Entkoppelt?
Schallschutz bei leichten Treppenkonstruktionen

Ständiger Lärm, beispielsweise im Straßenverkehr oder am Arbeitsplatz, hat die Menschen für Lärmbelästigung in der Privatwohnung sensibilisiert – die Toleranzgrenze ist hier in den vergangenen Jahren stetig gesunken. Geschätzt wird, dass 20 Prozent aller Baustreitigkeiten einen mangelhaften Schallschutz zum Gegenstand haben. Der Schallschutz von leichten Treppen ist besonders schwierig: für ihre vielen Ausführungen und Einbausituationen gibt es keine Rechenverfahren, die wissenschaftlichen Erkenntnisse über ihr akustisches Verhalten sind begrenzt und moderne praxisgerechte Auflager – wie im Stahlbetonbau üblich – sind im Handel nicht erhältlich.

Die Reizschwelle der Menschen gegenüber Lärm ist unterschiedlich – Geräusche aus Nachbarwohnungen werden jedoch beinahe grundsätzlich als störend empfunden. Kaum ein Bauherr ist daher noch bereit, Abstriche beim Schallschutz in Kauf zu nehmen – selbst dann nicht, wenn er damit die Baukosten senken könnte. Laufgeräusche auf Treppen sind eine häufige Ursache für Lärmbelästigung.

Leichte Treppen

Leichte Treppen aus Holz und/oder Stahl sind akustisch schwierig zu entkoppeln. Während schwere massive Treppen – beispielsweise aus Beton – nur träge auf Schall reagieren, lassen sich leichte Konstruktionen aufgrund ihrer geringen Masse einfach in Schwingung versetzen und leiten diese dann in die unterstützenden Bauteile ein. Treppenanlagen in Mehrfamilien-, Reihen- oder Doppelhäusern müssen aber, genau wie andere Bauteile auch, ein Mindestmaß an Schutz vor störenden Lärmbelästigungen bieten. Darum werden in der DIN 4109 die Anforderungen an den Schallschutz formuliert: Die DIN fordert zwischen Aufenthaltsräumen und fremden Räumen L‘ n,w ≤ 53 dB und zwischen Aufenthaltsräumen und fremden Treppenräumen L‘ n,w ≤ 58 dB.

DIN und Stand der Technik


Wenn keine besonderen Vereinbarungen vorliegen, wird bei Bauverträgen die DIN 4109 zum Schutz vor unzumutbarer Lärmbelästigung aus fremden Wohnungen zu Grun­de gelegt. Leider beschreibt diese DIN nur das öffentlich-rechtliche Interesse des Gesetzgebers zum Schutz der Bevölkerung, also einen Minimalstandard, damit niemand zu Schaden kommen kann. Die Erwartungen an Komfort und Zumutbarkeit von Belästigungen bei Bauherren unterscheiden sich davon aber erheblich, zumal technisch seit langem ein viel besserer Schallschutz möglich ist.

Diese Tatsachen drücken sich in einem Beiblatt zur DIN aus, welches als Vorschlag für erhöhte Anforderungen einen besseren Standard als die eigentlichen Normenanforderungen vorschlägt. Der Stand der Technik ist beim Schallschutz also mittlerweile höher als die Anforderungen der DIN. Oder anders herum ausgedrückt: Die Erfüllung der DIN-Mindestanforderungen entspricht nicht mehr der üblichen Ausführungsqualität – und die muss ein Unternehmer eigentlich leisten, wenn er nicht mit dem Kunden ausdrücklich die schlechteren Standards der DIN vereinbart hat.


Bauakustische

Zusammenhänge

 

Die Luftschallanregung bei Treppen ist im Zusammenhang mit fremden Wohnun­gen unerheblich. Deshalb muss sich der Handwerker bei Treppenläufen nur mit den Trittschallanregungen aus­ein­andersetzen.

Beim Begehen einer Treppe wird diese in Schwingungen versetzt. Diese Schwingungen regen über die Auflager, die Befestigungen und durch den Kontakt von Wange und Wand die umliegenden Bauteile an. Durch Schalllängsleitung innerhalb der Bauteile und flankierender Bauteile werden die Schwingungen im Baukörper verteilt, und zwar bis ihre anregende Energie durch Masse oder Federung aufgebraucht ist. Um diese Schwingungen bei Messungen zu simulieren und dann die Schalldämmung bei verschiedenen Einbausituationen beurteilen zu können, wird mit einem so genannten Norm-Hammerwerk auf die Treppe geschlagen und dabei die Schallpegel in den angrenzenden Räumen gemessen. Diese Pegel werden in den bewerteten Norm-Trittschallpegel L’ n,w umgerechnet. Das heißt: Je niedriger der Normtrittschallpegel, desto besser ist die Trittschalldämmung der Treppe.


Das Norm-Hammerwerk

 

Leider hat sich in den neuesten Forschungsergebnissen herausgestellt, dass das Norm-Hammerwerk die Lärmbelästigung durch leichte Treppen nur unzureichend abbildet. Denn beim Begehen von Treppen wird hauptsächlich tief frequenter Körperschall eingeleitet, der ein Dröhnen verursacht, das aber durch das Norm-Hammerwerk nur ungenügend entsteht. So kann es passieren, dass Bewohner sich in ihrem neuen Doppelhaus durch die Treppe des Nachbarn belästigt fühlen, obwohl der Schallschutz theoretisch gut ist.

Das Ingenieurbüro „Step“, ein Entwicklungs- und Prüf-institut für Schalltechnik bei Treppen, hat deshalb nach reproduzierbaren Anregungsmethoden gesucht, welche die tiefen Frequenzen besser simulieren können. Eine in Japan benutzte Methode, bei der ein Gummiball aus einer definierten Höhe auf die Stufen fällt, sowie eine Modifizierung des Norm-Hammerwerks bringen inzwischen geeignetere, weil praxisgerechtere Ergebnisse.


Die Einbausituation


Maßgeblich für jeglichen Trittschallschutz ist die Einbausituation der Treppe. Drei Größen beeinflussen dabei die Schallübertragung maßgeblich:

 

• die Grundrissgestaltung

• die Wohnungstrennwand

• die Befestigung der Treppenwange in der Wand


Grundrissgestaltung

Eine wirksame Schalldämmung kann schon bei der Grundrissgestaltung durch den Architekten erfolgen: Da jeder Bauteilstoß eine Unterbrechung der Struktur bedeutet, verringert er auch die Schalllängsleitung. Je weiter die Treppe also von schutzbedürftigen Räumen entfernt liegt, desto besser ist der Schallschutz. Als „Faustregel“ mindert jeder Bauteilstoß den Trittschall um 5 dB. Durch geschickte Planung kann der Architekt so die Lärmbelastung an der Wohnungstrennwand verringern.


Wohnungstrennwand

Die Trittschalldämmung einer Treppe wird immer durch die Schalldämmung der Wohnungstrennwand beeinflusst – nur, wenn der Baukörper schalltechnisch funktioniert, kann auch die Treppe funktionieren. Insbesondere wenn die Treppe an der Trennwand befestigt wird, ist eine zweischalige Wand mit einer konsequenten Entkopplung der Trennwandschalen (Fugenbreite mindestens 30 mm, besser jedoch 50 mm oder größer) die Grundvoraussetzung für einen guten Schallschutz. Denn: Was an der Konstruktion der Wohnungstrennwand versäumt wurde, kann der Treppenbauer mit anderen Schallschutzmaßnahmen nicht wiedergutmachen. Insbesondere wenn der Schallschutz beziffert im Werkvertrag festgehalten ist, muss der Treppenbauer vorher unbedingt prüfen, ob die vorgefundene Wohnungstrennwand das Erreichen des geforderten Schallschutzes überhaupt ermöglicht.

Befestigung

Der Einfluss, den der Treppenbauer auf den Schallschutz hat, ist also begrenzt. Nur die Kontaktpunkte der Trittstufen selbst oder der Treppe an den umgebenden Bauteilen geben ihm gewisse Gestaltungsmöglichkeiten.

Eine weiche Lagerung der Trittstufen auf der Wange hat sich aber als nicht praktikabel erwiesen. Sie verursacht zum einen bei der Benutzung der Treppe schnell das Gefühl des „Schwimmens“ und gefährdet dadurch die Trittsicherheit. Zum anderen verringert eine weiche Lagerung den Schall auch nur im hoch frequenten Bereich. Bleibt also nur die Anbindung der Treppenkonstruktion selbst an die Wand: Üblich ist außer den Auflagern an An- und Austritt bei viertelgewendelten und halbgewendelten Treppen ein Auflager an den Ecken in oder an der Wandkonstruktion. Weiterhin muss der Handwerker in der Regel zwei bis vier starre Anbindungen an der langen Wandwange und bis zu zwei Anbindungen an den kurzen Wandwangen ausführen.

Decken und Böden

 

Für den Schallschutz wäre eine völlige Abkopplung der Treppe ideal. Das geht natürlich nicht. Irgendwo müssen die Lasten schließlich abgetragen werden. Zuerst wird die Treppe deshalb an Decke und Boden befestigt. Vorteilhaft ist, wenn sie nicht auf der Rohdecke, sondern auf dem schwimmenden Estrich aufgelagert wird. Das ist allerdings nur nach Rücksprache mit dem Statiker möglich, weil dabei hohe Punktlasten entstehen und die Gefahr besteht, dass der Estrich bricht. Eine Bewehrung kann hier Abhilfe schaffen.

Ist die Befestigung an der Rohdecke unumgänglich, kann die Treppe mit Elastomeren entkoppelt werden. Dabei muss immer ein Kompromiss zwischen sicherer Begehbarkeit und möglichst weicher Lagerung gefunden werden. Denn fängt die Treppe als Ganzes zu schwanken an, ist nicht nur ihre Trittsicherheit gefährdet, sondern die weiche Lagerung bewirkt neue Probleme: sie produziert nun tief frequente Schwingungen …


Wände

 

Im günstigsten Fall kann auf eine Befestigung an den Wänden komplett verzichtet werden. Das ist eventuell durch eine Veränderung der Statik, beispielsweise durch die Vergrößerung der Holm- oder Wangenquerschnitte, möglich. Manchmal kann auf eine Befestigung verzichtet werden, indem die Treppe nur in den anstoßenden Querwänden befestigt wird. Eine andere Möglichkeit sind Pfosten, die auf dem schwimmenden Estrich ablasten. Sind Befestigungen nötig, sollten sie so weit wie möglich von der Mitte der schutzbedürftigen Wand entfernt liegen, da die Wand in der Mitte am leichtesten in Schwingung zu versetzen ist.

Wie auch immer die Treppe befestigt wird, auf jeden Fall gilt: Je weniger Kontakt zwischen Treppe und Wand, desto besser ist der Schallschutz. Deshalb muss bei Holzwangen-Treppen die Wange immer mit Abstand zur Wand montiert werden; keinesfalls darf die Treppe – wie leider häufig praktiziert – einfach an die Wand gerückt, mit Holz hintersteckt und die Fuge mit einer Deckleiste verschlossen werden.


Verbindungsmaterialien


Für die Anbindung der Treppe zwischen Wand und Wange gibt es bedauerlicherweise keine Systemanschlüsse auf dem Markt. Einzelne Treppenhersteller haben für ihre Treppen Befestigungen entworfen und in Kombination mit ihren Treppen in einem Treppenprüfstand testen lassen. Sie können dadurch verlässliche Aussagen über den Schallschutz der getesteten Treppe machen. Alle anderen Hersteller und Handwerker sind bis auf weiteres auf handwerklich hergestellte Lösungen angewiesen. 

Elastomer-Lager zum Einstemmen in Massivwände sind bei der Firma Ulbrich in Celle (www.hartmutulbrich.de) zu bekommen. Es sind Hülsen, in die ein Stahlrohr eingeschoben wird, das auf der anderen Seite an der Wange befestigt wird. Das Elastomer ist in den Längen 80 und 160 mm erhältlich und hat einen Querschnitt von 55 x 25 mm. Beim Einstemmen der Hülse muss der Handwerker allerdings peinlich genau darauf achten, dass die Trennwand nicht nach hinten ausbricht oder sogar die Trennfuge durchstoßen wird und so ein Kontakt zur Nachbarwand entsteht. Schneidet man die hintere Kappe des Elastomers ab, kann nicht nur innen, sondern auch außen ein Rohr aufgeschoben werden. So entsteht eine Befestigung zum Anschrauben an Leichtbauwände. 

Holzwangentreppen lassen sich durch elastische Ummantelung der Schrauben und Unterlegscheiben sowie durch Elastomer-Distanzhalter zwischen Wange und Wand entkoppeln. Der Nachteil von diesen handwerklichen Lösungen ist, dass ihre Wirksamkeit nicht belegbar, geschweige denn genau bezifferbar ist. Dazu müssten fundierte und dokumentierte Messungen durchgeführt werden, was aufwendig und deshalb nicht ganz billig ist. Das oben schon erwähnte Ingenieurbüro „Step“ führt solche Messungen durch. Es untersucht bauakustische Zusammenhänge und verfügt – in Deutschland einzigartig – über einen Treppenprüfstand, in dem komplette Treppen gemessen werden können. 

Zusammen mit größeren Treppenherstellern hat das Büro den Schallschutz von standardisierten Treppentypen verbessert, Systemanschlüsse optimiert und den jeweiligen Treppen einen so genannten „Trittschall-Treppenpass“ ausgestellt. Die Firmen Treppenmeister GmbH (www.treppenmeister.com) und ihre Partnerbetriebe, die Firma Fuchs (www.fuchs-treppen.de) sowie die Firma Nautilus Treppen (www.nautilus-treppen.com) haben solche Treppenpässe. Ihre Anschlüsse bestehen aus einer Kombination von Stahl beziehungsweise Holz und Elastomeren.

Einen ganz anderen Weg geht die Firma Militzer mit ihren Nautilus-Treppen. Der Stahlwangentreppen-Hersteller hat für seine Treppen ein stahlfedergelagertes Auflager entwickelt, als Gebrauchsmuster geschützt und in dem Treppenprüfstand des Ingenieurbüros auf seine Wirksamkeit hin prüfen lassen. Bis jetzt verbaut Nautilus-Treppen die Auflager nur für die eigenen Stahlwangentreppen. Theoretisch ist das Auflager mit einer Tiefe von nur 30 mm aber auch für Holzwangentreppen geeignet – eine praktische Umsetzung dieser Möglichkeit fehlt aber noch.  

Die Forschungsergebnisse und Praxistipps aus den Erfahrungen in ihrem Treppenprüfstand, bauakustische Zusammenhänge und Auszüge aus der DIN haben die Ingenieure von „Step“ im gut lesbaren und praxisnahen Handbuch „Schallschutz bei Wohnungstreppen“ zusammengetragen. Es kann im Internet unter www.steponline.de zum Preis von 29,80 Euro bezogen werden. 

 

Fazit 

 

Rechenverfahren, die eine verlässliche Prognose über die Schalldämmung von leichten Treppen möglich machen, gibt es nicht. Die bauliche Umgebung ist zum Teil berechenbar, aber bei der großen Zahl von Treppenvarianten und Befestigungsmöglichkeiten erhält der Handwerker daraus häufig keine sichere Bewertung. Ein gutes Ergebnis ist nur im „Gesamtsystem Haus“ und durch ein komplexes Bündel von Maßnahmen zu erreichen, die einen versierten Handwerker mit umfassenden Kenntnissen zum Thema Schallschutz erfordern.

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