Fotoreportage: Museum Wäschefabrik Bielefeld

Als hätten die Näherinnen gerade Feierabend gemacht und ihre Maschinen verlassen, als wäre der Direktor kurz mal raus aus seinem Büro – so sieht es aus, wenn man in Bielefeld das Museum Wäschefabrik betritt. Gerade das macht das Authentische dieses einzigartigen Ortes der lebendigen Erinnerung an die Arbeitsverhältnisse in einer Textilfabrik aus. Ein Museumsbesuch, den Sie anhand der Bilder dieser Fotoreportage nachvollziehen können, gleicht daher eher einer Zeitreise: Maschinen und Möbel, Aktenordner und Karteikarten sind noch an Ort und Stelle. Selbst der Kalender von 1984 hängt noch im Büro des Direktors. Stoffe lagern in den Regalen und fertige Hemden scheinen nur noch auf ihre Kundschaft zu warten.

Das aus Fabrik und Unternehmerwohnung bestehende Ensemble wurde 1913 nach Plänen des Bielefelder Architekten Arthur Busse versteckt in einem Hinterhof des Bielefelder Spinnereiviertels für den jüdischen Unternehmer Hugo Juhl erbaut. Während der Gebäudekomplex von außen wie ein massiver Mauerwerksbau wirkt, besteht er im Inneren bereits im Wesentlichen aus Stahlbeton. Die Decken wurden als so genannte Viktoriadecken ausgeführt, was eine freie Raumaufteilung in den Produktionsräumen erlaubte. Gefertigt wurde in diesen Räumen Tisch- und Bettwäsche, Nacht- und Unterwäsche sowie Herrenhemden und Damenblusen. Die Blütezeit der Produktion lag in den 1920er Jahren. 1938 musste Hugo Juhl aufgrund der politischen Verhältnisse sein Unternehmen verkaufen. Die Herstellung von Wäsche wurde in der Fabrik jedoch noch bis in die 1980er Jahre hinein durch die Gebrüder Winkel fortgeführt. Danach stand die Fabrik still, aber eben nicht leer, denn alles blieb wie es war. Auch der letzte Direktor, Theodor Winkel, blieb, wartete auf einen neuen Aufschwung der Textilindustrie und machte aus Fabrik und Wohnung ein Altenheim für eine Person.

Rüdiger Uffmann, der 1987 auf der Suche nach einem historischen Nähtisch für das Historische Museum der Stadt war, entdeckte auf Fotos von Peter Wellmer, die dieser in den Räumen der Wäschefabrik gemacht hatte, nicht nur eine, sondern gleich einen ganzen Saal voller Nähmaschinen. Was für ein Fund! Schnell scharte Uffmann Gleichgesinnte um sich, die sich für den Erhalt der Wäschefabrik einsetzten und erreichten, dass das gesamte Ensemble noch im gleichen Jahr unter Denkmalschutz gestellt wurde. Als Uffmann das Gebäude das erste Mal betrat, war es jedoch in einem katastrophalen Zustand: „Überall standen Wannen herum, in die es hineintropfte“, erinnert er sich. Von der Entdeckung bis zum Kauf des Gebäudes 1994 durch den Förderverein „Projekt Wäschefabrik e. V.“, dessen Vorsitzender Uffmann ist, vergingen noch sieben Jahre. Finanziert wurde der Kauf aus Mitteln der NRW-Stiftung, deren erstes Großprojekt die Wäschefabrik war.

Mit dem Kauf des Gebäudes begannen die Sanierungs- und Restaurierungsarbeiten.

Zu allererst musste das marode Dach wieder dicht gemacht werden. Hierzu wurden defekte Pfannen auf der Vorderseite des Gebäudes durch noch brauchbare Pfannen von der Gebäuderückseite ersetzt. So bleibt auf der Vorderseite das historische Erscheinungsbild erhalten. Auf der Rückseite wurde mit neuen Pfannen eingedeckt. Der Zementrauputz auf der Vorderseite des Gebäudes musste lediglich gereinigt werden. Nur kleine Flächen wurden neu verputzt. Anders sah es auf der Rückseite aus: „Hier hingen große Wassersäcke an der Fassade, da man diese mit einer Kunststofffarbe dicht gestrichen hatte“, so Rüdiger Uffmann. Es musste großflächig neu verputzt werden. Heute bereiten den Mitgliedern des Fördervereins vor allem die im Mauerwerk verlaufenden Fallrohre Sorgen. „Hier steht eine erneute Sanierung an“, so Rüdiger Uffmann.

Im Internet finden Sie das Museum unter www.museum-waeschefabrik.de

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