Familienunternehmen 3.0
Zu Besuch beim Malerbetrieb Ahlemann in Warendorf

Typisch westfälische Bodenständigkeit, solide Handwerkskunst und Verlässlichkeit sowie ein fairer und wertschätzender Umgang mit Kunden und Mitarbeitern bilden die Grundlage für den Erfolg des Malerbetriebs Ahlemann, bei dem jetzt schon die dritte Generation Führungsverantwortung übernommen hat.

Das ist also die Zentrale? Das Herz und das Hirn eines Handwerksbetriebs, von wo rund 100 Mitarbeiter gelenkt werden? Keine Firmenschilder, keine Werbung – kaum etwas deutet von außen darauf hin, dass das Siedlungshaus mit dem angeschlossenen Flachbau der Sitz eines erfolgreichen Unternehmens ist. Auch im Inneren sucht man vergeblich nach Indizien dafür, dass hier jemand das Bedürfnis hat, sich selbst darzustellen. Allein die mit kostbaren Tapeten oder mit aufwendiger Spachteltechnik gestalteten Wände geben einen Hinweis darauf, dass wir uns in einem Malerbetrieb befinden – jedenfalls an den Stellen, die nicht bis zur Decke von Regalen und Büroschränken verdeckt werden. Alles ist auf Zweckmäßigkeit ausgerichtet. Zugleich verströmen die Räume aber eine Behaglichkeit, wie man sie in einem ergonomisch optimal geplanten Büroneubau wohl nicht antreffen würde. Trotz des fortgeschrittenen Freitagnachmittags herrscht noch rege Betriebsamkeit. Allerdings ganz ohne Anzeichen von Stress oder Eile. Man hat nicht den Eindruck, dass die hier arbeitenden Menschen gerade lieber woanders wären und dem Feierabend entgegenfiebern. Tim Ahlemann lässt ein paar Minuten auf sich warten: „Ich musste gerade noch die Kinderbetreuung organisieren“, entschuldigt sich der Juniorchef und frisch gebackene Vater. Der Malerbetrieb Ahlemann ist ein Familienunternehmen!

Das erste Firmengebäude war ein Schuppen

Tatsächlich hat Manfred Ahlemann 1968 genau an dieser Stelle den Grundstein für das Unternehmen gelegt, dass mittlerweile von seinem Sohn Frank und seinem Enkelsohn Tim geleitet wird. Mit einem Schuppen, einem roten Bulli und 2000 Mark Startkapital fing alles an. Zusammen mit einem Gesellen und einem Lehrling führte er die ersten Aufträge als selbständiger Handwerker aus, nachdem er zuvor die Meisterprüfung bestanden hatte. Im Laufe der Jahre wuchs der Betrieb zunächst auf ein gutes Dutzend Mitarbeiter, um dann lange Zeit bei einer Größe von etwa 30 Mitarbeitern zu verharren. Etwa seit dem Jahre 2004 stieg die Zahl der Mitarbeiter dann auf den aktuellen Wert von über 90, unter anderem bedingt dadurch, dass zwei Niederlassungen in Quedlinburg und Halle an der Saale gegründet wurden.

Der Stammsitz im Alten Münsterweg in Müssingen bei Warendorf blieb stets erhalten und wurde kontinuierlich ausgebaut. Mittlerweile verfügt das Unternehmen über einen separaten Bauhof mit Lagerhallen auf der anderen Seite der Ems im Ortsteil Einen, so dass die früheren Lager- und Funktionsräume in Müssingen zu Büros umgebaut werden konnten. „Nachdem wir ab 2004 sehr kontinuierlich größer geworden sind, befinden wir uns jetzt gerade in einer Phase der Konsolidierung“, erklärt Tim Ahlemann. Es müsse jetzt erst einmal eine Zeit lang darum gehen, die internen Abläufe so zu optimieren, dass das Unternehmen in der jetzigen Größe und Ausrichtung gesichert wird. „Größe ist kein Selbstzweck. Ein gut geführter 20-Mitarbeiter-Betrieb kann auch sehr erfolgreich sein. Unser Vorteil aber ist, dass wir durch unsere Manpower Aufträge wuppen können, die andere nur unter Zuhilfenahme von Subunternehmen realisieren könnten“. An der Spitze dieser Manpower stehen Frank und Tim Ahlemann, die von Holger Dahlmann, ebenfalls Maler- und Lackierermeister, unterstützt werden. Dahlmann ist 1999 ins Unternehmen eingestiegen.

Geschäftsmodell auf zwei Säulen

Ein Grund dafür, dass der Betrieb so gesund dasteht und weniger empfindlich auf saisonale und konjunkturelle Schwankungen reagiert, ist das auf zwei Säulen stehende Geschäftsmodell. Neben dem klassischen Malerbetrieb, der praktisch alle Leistungen zwischen Bodenplatte und oberster Geschossdecke einschließlich Bautenschutz, Putz und Stuck, Wärmedämmung, Bodenbelagsarbeiten und hochwertigen Lackierarbeiten ausführt, gibt es seit 2009 mit der Ahlemann GmbH eine zweite Firma, die neben Baudenkmalpflege und Baubetreuung auch Hausmeisterdienste anbietet. Das reicht vom Winterdienst über Verschönerungen und Renovierungen nach Mieterwechsel bis zu größeren Reparaturen aus anderen Gewerken.

Einen erheblichen Teil des Umsatzes erwirtschaftet der Malerbetrieb durch Wärmedämmarbeiten. Aktuell liegt außerdem ein Schwerpunkt auf der Beseitigung von Wasserschäden, den Folgen eines Unwetters im Juli, von dem das ganze Münsterland besonders stark betroffen war. Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Sanierung von Kitas und Schulen. Während am Stammsitz im Münsterland Neubau, Modernisierungen und Arbeiten an denkmalgeschützten Objekten relativ gleich verteilt sind, liegt der Schwerpunkt der östlichen Niederlassungen klar auf dem Denkmalschutz, insbesondere am Standort in der UNESCO Weltkulturerbe-Stadt Quedlinburg. Aber auch im heimischen Warendorf hat die Firma Ahlemann schon an anspruchsvollen Baudenkmälern mitgewirkt, wie beispielsweise bei der Umnutzung des Alten Bahnhofs, über die wir in der Ausgabe 12.2013 berichtet haben.

Das Familienunternehmen

Wenn man die umfangreiche und liebevoll gestaltete Chronik durchblättert, die Firmengründer Manfred Ahlemann angelegt hat, erkennt man, dass das Wort „Familienunternehmen“ bei Ahlemann mehr bedeutet, als dass die Firma im Eigentum einer Familie ist und mehrere Generationen dieser Familie darin mitarbeiten. Die Blätter sind gefüllt mit Fotos von Weihnachtsfeiern und anderen Betriebsfesten, Kegelabenden, Radtouren und Ausflügen aber auch Bildern von Mitarbeiterhochzeiten- und Beerdigungen die ausdrücken, dass auch die Angestellten in gewisser Weise als Teil der Familie empfunden wurden und werden. „Viele bleiben bei uns bis zur Rente, gerade in diesem Jahr haben wir mit unserer langjährigen Buchhalterin eine Mitarbeiterin aus dem Gründungsjahr 1968 in den Ruhestand verabschiedet“, berichtet Tim Ahlemann.

Diesen familiären Charakter in Zeiten des Wachstums zu bewahren, ist die Herausforderung, die die junge Generation angenommen hat. „Die Stärke eines solchen Familienunternehmens ist, dass die Mitarbeiter loyaler und leistungsbereiter sind, weil sie wissen, dass sie nicht nur ihre berufliche Laufbahn, sondern auch ihre private Entwicklung zusammen mit uns gestalten können“, erklärt Tim Ahlemann. So gibt es nicht nur Unterstützung bei beruflichen Seminaren und Weiterbildungen, auch Elternzeiten und Teilzeitmodelle sind eine Selbstverständlichkeit – nicht nur für die weiblichen Mitarbeiter. Durch die Einführung von Arbeitszeitkonten werden winterliche Kündigungen vermieden und sowohl für die Angestellten als auch für das Unternehmen entsteht mehr Kontinuität und Planbarkeit.

Ausbildung statt Fachkräftemangel

Dem schon heute spürbaren und zukünftig noch größer werdenden Fachkräftemangel begegnet man bei Ahlemann traditionell durch die Ausbildung eigener Nachwuchskräfte, mittlerweile nicht nur im Handwerk, sondern auch im Büro. „Wir haben jetzt ein Patenschaftsmodell eingeführt. Jeder Vorarbeiter übernimmt die Patenschaft für einige Azubis vom ersten Tag bis zum Gesellenbrief. Dadurch haben die Lehrlinge trotz der Größe der Firma einen festen Ansprechpartner“, erklärt Linda Ahlemann. Sie studiert derzeit Wirtschaftspsychologie und bringt ihr Wissen ebenfalls ins Unternehmen ein. „Die Ausbildung ist heutzutage auch ein soziales Projekt, die Jugendlichen brauchen mehr Unterstützung“, ergänzt Tim Ahlemann, der seine Ausbildung im gleichen Malerbetrieb in Münster absolviert hat, wie auch schon zuvor Frank Ahlemann und Meister Holger Dahlmann.

Kunden mit Fairness binden

Ein wichtiges Instrument zur Kundengewinnung und Kundenbindung ist erstklassiger Service. So ist die Erstellung eines Angebots nicht mit Kosten für den Interessenten verbunden. Genauso wenig finden Kunden auf ihrer Rechnung den Posten „Anfahrt“. In Verbindung mit einer handwerklich perfekten Ausführung verschafft diese Firmenpolitik dem Unternehmen einen stetig wachsenden Kreis von Stammkunden, auch über die Grenzen des Münsterlandes hinaus „Viele Kunden mit Objekten in Hamburg oder München beauftragen uns, weil sie die Sicherheit haben wollen, dass alles vernünftig wird. Neulich hatten wir sogar eine Baustelle auf Mallorca“, berichtet Tim Ahlemann.

Autor

Thomas Schwarzmann ist Redakteur der Fachzeitschriften bauhandwerk und dach + holzbau.

„Ich lese bauhandwerk, weil dieses Magazin für mich als Handwerker genauso relevant ist, wie der Kicker für den Fußballfan.“

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