Forschungsprojekt „Fit für Führung und Familie“ untersucht Work-Life-Balance im Handwerk

Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ist es für Handwerksbetriebe wichtig, die dauerhafte Leistungsfähigkeit der eigenen Belegschaft zu sichern. Ein entscheidender Erfolgsfaktor dafür ist die Balance von Beruf, Familie und Gesundheit. Ein Forschungsprojekt hat untersucht, welche Lösungswege es gibt.

Schon länger ist klar: Vermeintlich weiche Aspekte wie gutes Betriebsklima, hohe Mitarbeiterzufriedenheit und allgemeines Wohlbefinden in der Belegschaft haben einen entscheidenden Einfluss auf den Unternehmenserfolg. Rentable Effekte sind weniger Fehlzeiten bei zugleich höherer Produktivität und besserer Qualität der Arbeit.

Besonders in Zeiten des Fachkräftemangels kommen entscheidende positive Auswirkungen hinzu. So lässt sich Fachpersonal leichter finden, innerhalb der Belegschaft gibt es eine geringere Fluktuation, und Frühverrentungen treten seltener auf. Nicht zuletzt hängt die Existenz der meist kleinen Betriebe im Handwerk von der Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Geschäftsführer ab. Daher ist es ein wichtiger Wettbewerbsvorteil, systematisch in die Gesundheitsförderung und die bessere Vereinbarkeit im Betrieb zu investieren. Geschäftsführer und Führungskräfte können diesen Prozess im Betrieb wegweisend voranbringen. Welche Herausforderungen und Lösungswege es zur Unterstützung dabei gibt, zeigt ein Projekt im Münsterland und in der Region Emscher-Lippe auf.

Hohe zeitliche Belastung

Viele kleine Betriebe winken jedoch ab: keine Zeit, kein Geld und fehlende Informationen bremsen aus. Ein entscheidender Faktor ist dabei die Arbeitsbelastung der betrieblichen Entscheiderinnen und Entscheider. So gaben in einer Befragung im Rahmen des Projektes „Fit für Führung und Familie“ die befragten Geschäftsführer und Führungskräfte aus unterschiedlichen Gewerken eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 45,6 Stunden an. Ein Blick auf die Verteilung nach Geschlecht zeigt, dass Männer mit durchschnittlich 52,7 Stunden pro Woche einer besonders hohen Arbeitsbelastung im Betrieb ausgesetzt sind. Und auch von den weiblichen Führungskräften leisten einige bis zu 50 Stunden Erwerbsarbeit pro Woche.

Diese hohe Belastung im Beruf erschwert laut der Umfrage schnell die Balance von Privat- und Erwerbsleben ebenso wie die Selbstfürsorge für die eigene Gesundheit. Zudem bestehen Fallstricke für die Geschäftsführer und Führungskräfte in den betrieblichen Rahmenbedingungen. Das Tagesgeschäft mit der gleichzeitigen Betreuung verschiedenartiger Aufgaben bei starkem Termin- und Leistungsdruck lässt die Zeitkapazitäten zusätzlich schwinden. Auch die tätigkeitsbezogenen Erfordernisse des Handwerks bedeuten oft große Herausforderungen – wie beispielsweise wechselnde Einsatzorte oder die Abhängigkeit von Wetterverhältnissen und Ruhezeiten.

Kleine Schritte – große Wirkung

Und gerade deswegen: Es lohnt sich, in die Balance von Beruf, Gesundheit und Familie zu investieren! Denn unterm Strich kann ein Betrieb durch eine funktionierende Balance sehr viel Zeit und Geld einsparen. Bereits kleine Schritte können hier eine erhebliche positive Wirkung auslösen. Dabei haben die zumeist kleinen Betriebe im Handwerk einen ungeheuren Vorteil durch kurze Kommunikations- und Entscheidungswege. So lassen sich schnell und konkret flexible Lösungen einführen.

Zudem wird in vielen Betrieben bereits einiges getan in diesem Bereich. Diese Grundlagen müssen oft nur noch ausgebaut und systematisiert werden. Nicht zuletzt gibt es viele Kontaktstellen, deren Wissen und Maßnahmen man sich zunutze machen kann. Da sind zum einen im Bereich Gesundheit die Krankenkassen und Berufsgenossenschaften zu nennen, die steuerlich gefördert und finanziell bezuschusst Leistungen anbieten. Zum anderen sind erste Informationen rund um eine bessere Vereinbarkeit beispielsweise bei den Handwerkskammern beziehbar. Auch im Internet gibt es vielfältige Informationsmöglichkeiten: So sind Leitfäden, Praxisbeispiele und Anlaufpunkte für weitere Informationen etwa über das Bundes-Unternehmensnetzwerk „Erfolgsfaktor Familie“ erhältlich.

Dreh- und Angelpunkt bei der Verwirklichung der Balance von Beruf, Gesundheit und Vereinbarkeit im Betrieb sind die Geschäftsführer und Führungskräfte. Ihre zentrale Bedeutung lässt sich in drei Einflussbereiche aufteilen:

1. Einfluss durch das eigene Führungsverhalten in dem Sinne, dass sie mit Mitarbeitern wertschätzend umgehen, deren Leistungen anerkennen und Beteiligung an Entscheidungen ermöglichen.

2. Einfluss durch die Gestaltung der Arbeit und des Arbeitsumfeldes, also auf Aspekte wie Aufgabenverteilung, Arbeitszeitregelungen und Zielvorgaben. Hierzu gehört auch die Bereitstellung einer gesundheitsförderlichen Arbeitsumgebung sowie von Möglichkeiten für einen körperlichen und geistigen Ausgleich.

3. Einfluss durch das eigene Verhalten, indem Führungskräfte als Vorbilder für die Mitarbeiter selbst auf ihre Gesundheit achten, Wert auf eine gute Balance zwischen Arbeit und Privatleben legen und vorhandene Angebote der Gesundheitsförderung wie für eine bessere Vereinbarkeit wahrnehmen.

Instrumente für bessere Balance

Die Unterstützung der Balance von Beruf, Gesundheit und Familie kann im Betrieb durch eine Vielzahl von Instrumenten erfolgen. Für erste Anregungen ist in der folgenden Liste eine Auswahl konkreter Maßnahmen benannt, welche die am Projekt teilnehmenden Handwerksbetriebe eingeführt haben:

Erreichbarkeit im Urlaub auch bei Führungskräften nur in ganz dringenden Notfällen

regelmäßige wöchentliche Gesprächsrunden

flexibler Arbeitsbeginn mit der Option auf Nacharbeiten

bewegte Pausen mit Gymnastikübungen

kostenlose Obstschalen und Getränke für die Belegschaft

Einhaltung der Pausen, auch von Führungskräften

zeitweise Arbeitszeitreduzierung bei besonderen familiären Verpflichtungen

bevorzugter Einsatz auf Baustellen in der Nähe des Wohnortes

regelmäßige Informationen für die Mitarbeiter durch Newsletter oder Schwarzes Brett

Nutzung von Arbeitsgeräten, welche die körperliche Belastung reduzieren

Fortbildungen der Mitarbeiter in Stressmanagement, rückengerechtem Arbeiten usw.

Bike-Leasing

regelmäßige Betriebsfeiern für die Mitarbeiter und ihre Familien

Nutzung des Aufenthaltsraums für die Kinder der Mitarbeiter nach der Schule

Selbstverständlich sind diese Anregungen kein allgemein gültiges Rezept. Manche Maßnahmen lassen sich in einem Betrieb deutlich einfacher einführen als andere. Auch passt nicht jedes Instrument auf die individuelle Situation vor Ort. Sinnvoll ist es daher, in fünf Schritten, die wir in einer Checkliste zusammengefasst haben, den Bedarf im Betrieb zu erfassen.

Autorin

Janina Blome M.A. ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Forschungszentrum Familienbewusste Personalpolitik (FFP) in Münster.

Fit für Führung und Familie

Das Projekt „Fit für Führung und Familie“ wird vom Forschungszentrum Familienbewusste Personalpolitik (FFP) in Zusammenarbeit mit der Handwerkskammer Münster (HWK Münster) und der Krankenkasse IKK classic durchgeführt. 27 Handwerksbetriebe aus dem Münsterland und aus der Region Emscher-Lippe nehmen daran teil. Gefördert wird das Forschungsvorhaben vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Weitere Informationen unter www.ffp.de

Checkliste

1. Schritt Bestandsaufnahme: Was existiert in unserem Betrieb bereits an Maßnahmen für eine bessere Balance von Beruf, Familie und Gesundheit?

– Denken Sie dabei auch an individuelle oder vermeintlich kleine Lösungen im Betrieb – beispielsweise regelmäßige Teambesprechungen oder der Obstkorb.

– Suchen Sie nach Punkten, an denen Sie ansetzen beziehungsweise auf die Sie aufbauen können.

2. Schritt Analyse: Was braucht unser Betrieb an Maßnahmen, beziehungsweise wo existieren Probleme?

– Überlegen Sie, welche Probleme gehäuft auftreten und wo es Schwachpunkte, aber auch Potentiale gibt.

– Befragen Sie die Mitarbeiter in aller Ruhe zu vorhandenen Herausforderungen bei:

den Arbeitsaufgaben (zum Beispiel Tätigkeitsspielräume, Aufgabenvielfalt, Rückmeldung zur Tätigkeitsausführung, Leistungs- und Zeitvorgaben)
der Arbeitsorganisation (zum Beispiel Verantwortungsstruktur, Arbeitsprozesse, Arbeitszeit, Pausenregelung)
der Arbeitsumgebung und in Hinsicht auf Arbeitsmittel (zum Beispiel Lärm, Werkzeuge, Arbeitsplatzausstattung)
den sozialen Faktoren (Kommunikation, Umgang mit Konflikten, Betriebsklima)

3. Schritt Kontaktaufnahme: Wo kann ich mir externe Anregungen oder Hilfe holen?

– Informieren Sie sich im Internet über konkrete Angebote und Hilfestellungen wie auf www.erfolgsfaktor-familie.de oder www.chancen-durch-vereinbarkeit.nrw.

– Tauschen Sie sich mit befreundeten Unternehmen über deren Ideen und Schritte aus.

– Sprechen Sie mit der zuständigen Krankenkasse über konkrete Maßnahmen, externe Beratung und eine mögliche Kostenübernahme.

– Erkundigen Sie sich bei weiteren Anlaufstellen wie Berufsgenossenschaften, Handwerkskammern usw.

4. Schritt Umsetzung: Welche Maßnahmen setze ich wie um?

– Informieren Sie die Belegschaft über die verschiedenen Punkte Ihres Vorhabens.

– Führen Sie die vorgesehenen Maßnahmen ein.

– Lassen Sie sich nicht sofort von gegebenenfalls auftretenden Widerständen entmutigen.

– Erwarten Sie nicht innerhalb von wenigen Wochen grundlegende Veränderungen – „gut Ding will Weile haben“.

5. Schritt Überprüfung: Wo gibt es Schwierigkeiten in der Umsetzung und was fehlt uns noch?

– Reflektieren Sie nach einigen Monaten die Ergebnisse der eingeführten Maßnahmen.

– Bleiben Sie vor allem auch im Gespräch mit den Mitarbeitern, welche Maßnahmen warum gut ankommen und wo Lücken und Verbesserungspotential vorhanden sind.

– Ändern beziehungsweise erweitern Sie gegebenenfalls die eingeführten Maßnahmen.

Web-Service

Hier finden Sie die Checkliste "Plötzlicher Pflegefall" und "Maßnahmen für besser Work-Life-Balance" zum Download.

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