Digitale Auftragsvergabe im Handwerk

Viele Handwerksunternehmen haben ihre digitale Transformation noch nicht begonnen, weil sie glauben, keine Zeit dafür zu haben. So bleiben Zeiteinsparpotenziale ungenutzt, was in Zeiten akuten Fachkräftemangels fatal ist. Online-Portale erleichtern den Einstieg in die digitale Auftragsvergabe.

Immer mehr Handwerksbetriebe sind insbesondere aufgrund nicht besetzter Stellen gezwungen, Aufträge abzulehnen. Wie ein Damoklesschwert schwebt das Problem des Fachkräftemangels über der guten konjunkturellen Lage. Besonders schwer wiegt dabei die Gefahr, dass es mitunter auch den Blick für andere, wichtige Entwicklungen versperrt – wie beispielsweise die Digitalisierung. Viele Betriebe scheuen sich aktuell davor und verlieren damit langfristig den Anschluss an ihre Wettbewerber. Ein Umdenken tut daher dringend Not. Nicht zuletzt, weil der Einsatz von digitalen Tools oder Dienstleistungen, welche mit einer digitalen Transformation einhergehen, gerade auch in Zeiten von Ressourcenknappheit sinnvoll sein kann. Die Auftragsvergabe etwa ist ein gutes Beispiel dafür, welche enormen Optimierungspotenziale in der Prozessdigitalisierung gehoben werden können.

Viel zu tun und keine Leute

In Zeiten prall gefüllter Auftragsbücher, fällt es vielen Unternehmern schwer, die Notwendigkeit für Veränderungen zu erkennen und notwendige Maßnahmen einzuleiten. Die digitale Transformation ist ein passendes Beispiel für eine solche Veränderung. Viele begegnen den daraus resultierenden Maßnahmen mit Skepsis – viel zu knapp sind die Ressourcen, um sich mit einer solchen Herausforderung abzumühen. Auf der anderen Seite drückt das Tagesgeschäft mit all seinen Facetten – wie sich schon allein bei der Auftragsvergabe zeigt. Angefangen von der Suche nach einem gemeinsamen Termin für eine Vorortbegehung, über die Aufnahme der gefragten Leistungen auf der Baustelle bis hin zur Erstellung eines für den konkreten Auftrag passenden Leistungsverzeichnisses: Der Prozess der Auftragsvergabe nach klassischem, oft noch immer analogen Muster ist mit hohen Aufwänden verbunden. Ob das Angebot angenommen wird, ist dabei oft lange Zeit nicht klar. Ebenso nebulös ist die Frage, ob zum Zeitpunkt der Auftragsausführung überhaupt ausreichend Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. Lange schon kämpfen nahezu alle Gewerke mit zunehmendem Fachkräftemangel – nicht einmal die Ausbildung vom Nachwuchs ist aus Zeitgründen eine Option. Im Zuge dessen ist es um so ärgerlicher, dass die aktuelle Vorgehensweise der Auftragsabwicklung noch zusätzlich belastet.

Digitale Lösungen nutzen

Wie sich die Aufwände für die Zusammenarbeit mit den Auftraggebern auf ein Minimum reduzieren lassen, zeigen praxisbewährte Portale (zum Beispiel www.doozer.de). Handwerksunternehmen können hier beispielsweise Einheitspreise für einen standardisierten Leistungskatalog sowie ihre Terminkapazitäten hinterlegen. Auf dieser Basis entfällt das Beantworten von Angebotsanfragen sowie das Verhandeln von Preisen. Quasi per Klick wird ein Auftrag angefragt und angenommen. Mit der Verkürzung dieses Prozesses verschlankt sich auch die gesamte damit einhergehende Administration spürbar: Sei es mittels einer automatisierten Anlage des Auftrags in einem ERP-System oder aufgrund des nun möglichen, ständigen Überblicks über den Status quo aller Aufträge. Ein intelligentes und digital unterstütztes Baumanagement liefert zudem die notwendige Transparenz über den Fortschritt der Sanierung und damit die Grundlage, Aufträge zu bündeln, Routen zu optimieren sowie die Bereitstellung von Materialien zu optimieren. In Zukunft werden solche Portale sogar den Abnahmeprozess und alle nachgelagerten Abläufe unterstützen.

Konkrete Erleichterungen

Die auf diese Weise gewonnene Zeit können Handwerksunternehmer gewinnbringend nutzen. Verglichen mit der analogen Welt, geht vieles digital nämlich deutlich schneller. Mancher Arbeitsschritt wird sogar überflüssig. So sind beispielsweise fortan Leistungsaufnahmen vor Ort nicht mehr erforderlich. Die handschriftlich erstellten Notizen, die oft bis zum nächsten Wochenende lagen, bis ein Angebot ausgearbeitet werden konnte, braucht niemand mehr. Die teilweise sehr aufwändige und auf die individuellen Bedürfnisse des Auftraggebers abgestimmte Angebotserstellung sowie der Versand des Angebots an den Auftraggeber entfallen ebenfalls. Zudem spart sich der Handwerker das Nachhalten und die Wartezeit nach der Angebotsabgabe sowie die Einarbeitung von Änderungswünschen. Auch der gesamte Preisverhandlungsprozess sowie die Abstimmung der Leistungszeiträume sind künftig überflüssig beziehungsweise digital und transparent schnell abzuwickeln. Selbst nach Auftragseingang wird es mit digitalen Lösungen einfacher: Es müssen nach der Fertigstellung keine zeitraubenden Leistungsnachweise mit eventuellen Zusatzpositionen erstellt werden. Nicht einmal eine Rechnung schreibt der moderne Handwerker in einer digitalen Welt selbst: Das macht das System per Klick voll automatisch. Im Grunde besteht seine Arbeit – neben der praktischen Handwerkertätigkeit – künftig also nur noch aus:

> dem Anlegen der Preise für seine Leistungen in einer digitalen Plattform der Registrierung des Auftragseingangs
> der Entgegennahme von Informationen (genaue Vorgaben welche Produkte und welche Mengen zu verwenden sind)
> der Auftragsannahme per Klick (rechtsverbind­licher, VOB Normierter Vertrag kommt zu Stande – kein Drucken, Faxen, Scannen oder Postversand mehr nötig)
> der Rückkopplung von Informationen (Ausführung, Kommunikation von Statusupdates, Bilder hochladen)
> der Rechnungsstellung per Klick (nach Fertigstellung einfach nur per Klick Rechnung erstellen und digital an den Auftraggeber versenden).

In Summe profitiert ein durchschnittlich großes Handwerksunternehmen auf diese Weise von einer Ersparnis von acht bis zehn Stunden pro Auftrag (Anreise, Leistungsaufnahme, Angebotserstellung, Vertragsschluss, Abrechnung). Diese beachtliche Größenordnung überzeugt folglich viele Betriebe, sich gängigen Plattformen anzuschließen.

Autor

Carsten Petzold ist Geschäftsführer der Doozer Real Estate Systems GmbH in Berlin.

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