Einprägsam 
Wiederentdeckt: Stempelstuck als alte Handwerkstechnik

Stuck kennt man als gezogene, angetragene oder angesetzte plastische Architekturelemente. Doch die Kunst des Stuckierens ist um einiges vielfältiger. Stuckverzierungen können durch recht unterschiedliche Gips- und Kalkstucktechniken entstehen, beispielsweise als angetragene Verzierung, als antiker Weißstuck oder als Stuckmarmor. Die wenigsten Handwerker wissen aber, dass man Stuck auch mit Modeln einfach in den weichen Mörtel eindrücken kann. Man spricht dann von so genanntem Stempelstuck. Was man hierzu braucht und wie man Stempelstuck auch heute wieder ausführen kann, zeigt der folgende Beitrag.

Dass Stempelstuck eine alte Technik des Stuckateurhandwerks ist, beweist die Stadt Höxter: Dort gibt es eindrucksvolle Beispiele von Stempelstuck, auch Press- oder Modelstuck genannt, aus der Renaissance. Diese Art der Deckengestaltung war im Weserraum von etwa 1560 bis 1600 bei anspruchsvollen Bauten des Adels und des Bürgertums sehr beliebt. In dem in Höxter gelegenen Adelshof Heisterman war die Firma Iwona Accordi Restaurierungen beispielsweise für die Restaurierung und Ergänzung des dort einmaligen Stucks verantwortlich. Die Firma benötigte zur Ergänzung des Stempelstucks einen Sumpfkalkmörtel, der in einer Schichtdicke von 3 bis 5 mm auf Lehmputz aufgetragen werden konnte und eine glatte Oberfläche ergab. Außerdem mussten sich damit natürlich perfekte Stempelabdrücke herstellen lassen.


Moderne Gestaltung
mit Modeln


Die Reparatur historischen Stempelstucks ist sicher ein spannendes Arbeitsfeld. Warum aber soll man solch eine interessante Technik nicht auch zur modernen Wand- und Deckengestaltung nutzen? Ein feinkörniges, plastisches Stuckmaterial, wie es zur Restaurierung des Renaissance-Stuck verwendet wird, bietet vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten. Das Material lässt sich fast bis zu völliger Glätte bearbeiten. Inhaltsstoffe wie Tonerde und Zellulosefasern bewirken eine gute Plastizität und Wasserrückhaltung.

Das Stempelstuckmaterial wird am Besten auf vorhandene abgebundene Kalk-, Lehm- oder Kalkzementputze aufgetragen. Andere Untergründe werden zunächst mit Kalkhaftputz vorbereitet. In zwei bis drei Lagen bis zu 5 mm aufgetragen, kann das Kalkmaterial mit dem Schwamm gerieben und geglättet werden, bevor mit den präparierten Modeln Abdrücke gemacht werden. Im Adelshof Heisterman von Ziehlberg wurden zum Beispiel fast 30 unterschiedliche Motive verwendet. Renaissance-Motive sind sehr schön, es können aber auch alle denkbaren historischen oder modernen Motive gestempelt werden.


Arbeitsschritte der Restaurierung von Stempelstuck


Vorarbeiten

Bei der Restaurierung von Stempelstuck müssen zunächst die Übermalungen mechanisch freigelegt und der Stuck gereinigt werden. Anschließend muss dieser dort, wo Verluste entstanden sind, ergänzt und gekittet sowie geschliffen und poliert werden. Danach muss der Handwerker zum Beispiel mit Schellack eine Isolierung herstellen, denn im Anschluss muss ein Abdruck mit einer geeigneten Silikonmasse vom alten Stuck hergestellt werden können.


Abformen

Nun stellt man einen Gipsmantel aus Stuckgips und Gewebe her. Der danach angefertigte Abguss aus Stuckgips muss in der Regel repariert werden. Erst danach kann mit der Silikonabformung des reparierten Motivs begonnen werden.


Stempelherstellung

Danach wird Epoxi-Schnellgießharz in das Silikonnegativ gegossen und auf diese Weise der Stempel hergestellt. Zur Verstärkung des Stempels sollte der Handwerker diesen auf einem Stück Hartholz aufbringen.

Stempelgrund

Der Untergrund zum Aufbringen des Stuckmaterials sollte aus Lehm- oder Kalkputz bestehen. Darauf wird das Stempelstuckmaterial 2 bis 5 mm dick aufgetragen, abgezogen und mit dem Schwamm abgerieben. Gestempelt werden sollte, solange das Material noch zähelastisch ist. Anschließend kann ein Anstrich mit Sumpfkalkfarbe erfolgen.


Literatur

Gernot Fischer: Balkendecken mit Preßstuck im Wesergebiet um 1600. In Adelshöfe in Westfalen. Hg. Von Fred Kaspar und G. Ulrich Großmann, Berlin, München 1989

(= Schriften des Weserrenaissance –Museums Schloß Brake, Band 3), S. 170 – 190.

 

Cornelia Lange und Holger Reimers: Einblicke in adlige Wohnkultur am Ende des 16. Jahrhunderts. Der Adelshof Heistermann-von-Ziehlberg in der Westerbachstr. 35/37. In: Renaissance in Höxter. Hg. Von Michael Wittig (= Kulturgeschichtliche Beiträge der Stadt Höxter, Heft 8/2006), S. 20 – 48.

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