Ausnahmesituation auf den Baustellen: Baustoffe sind knapp

Seit April bremst der Rohstoffmangel die Bauindustrie mit Wucht aus. Dass Material zur Mangelware wird, damit haben die wenigsten Handwerker gerechnet - Holz, Dämmstoffe, Stahl, Bitumen und Ziegel sind nach wie vor knapp. Die Lage ist komplex, doch es gibt Lösungsansätze.

Die Preise für Termingeschäfte mit Schnittholz sind Ende Juni drastisch zurückgegangen. Der Holzpreis fiel um 40 Prozent. Der Grund: Die Sägewerke in den Vereinigten Staaten können der gestiegenen Nachfrage gerecht werden. Die US-Holzproduktion wuchs in den vergangenen zwölf  Monaten. Bis sich die Lage vollends normalisiert, müssen Handwerker und Bauherren noch viel Geduld haben.

„Es ist verrückt. Auf Brandschutz-Spanplatten muss ich bis Januar warten. Normale Euro-Schrauben für Schubladen-Beschläge habe ich auch nicht mehr bekommen“, berichtet Frank Paschke, Tischler-Innungsmeister aus Duisburg, über die derzeitige Lage. Zum Glück hätten Alternativ-Schrauben gepasst. Und aus einem Bauchgefühl heraus habe er sich mit anderem Materialien, wie Silikon, am Anfang des Jahres eingedeckt. „Wir können unsere derzeitigen Aufträge noch abarbeiten. Ich habe mich bevorratet und bin dazu in Vorleistung gegangen“, sagt er. Wenn ihm allerdings das Fett für seine Maschinen ausginge, dann sei nichts mehr zu machen, ärgert er sich. Es könne doch nicht richtig sein, dass so viel ins Ausland exportiert werde und die heimischen Handwerker auf dem Trockenen sitzen. „Wenn wir noch etwas ergattern, dann ist das ziemlich teuer. Bei PU-Schäumen beträgt die Preiserhöhung 40 Prozent“, musste Paschke feststellen. Oft würden ihm auch Reste angeboten. „Aber was soll ich mit Spanplatten, die 14 cm zu kurz sind?“ fragt er fassungslos.

Vorräte gehen langsam aus

Guido Hayen, Zimmerermeister und Geschäftsführer der G-H Zimmerei und Dachdeckerei aus Steegen in Mecklenburg-Vorpommern, gehen langsam die Vorräte aus und Nachschub ist nicht in Sicht. „Der Preis pro Kubikmeter Holz ist im Moment etwa doppelt so hoch wie sonst, wenn man denn überhaupt Schnittholzprodukte erhält. Die Wartezeiten für Holzlieferungen liegen im Moment bei 12 bis 15 Wochen.“ Grundsätzlich habe er genügend Aufträge. „Aber ich bin mir nicht sicher, ob wir diese Aufträge in ein bis zwei Monaten noch wie geplant ausführen können, da einfach das Material fehlt“, so Hayen. Deswegen habe er  schon im Mai Kurzarbeit für seine Mitarbeiter angemeldet. „Ich hätte nie gedacht, dass die Situation mal so schlimm werden würde“, sagt Hayen.

Firmen bewerten Geschäftslage negativ

Mit diesen Erfahrungen stehen die beiden Handwerker nicht allein da. Im Mai haben 40 Prozent der vom ifo Institut befragten Baufirmen eine Behinderung ihrer Bautätigkeit durch Material­knappheit gemeldet. Die Folge: Die aktuelle Geschäftslage im Bauhauptgewerbe bewerten die Firmen noch positiv, die Geschäftserwartungen für die kommenden sechs Monate hingegen negativ.

Die Preissprünge sind teilweise enorm. Eine aktuelle Umfrage unter den rund 7000 Innungsbetrieben des Zentralverbandes des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH) zeigt, dass über 60 Prozent der Betriebe über Preissteigerungen von mehr als 50 Prozent berichten. Einige Dachdeckerbetriebe müssen laut Umfrage Steigerungen von über 100 Prozent hinnehmen. Vor allem Latt- und Schalholz, aber auch Holzfaserdämmstoffe und OSB-Platten seien deutlich teurer geworden. Bei Dachlatten beobachten Betriebe sogar eine Verdreifachung des Preises.

Ähnliches gilt laut den Ergebnissen der ZVDH-Umfrage bei EPS-Dämmstoffen: Die Hälfte der Betriebe meldet, dass sie für EPS-Dämmstoffe bis zu 50 Prozent mehr zahlen müssten als noch im vergangenen Jahr. Und auch hier herrschen lange Lieferzeiten: Dachdeckerbetriebe warten bis zu zehn Wochen oder länger auf Dämmstofflieferungen. Auch PUR/PIR-Dämmstoffe, Bitumenbahnen, Unterspannbahnen, Metalle und Mineralwolle seien zum Teil deutlich teurer geworden und werden zeitverzögert geliefert, so der ZVDH.

Laut des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie lagen die Baupreise im März 2021 um 18,5 Prozent beziehungsweise 20,6 Prozent über dem Niveau von Dezember 2020. Zwei bis drei Prozent Mehrkosten für den Bau eines Hauses seien durchaus möglich, prognostiziert derweil der Bauherren-Schutzbund. Bei manchen Dachdeckern werden Aufträge bereits storniert. Jeder vierte Dachdecker nennt laut ZVDH-Umfrage Baustellenstopps als eine der Auswirkungen der Lieferengpässe und über die Hälfte der ZVDH-Befragten muss geplante Bauvorhaben verschieben. Rund zehn Prozent der Betriebe hat bereits Kurzarbeit angemeldet, so ein weiteres Ergebnis der Umfrage des Zentralverbandes des Deutschen Dachdeckerhandwerks, die im April 2021 veröffentlicht wurde.

Holz-Exporte nach China haben abgenommen

Fehlende Holzprodukte sind für viele Dachdeckerbetriebe, Zimmereien und Tischlerbetriebe momentan ein Problem. Auf Gründe und Folgen der aktuellen Holzkrise geht der ZVDH in einem aktuellen Faktenblatt ein. Danach ist eine hohe Nachfrage nach Nadelschnittholz aus den USA ein Grund für die Holzknappheit hierzulande. Kanada als Holzlieferant der USA sei größtenteils ausgefallen, was zum einen an noch bestehenden Handelsbeschränkungen zwischen beiden Ländern und zum anderen an einem hohen Schädlingsbefall in den kanadischen Wäldern liege. Der ZVDH nennt konkrete Zahlen: Die Amerikaner haben allein im Januar und Februar 2021 rund 33 Prozent mehr Nadelschnittholz aus Deutschland importiert. Deutschland ist damit nach Kanada inzwischen der zweitgrößte Holzlieferant der USA.

Momentan wird häufig kritisiert, dass viel deutsches Holz nach China exportiert wird, das besser hierzulande genutzt werden sollte. Laut den Recherchen des ZVDH ist der Export von Nadelschnittholz aus Deutschland nach China jedoch 2021 gegenüber dem Vorjahr um fast 50 Prozent gesunken. Die Exportmenge von Nadelschnittholz nach China lag Anfang 2021 bei 79 000 m³. Deutlich mehr wurde in diesem Jahr von Deutschland nach Großbritannien exportiert, nämlich 127 000 m³. Ähnlich viel wurde im Januar und Februar 2021 nach Österreich (152 000 m³), Frankreich (143 000 m³), die Niederlande (142 000 m³) und nach Belgien (130 000 m³) exportiert.

Mehr Holz geht nach Frankreich

Insgesamt wurde in diesem Jahr nicht mehr Holz aus Deutschland in andere Länder exportiert als in den Vorjahren, beschreibt der ZVDH in seiner Faktensammlung. Aber es gab Verschiebungen bei den Abnehmerländern. So wurde in den ersten beiden Monaten dieses Jahres beispielsweise mehr Holz in die USA, nach Frankreich und Österreich exportiert.

Der Export von deutschem Nadelschnittholz in die USA hat also zugenommen. Was sind die Gründe dafür? Zum einen ließ der „Holzhunger“ der USA die Preise für exportiertes Holz ansteigen. Der Preis für nach Amerika exportiertes Fichten-Tannen-Schnittholz lag im Februar 2021 um 50 Prozent höher als im Vorjahresmonat. Das macht den Export von Rundholz und Nadelschnittholz attraktiv. Zum anderen ist es hierzulande zu einem Verfall des Fichtenholzpreises durch einen hohen Schadholzanfall in den vergangenen Jahren gekommen. Der Markt sei mit Fichtenholz überschwemmt worden, die Absatzmöglichkeiten waren hierzulande jedoch eingeschränkt. Einige Firmen spezialisieren sich daher auf den Export von Nadelschnittholz und Rundholz, beschreibt der ZVDH in seiner Faktensammlung.

Folgen für Waldbesitzer und Sägewerke

Die Sägewerke in Deutschland sind hoch ausgelastet, haben jedoch Schwierigkeiten, die hohe Nachfrage nach Schnittholz zu bedienen. Die Holzpreise für Waldbesitzer steigen nur langsam, während Exporteure und Sägewerke teilweise hohe Gewinne machen. Viele Waldbesitzer schlagen wegen niedriger Holzpreise außerdem weniger Holz ein als sonst. Die Folge: Handwerker müssen für Nadelschnittholzprodukte wie Dachlatten hohe Preise zahlen, wenn sie überhaupt Material erhalten. Die Lage sei komplex, einfache Antworten auf die aktuelle Krise gebe es nicht, teilt der ZVDH mit. Um die Lage zu entschärfen, schlägt der Verband die Einrichtung regionaler, runder Tische vor. Handwerksinnungen, Kreishandwerkerschaften, kommunale Politiker, Waldbesitzer, Sägewerke und Holzhandel sollten gemeinsam nach Lösungen und Wegen aus der Holzkrise suchen. Der ZVDH rät außerdem davon ab, Vorratskäufe im großen Stil zu tätigen.

Handwerker müssen Baustoffe hamstern

Doch manchem Handwerker bleibt nichts anderes übrig. „Im Moment haben wir eine Ausnahmesituation. Vor allem bei Holz, Stahl, Kunst- und Dämmstoffen gibt es Materialengpässe und wir erhalten fast nur noch Tagespreise“, erklärt Dachdeckermeister Dieter Berheide, Geschäftsführer des Dachdeckerbetriebs Berheide & Kozlik in Harsewinkel. So habe er vor kurzem eine große Menge an FPO-Dachbahnen für ein anstehendes Großprojekt eingela­gert, als das Material noch erhältlich war – insgesamt handelt es sich um 16 000 m² FPO-Dachabdichtungsbahnen. „Damit das Projekt nicht kurzfristig verschoben werden muss, weil kein Material zu kriegen ist“, erklärt Berheide. Holzfaser- und Mineralwolldämmstoffe sowie Bitumenbahnen hat der Dachdeckerbetrieb ebenfalls vorsorglich eingelagert. Das sei für seinen Betrieb ungewöhnlich, erklärt Berheide, normalerweise lässt er  Dämmstoffe und Dachabdichtungsbahnen direkt auf die Baustelle liefern und dort verarbeiten.

Hersteller arbeiten unter Vollauslastung

Durch die langjährige Partnerschaft mit unterschiedlichen Rohstofflieferanten könne die Produktions- und Lieferfähigkeit aber aufrechterhalten werden, so Geschäftsführer Alexander Sinner. Andere Hersteller sehen sich ebenfalls gezwungen, gestiegene Rohstoffpreise an Kunden weiterzugeben. So erhöht die Fleck GmbH, Hersteller von Dachzubehör, zum 16. August 2021 die Bruttopreise für ihre Produkte um fünf Prozent. Damit reagiert der Hersteller nach eigenen Angaben auf die Veränderungen der vergangenen Wochen bei Bau- und Rohstoffen, die in erster Linie auf Preissprünge chemischer Rohstoffe zurückzuführen sind.  Das meldete auch die Egger-Gruppe im Mai, die derzeit unter voller Auslastung produziert. „Während die Holzpreise sich regional unterschiedlich entwickelten und insgesamt erst leicht, zuletzt auch teils deutlich anstiegen, erleben wir bei chemischen Vorprodukten eine noch nie dagewesene Extremsituation“, sagt Ulrich Weihs, CEO der Division Egger Building Products der Egger-Gruppe. Die global ungebrochen hohe Nachfrage nach Holzwerkstoffen und die volle Auslastung der Kapazitäten schlage sich in einer entsprechend hohen Nachfrage nach Harnstoff, Methanol, Melamin, PMDI-Leimen, Leim- und Imprägnierharzen, Titandioxid und Zellstoffen nieder. Die Preise aller Chemie-Rohstoffe seien empfindlich angestiegen, so die Egger-Gruppe.  „Durch eine umsichtige Einkaufspolitik ist die laufende Versorgung unserer Produktionswerke mit den dafür notwendigen Rohstoffen gewährleistet und wir rechnen zum heutigen Zeitpunkt nicht mit rohstoffbedingten Produktionseinschränkungen“, teilte Ulrich Weihs im Mai mit.

Vermeidung von Konventionalstrafen gefordert

Der Hauptverband der Deutschen Holzindustrie veröffentlicht Lösungsansätze. Neben der sofortigen Aussetzung des Forstschäden-Ausgleichsgesetzes sollte eine gesetzliche Regelung zur Vermeidung von Konventionalstrafen geschaffen werden. Dadurch würde ein vertraglich in Verzug geratenes Unternehmen von einer existenzbedrohenden Strafe befreit. „Nur durch aktive Waldbewirtschaftung und eine forcierte Holzverwendung sichern wir das Ökosystem“, macht HDH-Hauptgeschäftsführer Denny Ohnesorge deutlich. Als langfristige Maßnahmen sieht er den Vorratsabbau von klimawandelgefährdeten Baumarten zu forcieren und die Rohstoffsicherung durch Waldumbau mit nachgefragten, klimastabilen Baumarten.

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