Umnutzung einer Scheune bei Bielefeld zum Wohnhaus

Bei der Umnutzung einer über 100 Jahre alten Scheune nahe Bielefeld zum Wohnhaus sorgt Mineralwolle zwischen der alten Backsteinfassade und einer neuen Innenschale aus Porenbeton für einen zeitgemäßen Wärmeschutz. Tageslicht gelangt durch viele sehr unterschiedliche Fenster ins Haus.

Lambert Austermann hatte schon vor 25 Jahren die ehemalige Hofstelle nahe Bielefeld am Nordhang des Teutoburger Waldes gekauft. In der Folgezeit ließ er das Haupthaus umbauen. Die Planung lag damals beim Gütersloher Büro Spooren Architekten. Mittlerweile waren die Kinder aus dem Haus und dieses für den Rest der Familie nun zu groß. Aber da gab es noch die alte Durchfahrtsscheune, die vis-à-vis dem Haupthaus steht. Sie diente schon seit langem nur als Abstellfläche.

Lambert Austermann, der beim Umbau des Haupthauses mit dem Büro Spooren Architekten gute Erfahrungen gemacht hatte, setzte sich mit Thomas Spooren zusammen, um den Verkauf des Haupthauses und die Umnutzung der Scheue zum Wohnhaus zu beraten. Regionaltypische Besonderheiten wie die Backsteinfassade und die Eichenholzgiebel sollten trotz Sanierung erhalten sowie die ehemalige Nutzung auch noch nach dem Umbau ablesbar bleiben.

Neuer Bodenaufbau auf altem Niveau

Zentraler Gesichtspunkt der Sanierung war die energetische Ertüchtigung der bis dato ungedämmten Scheune. Wichtigste Aspekte des Umbaus waren der Einbau barrierefreier Räume und großer Fensterflächen in Dach und Außenwand.

Da der regionaltypische Charakter erhalten bleiben sollte, kam neben einer Aufsparrendämmung für das Dach für die lediglich gereinigte Backsteinfassade nur eine Dämmung von innen in Frage. Hierzu entfernten die Handwerker zunächst die in der Südhälfte der Scheune noch vorhandenen Mauern der Schweineställe und den alten Ziegelboden. In der Nordhälfte hatte man den Boden für eine Nutzung als Werkstatt aufgeschüttet. Dieser Bodenaufbau wurde ebenso abgegraben wie die Bodenerhöhung, die es für die Schweineställe schon von jeher gab, damit die Tiere trotz der Hanglage bequem ins Freie laufen konnten. Durch diese Auskofferung wurde das Bodenniveau um 60 cm abgesenkt, aber nur, um es mit 10 cm Schotter und einer 25 cm dicken Sohle aus WU-Beton wieder aufzufüllen, die später einen ebenfalls 25 cm dicken Bodenaufbau aus Dämmung, Heizestrich und darauf verklebtem Eichenparkett erhielt. „Damit stimmt der neue Fußbodenaufbau exakt mit der ehemaligen Bodenhöhe der Durchfahrtsscheune überein“, erklärt Architekt Thomas Spooren.

Statisch tragende Innenschale aus Porenbeton

In den Torstürzen zeigten sich Risse. Grund hierfür war die Hanglage, die die Statik der Scheune in mehr als 100 Jahren verändert hatte. „Für den Statiker ein eindringlicher Hinweis, dem alten Tragsystem der Scheune nicht mehr zu vertrauen“, meint Thomas Spooren. Der Tragwerksplaner ließ die alte Statik bei seinen Berechnungen daher unberücksichtigt. Eine neue Innenschale übernimmt nun die tragende Funktion. Diese stellten die Maurer aus 17,5 cm dicken Porenbetonsteinen auf die neue Stahlbetonsohle. Über einen Stahlbetonringbalken als oberem Mauerabschluss ist die Innenschale kraftschlüssig mit dem Dachtragwerk verbunden.

Im Raum zwischen der alten Backsteinaußenwand und der neuen Porenbetoninnenschale sorgt Mineralwolle für einen zeitgemäßen Wärmeschutz. „Wichtig ist hierbei der Anschluss der Dämmschale an die dreifachverglasten Holzfenster“, sagt Thomas Spooren. Dieser wird mit einer Mauervorlagedämmung aus XPS gelöst, an die die Rahmen der Holzfenster anschließen. „Die Fenster müssen unbedingt in dieser Dämmebene sitzen“, so Spooren. „Sonst kann es zu Tauwasser- und letztlich zu Schimmelbildung an den Rahmen der Holzfenster kommen.“

Sichtbetonsockel verändert den Kräfteverlauf

Beim alten Tragsystem der Scheune handelte es sich um einen liegenden Stuhl. Die Streben führten die Kräfte schräg auf innere Mauervorlagen aus Ziegeln, die mit der Außenwand verbunden waren, ab bis ins Fundament. „Auf den Mauervorlagen kommt das Holz der Streben aus dem Spritzwasserbereich heraus“, so Architekt Spooren. Da die Mauervorlagen aber wegen der neuen Innenschale weichen mussten, bedurfte es für die Streben eines neuen Sockelsystems. „Um die Auflagerpunkte der Streben auch nach dem Umbau sichtbar zu lassen und den Kräfteverlauf erfahrbar zu machen, mussten die Streben gekürzt und ihre Fußpunkte auf neue, in Sichtbeton auf Perimetersteinen gegossene Sockel aufgelagert werden. Aufgrund der neuen Innenschale wären die Fußpunkte der Streben sonst im Nichts verschwunden“, erklärt Thomas Spooren die Kürzung der Streben und den damit verbundenen höheren Sockel. Daher hat er gemeinsam mit dem Statiker den Verlauf der Kräfte verändert. Nun laufen diese nicht mehr schräg aus der Strebe kommend durch die Mauervorlage und Außenwand ins Fundament, sondern werden im Sichtbetonsockel geknickt beziehungsweise in die neue Sohlplatte abgelenkt. Um diese Kräfte aufnehmen zu können, mussten Bewehrungseisen von der Sohlplatte durch den Betonsockel bis in die Fußhölzer der Streben geführt werden.

Neue Öffnungen ins Mauerwerk geschnitten

Die neuen Holzfenster sind innen weiß und außen anthrazit lackiert. Die Tischler setzten diese in die schmalen Maueröffnungen ein, die die Maurer auf drei Seiten in das Backsteinmauerwerk geschnitten hatten. Der Einschnitt in die Fassade sollte im Format als neu dem Gebäude zugefügt ablesbar sein, an den Laibungen jedoch nicht im Material hervorgehoben, sondern mit alten Ziegelsteinen ausgeführt werden. „Die Eingriffe sollen nachvollziehbar, aber nicht besonders herausgestellt sein“, meint Lisa Spooren, Partnerin im Büro Spooren Architekten. Denn sonst hätte man den Eingriff in die Substanz an den Laibungen sicher mit Blechen kenntlich gemacht. So verlangte das Vermauern der Laibungen mit den an anderer Stelle entnommenen Backsteinen von den Maurern besondere Sorgfalt bei der Ausführung. „Wir haben die Ziegel gemeinsam mit dem Bauherrn aufgearbeitet“, sagt Lisa Spooren. „Bewusst wollten wir aber zeigen, dass es sich um ein nachträglich eingebautes Fenster handelt. Daher haben wir unter anderem auch aus Kostengründen nicht aus allen noch intakten Fugen den Mörtel gekratzt, sondern nur um die Eingriffsstelle in einer ähnlichen Mörtelfarbe nachverfugt“, so Lisa Spooren weiter. Bis auf das Fensterformat in der Nordostecke, wo sich heute die Küche befindet, handelt es sich um schmale Hochformate. Diese verwendeten die Tischler auch für die beiden auf der Westseite zur Hälfte zugemauerten Öffnungen der Stalltüren, die im Bestand noch vorhanden waren. Um das historische Format optisch zu bewahren, nahmen die Handwerker für den zurückversetzten, zugemauerten Teil in den Maueröffnungen grauen Zementputz, anstatt hier mit Ziegeln zu verblenden. Öffnungen weiterer Stalltüren wurden ganz zugemauert – mit den originalen Stalltüren davor.

Vormals dunkel – heute lichtdurchflutet

Während durch die schmalen Fensterformate nur vergleichsweise wenig Tageslicht in die vormals dunkle Scheune gelangt, boten die Durchfahrten auf der Ost- und Westseite, die zur Zeit der landwirtschaftlichen Nutzung mit Schiebetoren verschlossen werden konnten, ein beachtliches Potential für die Versorgung der Innenräume mit Tageslicht. Geschlossen wurden sie mit einer ebenfalls innen weiß und außen anthrazit lackierten Pfosten-Riegel-Konstruktion aus Merantiholz. In gleicher Weise verfuhr man auf der Nord- und Südseite mit den beiden geschossübergreifenden Maueröffnungen in den Stirnseiten der Scheune.

Im Dach montierten die Handwerker über den Durchfahrten auf jeder Seite des Satteldachs zwischen die bestehenden Sparren ein Feld aus sechs Dachfenstern. „Die alten Sparren mussten wir nur um wenige Zentimeter in ihrem Abstand zueinander verschieben, damit die Standard-Dachfenster von Velux dazwischen passten“, erinnert sich Thomas Spooren. Dafür, dass das Tageslicht durch die Dachfenster bis ins Erdgeschoss gelangt, sorgt eine Galerie in der Dachgeschossmitte, die auf beiden Längsseiten einen Abstand von etwa 2 m zur Traufkante frei lässt. Auf die Galerie gelangt man über eine eingefasste Stahltreppe, auf die die Tischler Eichenholzstufen setzten. Der alte Dachstuhl, der nur unwesentlich verändert werden musste, bleibt sichtbar, die Holzoberflächen wurden lediglich gebürstet. So bleibt viel vom ursprünglichen Charakter der Scheune erhalten – nur, dass sich heute auch Menschen darin sehr wohl fühlen können. Eine gelungene Verbindung von Alt und Neu.

Autor

Dipl.-Ing. Thomas Wieckhorst ist Chefredakteur der Zeitschriften bauhandwerk und dach+holzbau.

Baubeteiligte (Auswahl)

 

Bauherr Lambert Austermann, Bielefeld

Planung Spooren Architekten, Gütersloh,

www.spooren-architekten.de

Zimmerer- und Dachdeckerarbeiten Fachwerk – Bautischler & Zimmerei, Rheda-Wiedenbrück,

www.fach-werk-gmbh.de

Fensterbau Michels Fenster-Türen,

Rheda-Wiedenbrück, www.michels-fenster.de

 

Herstellerindex (Auswahl)

 

Porenbetonsteine Ytong, Xella Deutschland,

Duisburg, www.ytong-silka.de

Kerndämmung aus Mineralwolle Saint-Gobain

Isover G+H, Ludwigshafen, www.isover.de

Mauervorlagendämmung aus XPS Austrotherm Dämmstoffe, Wittenberge, www.austrotherm.de

Schalungselemente für Ringbalken Rekord

Holzmann, Bad Laer, www.rekord-holzmann.de

Dachfenster Velux Deutschland, Hamburg,

www.velux.de

Weitere Informationen zu den Unternehmen
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