Umnutzung des Oderberger Stadtbades in Berlin zum Hotel
Auflage bei der Umnutzung des Oderberger Stadtbades in Berlin Prenzlauer Berg war, dass die Öffentlichkeit im Becken des Bades wieder schwimmen können sollte. Mathias Jensch vom Büro cpm löste diese neben vielen weiteren Herausforderungen mit einem Hubboden mit Scherengitter.
Der Prenzlauer Berg ist angesagt. Nach und nach wurden die Gründerzeitbauten im Berliner Kiez saniert. Mieten und Immobilienpreise stiegen. Nur das alte Oderberger Stadtbad wurde von dieser Welle der Erneuerung nicht erfasst. Wellen verursachte im Bad allerdings schon lange niemand mehr. Das Wasser war schon in den 1980er Jahren durch einen riesigen Riss im Beckenboden verschwunden. Das leere Becken wurde danach für Partys und Events genutzt – typisch Berlin, typisch Prenzlauer Berg.
Stadtbad wird zum Vier-Sterne-Hotel
Das blieb so, bis das benachbarte GLS Sprachenzentrum auf das Gebäude aufmerksam wurde. „Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal für das Stadtbad eine Umbauplanung machen würde“, sagt Architekt Mathias Jensch vom Büro cpm architekten. Er wohnte 20 Jahre lang gleich um die Ecke, kannte das Bad schon von innen durch zahlreiche Konzertbesuche und hatte für die Sprachenschule bereits sieben Gebäude der ehemaligen Gustave-Eiffel-Schule umgebaut.
Hubboden macht Becken zum Veranstaltungssaal
Erneuerung der Deckenkonstruktion
Die alten Stahl-Stein-Decken waren an vielen Stellen durchlöchert. Wasser war bis tief in die Konstruktion eingedrungen. „Die Steine der Stahlsteindecken waren – vermutlich auch durch den Rost der Zugbänder und den dadurch ausgelösten Druck – mittig halbiert und ein Großteil der unteren Schale lag auf den Rabitzgewölbedecken. Die Stahlsteindecken und der größtenteils darauf aufgebrachte Terrazzoboden trugen dann wohl nur noch aus Gewohnheit, wie man so schön sagt“, meint Mathias Jensch. Stein für Stein mussten die Handwerker die zerfallene Decke vom Rabitzgewölbe aufsammeln, selbstverständlich ohne dabei die Rabitzkonstruktion zu beschädigen. Denn im nächsten Arbeitsschritt galt es, die für die Statik der Rabitzdecken auf den Graten der Gewölbe verlaufenden Moniereisen zu entrosten, zum Schutz mit Zink einzusprühen und die Decken daran mit neuen Gewindestangen aus Edelstahl abzuhängen. Danach wurden Risse im Rabitzgewebe von oben aufgekratzt und verpresst, bevor die Gewölbekappen komplett überspachtelt wurden. Der Hohlraum zwischen den Rabitzgewölben und der neuen Ziegeleinhangdecke, die als Fußbodenbelag neuen Terrazzo erhielt, eignete sich gut zur Unterbringung der Heizungsrohre.
Bade- und Duschkabinen werden zu Seminarräumen
Fenster, Türen und der Weg zur Rettung derselben
An vielen Stellen sind auch nach Umbau und Sanierung historische Bauteile und Oberflächen erhalten geblieben: Eine in einem Rahmen aus Putz freigelegte Ziegeloberfläche, die gleich einem Gemälde zum Ausstellungsstück wird, erinnert ebenso wie die an Ort und Stelle belassenen Felder aus glasierten Ziegeln und Kacheln an die Nutzung als Stadtbad. Auch von der Wiederverwendung der charakteristisch schmalen Kabinentüren der Dusch- und Wannenbäder konnte der Architekt den Bauherrn überzeugen: „Wir haben die alten Türen wie einen Schmetterling im Glaskasten zwischen zwei von einem schmalen Messingprofil gefassten Glasscheiben gepackt“. So konnte man die alten Kabinentüren so lassen, wie sie mit all ihren Alterungs- und Nutzungsspuren und dem beschädigten grünen Lack waren.
Handwerklich war das allerdings eine Herausforderung für die Mitarbeiter der Restaurierungs Werkstätten Berlin GmbH. Vorab entfernten sie alle Bänder, Schlösser, Garnituren, Schilder und losen Lack und überzogen die Oberfläche zur Konservierung mit mehreren Anstrichen „Paraloid B-72“. „Das ist ein sehr hochwertiges Acrylatesterpolymerisat, das eine sehr hohe Alterungsbeständigkeit besitzt. Die Meinungen darüber gehen in der Denkmalpflege allerdings auseinander, da das Harz je nach verwendetem Lösemittelanteil in den Untergrund einzieht (fehlende Reversibitlät) sowie den Glanzgrad und Farbton beeinflusst“, erklärt Stuckateurmeister und Architekt Christian Lormis von den Restaurierungs Werkstätten Berlin GmbH. Nach der Festigung der alten grünen Lackschichten schnitten die Handwerker die so vorbereiteten Kabinentüren auf einheitliche Maße zu und bauten sie zwischen die beiden VSG-Scheiben, die von schmalen Messingprofilen gefasst werden, in einen Holzrahmen als Füllung für das Blatt der Schiebetüren ein. Mit dem Schiebetürsystem der Firma Eclisse, das in der Lage ist, ein bis zu 150 kg schweres Türblatt aufzunehmen, verschwinden diese Türen vor den Bädern der Hotelzimmer im Hohlraum einer Trockenbauwand. Hiervon gibt es auch eine allerdings nur fünfmal zur Ausführung gekommene Variante, bei der die Handwerker die alte Kabinentür ohne die VSG-Scheiben direkt in das Blatt einer Drehtür integrierten.
Neben Rauch- und Feuerschutztüren spielten vor allem die Verglasungen von Fenstern und Maueröffnungen für den Brandschutz eine wichtige Rolle. So mussten die alten Öffnungen zwischen dem Treppen- und dem Vorderhaus mit Brandschutzverglasungen geschlossen werden, so dass man die alten Fenster und Kabinentüren darin noch sieht. Eine große handwerkliche Herausforderung bestand für die Schreiner darin, zwei große Rundbogenfenster zwischen dem Hotel und dem Schwimmbad in T30 RS aus Holz zu bauen, deren Flügel über Magnete eigentlich immer zum Bad hin geöffnet an der Wand angelegt sind.
Eine ausgezeichnete Umnutzung
Dipl.-Ing. Thomas Wieckhorst ist Chefredakteur der Zeitschriften bauhandwerk und dach+
holzbau.
Baubeteiligte (Auswahl)
Bauherr Gbr Oderberger Straße 57 - 59,
Barbara und Dr. Hans-Dieter Jaeschke, Berlin
Nutzer Hotel Oderberger, Berlin,
Planung und Bauleitung cpm architekten,
Britt Eckelmann und Mathias Jensch, Berlin,
Statik Lichtenau Himburt Tebarth Bauingenieure, Berlin, www.lht-bauing.de
Restauratoren Burkhardt Bluhm und Restauratorenkollektiv Schwarzer Ricken, Berlin,
Schreinerarbeiten Dreh- und Schiebetüren
RWB, Restaurierungs Werkstätten Berlin,
Holzfensterbau Bildau & Bussmann, Berlin,
Putzarbeiten Seba Putzausführung, Berlin,
Malerarbeiten Frank Schröder Malerbetrieb, Berlin, www.malerbetrieb-schroeder.de
Sandstein- und Granitarbeiten Gebauer Steinmetzarbeiten, Berlin, www.gebauer-steinmetz.de
Fliesenlegerarbeiten Flex Bau, Pastow,
Terrazzoarbeiten
SVF Steinveredelung Finsterwald, Massen,
Herstellerindex (Auswahl)
Schwimmbadfliesen Gail Architektur-Keramik,
Gießen, www.gail.de
Schiebetürensystem Eclisse Deutschland,
Darmstadt, www.eclisse.de
Brandschutzglas Promat, Ratingen, www.promat.de
Brandschutztüren Hörmann, Steinhagen,