Fugenverschluss mit Blei
Sanierungsarbeiten am Südturm des Magdeburger Doms mit Bleiwolle und Bleiverguss

Die Sicherung und Sanierung der Natursteinfassaden am Magdeburger Dom wurde in der Baustelle des Monats dieser Ausgabe der bauhandwerk ausführlich dargestellt. Aufgrund des erheblichen Schadensbildes am Südturm wurden Teile der Mauerwerksfugen auch mit Bleiwolle saniert.

Seit 2010 wird die komplette Fassade des Magdeburger Doms – 9000 m² mit rund 50 000 Sandsteinquadern – umfangreich saniert. Die Sanierung war dringend erforderlich geworden, da es zuvor bereits zu gefährlichen Mauerwerksabbrüchen gekommen war. Zeitweise wurde der Bereich für Passanten deswegen sogar durch Zäune abgesperrt. Ende 2012 wurden die Arbeiten am fast 100 m hohen Südturm abgeschlossen. Zuvor waren Ornamente und Skulpturen mit Lasertechnik schonend von Schmutz befreit, Steine ausgetauscht oder mit Steinersatzmasse ausgebessert, die Brüstung instandgesetzt und der Regenwasserabfluss saniert worden (siehe Baustelle des Monats in dieser Ausgabe der bauhandwerk ab Seite 18).

Eine weitere zentrale Arbeit für das Expertenteam rund um Ralf Lindemann, Projektleiter beim Bauherrn Stiftung Dome und Schlösser Sachsen Anhalt, war die Erneuerung der zahlreichen Mauerwerksfugen. Diese waren in den vorangegangenen Jahrhunderten größtenteils mit Mörtel verfugt worden, der an vielen Stellen bereits stark verwittert war. Durch die offenen Fugen konnte besonders an witterungsexponierten Lagen Wasser in den weichen Sandstein eindringen. In Frostperioden war es dadurch zu erheblichen Mauerwerksschäden gekommen.

Mit Bleiwolle gegen Mauerwerksschäden

Für die Sanierung musste daher eine Fugenabdichtung gefunden werden, die das Mauerwerk vor einem erneuten Feuchtigkeitseintrag schützen sollte. Das Expertenteam um Volkmar Hillig, Bauleiter bei den Bamberger Natursteinwerken, entschied sich, einen Teil der Fugen mit Bleiwolle zu verstemmen. „Wir verfügen über jahrzehntelange Erfahrung bei der Verarbeitung mit Naturstein. Ein Fugenverschluss mit Blei ist aufwendig, aber auch die dauerhafteste und nachhaltigste Lösung“, erklärt Hillig die Materialwahl.

Blei ist für seine leichte Formbarkeit bekannt. Bleiwolle passt sich jeder Fugengröße an und lässt sich gerade in schwer zugänglichen Bereichen gut verarbeiten. Durch die hohe Dichte von etwa 11kg/dm³ kann mit Bleiwolle ein stabiles Ergebnis erzielt werden, das sich dennoch flexibel allen Bewegungen der umgebenden Werkstoffe anpasst. Anders als Fugen aus Mörtel oder synthetischen Dichtstoffen ist eine Fuge aus Blei zudem feuchtigkeits- und UV-stabil sowie wartungsfrei. Gerade an kritischen Bauteilen wie geneigten Flächen, Gesimsen oder Anschlussstellen ist ein sicherer Verschluss mit Bleiwolle langfristig gewährleistet.

„Bleiwolle wird von Bauklempnern, Steinmetzen und Restauratoren gleichermaßen verarbeitet“, erklärt Jürgen Seifert, Anwendungstechniker beim Bleihersteller Röhr + Stolberg. „Sie besteht aus dünnen Bleifäden. Es gibt gedüste Bleiwolle in feinen Fäden von etwa 0,4 mm und geschabte Bleiwolle in gröberen Fäden von 1,5 bis 2 mm Durchmesser. Welche Qualität verarbeitet wird, hängt letztlich von den persönlichen Vorlieben jedes Handwerkers ab. Mit beiden Durchmessern kann ein gleichwertig gutes Ergebnis erzielt werden.“

Bei den Fassadenarbeiten in Magdeburg kamen etwa 5 Tonnen Blei zum Einsatz. Darunter waren sowohl geschabte Bleiwolle in 1,5 bis 2 mm Dicke als auch Saturn-Walzblei. Die etwa 30 Handwerker – darunter Steinmetze und Restauratoren – sichteten und beräumten zunächst sämtlich Altfugen. An vielen Stellen musste der Sandstein ausgebessert oder erneuert werden. Dann verstemmten sie etwa 500 m Fugen aus Bleiwolle in das Mauerwerk.

Die richtige Verarbeitung von Bleiwolle

Vor der Verarbeitung von Bleiwolle sollte geprüft werden, ob die Fugenkanten und der Fugenmörtel des zu verstemmenden Mauerwerks ausreichend stabil sind. Das Mauerwerk kann sonst brechen und der Fugenmörtel nach hinten gedrückt werden. Als Faustformel für eine stabile Verbindung gilt, dass eine verstemmte Mauerwerksfuge immer doppelt so tief wie breit sein sollte. Sie sollte jedoch mindestens 25 mm tief sein. Da die Fuge stets aus einem Strang verlegt werden sollte, gilt es, die erforderliche Menge vorab gründlich zu kalkulieren. Nachträglich eingebrachtes Material verbindet sich nur schwer mit der bereits verstemmten Schicht darunter und kann nach einiger Zeit wieder herausfallen. Für eine Fuge von zum Beispiel 1 m Länge, 1,5 cm Breite und 3 cm Tiefe werden etwa 2 kg Bleiwolle (das sind etwa zwei handelsübliche Zöpfe) benötigt. Der Zopf wird ausgerollt, zu einem Strang in der richtigen Dicke gedreht, in die Fuge gelegt und anschließend verstemmt. Geeignete Werkzeuge für die Verarbeitung sind Hammer und stumpfe Meißel, Stemm- oder Setzeisen, die das Blei verdichten, ohne es zu beschädigen.

Fugen der Fialen mit Blei ausgießen

Eine Besonderheit der gotischen Architektur stellen auch in Magdeburg die Fialen dar. Diese reich verzierten spitzen Türmchen setzten sich aus aufeinander gesetzten Sandsteinen zusammen, die durch eine Gewindestange miteinander verbunden sind. In früheren Jahrhunderten war diese Stange aus Schwarzeisen, das bei einem Feuchtigkeitseintritt in den porösen Sandstein, leicht zu rosten anfing.

Bei der Sanierung der Fialen ersetzte man die Gewindestangen durch Edelstahlstangen. Um alle entstandenen Hohlräume zwischen diesen senkrechten Steinen zu verschließen, wurden Walzbleiabschnitte eingeschmolzen und ein Bleiausguss vorgenommen. Die tönerne Gießhilfe entfernten die Steinmetze und Restauratoren anschließend und arbeiteten die sichtbaren Fugen noch einmal nach.

Nach etwa neuen Monaten Bauzeit waren sämtliche Arbeiten am Südturm beendet. Auch die neue Fugenlösung aus Blei trägt dazu bei, dass der Magdeburger Dom auf viele Jahre gegen Wind und Wetter gewappnet ist.

Autorin

Inga Richrath hat Medienkulturanalyse studiert und ist für das Marketing bei der Firma Röhr + Stolberg verantwortlich.

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