einem Zementputz überdeckt war, hatte gelitten. Zerstörte Ziegel mussten ersetzt und alle Fugen mit Muschelkalkmörtel ausgebessert werden.

„Was mir an der Altbausanierung so gut gefällt ist, dass keine Wand aussieht wie die nächste. Immer wieder muss genau geguckt werden, wie man auf die vorgefundene Situation reagiert“, erklärt Maurermeister und Altbausanierer Stefan Domke, der sämtliche Maurerarbeiten des Projektes durchgeführt hat. „Daher wurde die Fläche im Erdgeschoss nun mit Muschelkalkmörtel verputzt. Er bietet gegenüber Zementmörtel viele Vorteile. Er ist sehr viel weicher und elastischer und neigt daher weniger zu Rissbildung. Außerdem kann er sehr gut Feuchtigkeit regulieren“, sagt der Maurermeister.

Teamwork der Gewerke

Auch am Seitenflügel des Dielenhauses mussten hofseitig diverse Stellen ausgebessert werden. Besonders heikel war die Sanierung des Sturzes über der Tür, die von der Diele in den Hof führt. Hier wird der gemauerte Rundbogen von einem Holzsturz gehalten. Dieser Sturz musste ausgewechselt werden, ohne dass der Rundbogen, dem man in diesem Moment das Auflager nimmt, den Zusammenhalt verliert. Dafür war, wie an vielen anderen Stellen des Gebäudes, das Hand-in-Hand-Arbeiten zwischen Maurer und Zimmermann besonders wichtig. „Die Zusammenarbeit mit der Altstadtzimmerei Peter Thyen war ausgesprochen positiv! Insgesamt haben alle Gewerke in dem Projekt umsichtig gearbeitet und immer im Blick gehabt, wie der ideale Ablauf sein sollte, um das beste Ergebnis zu erzielen“, erzählt Domke. Gerade die Altstadtzimmerei ist in Lübeck dafür bekannt, besonders behutsam mit dem Bestand umzugehen und immer nach einer Lösung zu suchen, um Altes zu erhalten.

Ähnlich konstruktiv war die Zusammenarbeit der beiden Gewerke dann auch beim Erhalt der Holzdecken sowohl im Vorderhaus als auch im Seitenflügel. An einer Decke fanden die Bauherren einen Balken mit sichtbarer Waldkante, also mit dem letzten Jahresring unter der Rinde. Hier konnte das Fälldatum des Baumes daher durch eine dendrochronologische Untersuchung exakt auf das Jahr 1457 datiert werden. Außerdem lagen im Seitenflügel unter einer abgehängten Decke profilierte Balken, die unbedingt erhalten und freigelegt werden sollten. Leider waren fast alle Balkenköpfe stark beschädigt. „Wir wollten die Balken mit Hohlkehlen und Stuckprofilierung natürlich gerne erhalten“, sagt Architektin Nicola Petereit. „Der Zimmermann hat daher die Balken von oben geschlitzt und die kraftschlüssige Verbindung über Stahlprofile hergestellt, die dann von oben in die Balken eingelegt wurden. Gleichzeitig musste der Maurer die Mauerauflager erneuern.“ Dennoch war der Statiker in diesem Bereich nicht zufrieden mit Größe und Lage der Deckenbalken. Die Lösung lag schließlich in einer Brettstapeldecke mit Dielenboden, die über den von unten sichtbaren Balken aufgebracht wurde.

Für die Sanierung der Decke über der Diele war eine Brettstapeldecke keine Alternative. Die von unten sichtbaren morschen Deckenbretter waren gleichzeitig die Bodenbretter des darüberliegenden Geschosses, so dass eine Ertüchtigung der Decke sowohl aus brandschutztechnischen als auch aus statischen Gründen notwendig war. In der Untersicht waren die alten Deckenbalken aus verschiedenen Epochen zu erkennen und sollten erhalten werden – nach oben wurde es dann allerdings im wahrsten Sinne des Wortes eng. Die Lösung war eine Holz-Beton-Verbunddecke mit relativ geringem Aufbau. Die morschen Bretter tauschten die Handwerker gegen neue aus und ergänzten den Deckenaufbau um eine 9 cm dicke Estrichschicht. Für eine reine Holzdecke wären weitere 10 cm Stehhöhe im Obergeschoss verloren gegangen. Durch die Entscheidung für einen Korkboden beträgt die Höhe unter den Balken im Obergeschoss jetzt 2 m.

Historische Besonderheiten

An außergewöhnlichen Details mangelt es im Lübecker Dielenhaus nicht – sowohl im historischen Bestand als auch in der Art und Weise des Umgangs mit diesem Kulturschatz. So fand man in einem der Räume im Seitenflügel eine historische Wandmalerei, die restauriert werden konnte, und eine Bleiverglasung aus dem 17. Jahrhundert. Diese wurde in ihrer kleinflächigen Aufteilung lediglich ergänzt. Um auch im Winter ausreichenden Schutz gegen Kälte zu haben, werden in der kalten Jahreszeit von innen vor die Sprossenfenster großflächige Glasscheiben mit einem sehr schmalen Metallrahmen gesetzt.

Architektin Petereit ist sehr zufrieden mit dem Ergebnis und freut sich, dass das Haus nach wie vor so viele Menschen begeistert: „Noch immer wird das Dielenhaus häufig mit großer Begeisterung aufgesucht. Manche kommen sogar immer mal wieder zum Tag des offenen Denkmals. Wir hatten bei der Sanierung und Restaurierung aber auch eine wirklich tolle Mannschaft aus Handwerkern und Fachplanern, die mit einem hohen Maß an Flexibilität und Kreativität ausgesprochen viel der alten Bausubstanz erhalten haben!“ Für ihre Leistungen erhielten die Bauherren und Handwerker 2013 den Bundespreis für Handwerk in der Denkmalpflege.

Autorin

Dipl.-Ing. Nina Greve studierte Architektur in Braunschweig und Kassel. Heute lebt und arbeitet sie als freie Autorin in Lübeck (www.abteilung12.de) und ist unter anderem für die Zeitschriften DBZ sowie bauhandwerk und dach+holzbau tätig.

Die Restaurierung bestand aus sehr vielen Einzelschritten, an denen
entsprechend viele Gewerke beteiligt waren

Baubeteiligte (Auswahl)

Bauherren und Architekten Nicola Petereit,

Ulrich Büning und Jörg Haufe, Haufe Petereit

Architekten, Lübeck

Maurerarbeiten Maurermeister Stefan Domke,

Lübeck

Zimmererarbeiten Altstadtzimmerei Peter Thyen,

Lübeck

Reparatur der Fenster, Türen und Treppen

Tischlerei Jörg Vierig, Schwerin

Restaurierung der Bleiverglasung

Glasermeister Gerhard Reincke, Schwerin

Winterfenster und Windfang Schlosserei

Ulrich Neumann, Lübeck

Malerarbeiten Mal-Bo-Tech Röhl, Lüdersdorf

Holz-Beton-Verbunddecke Elascon, Waldkirch,

www.elascon.com

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