Betriebsnachfolge regeln

Jedes Jahr suchen in Deutschland rund 70 000 Betriebe einen Nachfolger. War es früher fast selbstverständlich, dass der Sohn oder die Tochter den Betrieb in die nächste Generation führte, bleibt heute nicht mal jeder zweite Betrieb im Familienbesitz. Andreas Kessler übergibt seinen Betrieb an Markus Gebauer.

„Die externen Übernahmen haben stark zugenommen, gleichfalls aber auch die Zahl der Unternehmensaufgaben“, weiß Professor Dr. Birgit Felden, Geschäftsführerin der auf Betriebsnachfolge spezialisierten TMS Unternehmensberatung in Köln. Besonders kritisch ist nach ihrer Erfahrung dabei der Übergang von der zweiten auf die dritte Generation, der nur noch in 27 Prozent aller Fälle gelingt. Die Gründe dafür sind laut Felden genauso vielschichtig wie die Betriebe, wobei bei Familienunternehmen ein Faktor hinzukommt, der sich nur schwer kalkulieren lässt: die Emotion. „Die Werte haben sich im Laufe der Generationen stark verändert, was zwischen Seniorunternehmer und Nachfolger immer wieder zu Konflikten führt“, so Felden. So scheitern viele Übergaben heutzutage daran, dass beide Seiten nicht offen über ihre jeweiligen Ziele sprechen und somit auch keinen gemeinsamen Zielkonsens finden können. Schließlich müsse der Senior genauso eine Vision für das Leben „nach dem Betrieb“ haben wie der Junior seine Rolle als Unternehmer möglichst realistisch definieren muss. Im Einzelfall kann das nach Erfahrung der Expertin natürlich ein schmerzhafter Prozess sein, besonders wenn sich herausstellt, dass der ins Auge gefasste Nachfolger nicht geeignet ist oder ganz andere Ziele im Leben verfolgt. Um genügend Spielraum zu haben, rät Felden deshalb dazu, die Nachfolge rechtzeitig und strategisch anzugehen. Helfen kann dabei die Mitgliedschaft in einem Netzwerk, wie etwa als Partner von Einer.Alles.Sauber.: Der offene Erfahrungsaustausch mit anderen Übergebern oder Nachfolgern in der Gruppe bringt für beide Seiten Lerngewinne und Sicherheit. Wer darüber hinaus Hilfe bei der Festlegung einer geeigneten Strategie braucht, kann den von Einer.Alles.Sauber angebotenen „Schärfdienst“ nutzen: Bei diesem Termin sprechen Übergeber und potenzieller Nachfolger offen über ihre jeweiligen Erwartungen und Ziele, die Geschäftsführer von Einer.Alles.Sauber moderieren und entwickeln eine Nachfolgestrategie.

 

Fallbeispiel: Bauunternehmung Andreas Kessler 

Tradition ist für Andreas Kessler eine feine Sache, doch sie sollte „kein Knebel“ sein. So ist der 54jährige Bauingenieur zwar stolzer Vater von vier Kindern, doch während die beiden Jungs eher soziale als unternehmerische Kompetenzen entwickelten, hatten ihre Schwestern einfach andere berufliche Interessen. Für Kessler selbst ist das kein Problem, schließlich erinnert er sich noch gut an seinen ungewollten Blitzstart ins Unternehmerleben: direkt nach dem Studium musste er im elterlichen Unternehmen „ins kalte Wasser“ springen, einen solchen schweren Schritt wollte er den eigenen Kindern auf jeden Fall ersparen.

„Nachdem sich früh abzeichnete, dass es in der Familie keinen Nachfolger geben wird, habe ich eben nach einer anderen Lösung gesucht“, erklärt Kessler. Gefunden hat er sie in seinem langjährigen Mitarbeiter Markus Gebauer, der seit seinem Eintritt 1998 den Geschäftsbereich Modernisierung betreut. Während sich Kessler und ein weiterer Betriebsleiter neben der Modernisierung zusätzlich um die Bereiche Putz und Trockenbau und schlüsselfertiger Neubau kümmerten, baute Gebauer den mit der Mitgliedschaft bei Einer.Alles.Sauber. als strategische Spitze ausgewählten Geschäftszweig Modernisierung in beständig wachsender Eigenverantwortung auf. Was so einfach klingt, hat in der Praxis jedoch seine Tücken: „Hatte vorher jeder parallel an seinen Projekten gearbeitet und diese komplett verantwortet, müssen wir jetzt die Aufgaben neu verteilen“, erinnert sich Kessler. Unterstützt wurden sie dabei von Einer.Alles.Sauber. So kümmert sich Markus Gebauer heute um die Geschäftsanbahnung und die Kommunikation mit den Kunden. Die Abwicklung und die Zusammenarbeit mit Handwerkern und Geschäftspartnern ist dagegen Kesslers Sache. Eine Lösung, die dem Seniorchef inzwischen sehr gut gefällt, da er sich auf seine Lieblingsjobs konzentrieren kann und ihm noch dazu genügend Freiraum für Sport und Familie bleibt. Für den engagierten Unternehmer ist die Familie ganz klar der Lebensmittelpunkt. Wenn später hin und wieder sein Wissen als Berater gefragt ist, würde er jedoch sicher auch nicht „nein“ sagen: „Ich habe eben sehr viele Bilder im Kopf, wie ich meinen Ruhestand gestalten könnte“, sagt Kessler.

 

Der Nachfolger im eigenen Betrieb 

Nach dem Abitur und einer Maurerlehre war Markus Gebauer Mitte der 1990er-Jahre auf der Suche nach einem Betrieb, in dem er seine Diplomarbeit zum Bauingenieur umsetzen konnte. Schon damals lernte er die Vorzüge eines Netzwerks kennen, schließlich kam der Kontakt zum Baubetrieb Kessler über die örtliche Kirchengemeinde zustande. Dass daraus eine (fast) lebenslange, echte Partnerschaft werden würde, ahnte Markus Gebauer indes damals noch nicht. So fand er sich kurz nach seinem Einstieg in Kesslers Baubetrieb gleich in einem weiteren Netzwerk wieder, der gerade gegründeten Leistungsgemeinschaft zur Eigenheimmodernisierung Einer.Alles.Sauber. „Bei Kessler habe ich von Beginn an den Modernisierungsbereich verantwortet und damit konstant gute Erfolge erzielt“, erinnert sich Gebauer an den Start seiner Karriere. Natürlich gab es manchmal Versuche von Architekten, den erfolgreichen Bauleiter abzuwerben, doch Gebauer wusste, was er an seinem Job hatte: „Ich wollte Verantwortung und habe sie bei Kessler auch bekommen. Woanders hätte ich meine Vorstellungen nicht so frei umsetzen können.“

Als Kessler schließlich die beiden anderen Geschäftsfelder Rohbau und Putz herunterfuhr um sich ganz auf die Modernisierung zu konzentrieren, sah Gebauer darin eine gute Chance, die Weichen auch für sich neu zu stellen. Schließlich wusste er fast noch besser als sein Chef um die Qualitäten und positiven Zukunftschancen des Modernisierungsmarktes. Um diese effizient und gewinnbringend nutzen zu können, organisierten Kessler und Gebauer zunächst mit Hilfe der Einer.Alles.Sauber.-Geschäftsführung die Arbeitsabläufe neu: Während Gebauer verkauft und die Kunden berät kümmert sich Kessler um die Abwicklung der Projekte. Anfangs fiel es dem an eigenständiges Arbeiten und Entscheiden gewohnten Gebauer nicht leicht, die Projekte loszulassen und an Kessler zu übergeben, doch inzwischen hat sich alles gut eingespielt. So gab es im langen und kalten Winter 2011 erstmals seit langer Zeit keine Kurzarbeit, was vor allem daran lag, dass Gebauer sich inzwischen auf die Kundengewinnung und Beratung konzentrieren kann. Behutsam, wie der Umstieg des kompletten Betriebs zum Modernisierungsspezialisten, soll nun auch der Aufstieg des ehemaligen Diplomanden Gebauer zum Chef erfolgen: „Ich steige zunächst als Mitgesellschafter ein und stocke die Anteile dann sukzessive auf.“ Von harten Schnitten und einsamen Entscheidungen beim Thema Nachfolge hält Markus Gebauer indes nichts: Schließlich ist die durchgängig gute Auftragslage während der vergangenen Wintermonate ein eindrucksvoller Beleg dafür, wie wertvoll es sein kann, wenn jeder sich entsprechend seiner Stärken in den Betrieb einbringt.

 

Autor

 

Josef Berchtold ist neben Paul Meyer Geschäftsführer der Einer.Alles.Sauber. GmbH aus Senden.

„Die externen Übernahmen haben stark zugenommen, gleichfalls aber auch die Zahl der Unternehmensaufgaben“

Systemdarstellung

Hier finden Sie eine Darstellung des Systems von Einer.Alles.Sauber. als PDF zum Download.

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