Holzbau als Grundgerüst für Innovation

Ein Stararchitekt entwickelt ein außergewöhnliches Designhauskonzept, das später in Serie hergestellt werden soll. Das Musterhaus mit respektablem Nachhaltigkeitsfaktor und extravaganter eckiger Bauweise steht nun in Datteln bei der Firma Rheinzink. Und der Holzbau freut sich über ein weiteres Prestigeobjekt.

Es ist ein ungewöhnlicher Anblick: Eine blecherne Fassade glitzert in der Wintersonne und der Betrachter sieht Ecken, überall Ecken. Der Bau hat die Form eines Kristalls, der sich aus dem Boden schraubt, ein eigenwilliges Gebäude, von einem eigenwilligen Planer: Daniel Libeskind, der Stararchitekt, der unter anderem das Jüdische Museum in Berlin plante und 2003 die Ausschreibung für den Freedom-Tower (auf dem Gelände des ehemaligen Word Trade Centers) gewann, hat sich mit dem Entwurf für dieses Haus mit dem extravaganten Äußeren zu einer außergewöhnlichen Idee begeistern lassen. Für die proportion GmbH, einem Investor aus Berlin, entwickelte er das Designhaus­konzept „Signature Series“. Das Hauskonzept mit ungewöhnlicher Ästhetik soll nach Fertigstellung bis zu 30 Mal in die Welt exportiert werden und Maßstäbe setzen – hinsichtlich der Architektur und der Ökologie.

Das Architektonische Prinzip

Spitze und stumpfe Winkel, schräge und senkrechte Wände und ineinander geschachtelte Bauwerke – so ist das ungewöhnliche Bauwerk aufgebaut. Das Haus mit einer Grundfläche von rund 290 m2 (EG = 200 m2, OG = 90 m2) wird von der Firma Rheinzink nicht als Wohnhaus, sondern als Empfangsgebäude genutzt, deshalb gibt es auch nutzerspezifische Eigenheiten: Die große Eingangshalle fungiert als Empfang und Foyer. Von hier aus führt eine freischwebende Treppe in das Obergeschoss, in dem sich mehrere Besprechungsräume befinden. Das architektonische Highlight ist der „Grand Room“. Imposant schraubt er sich bis zu sieben Meter in die Höhe, seine großen Fensterflächen geben dem Raum viel Licht und Fülle. Er wird in Zukunft als Veranstaltungs- und Ausstellungsraum genutzt.

Der Neubau wurde in weiten Teilen aus Holz gefertigt und hier passt auch das ansonsten über alle Maße überstrapazierte Wort der Nachhaltigkeit. Verantwortlich für dieses Gewerk war das Holzbauunternehmen Pieper, das ebenso, wie die Rheinzink AG in Datteln in Nordrhein-Westfalen ansässig ist. Durch die Wahl des Werkstoffes konnten laut Bauherr die Summe von 130 Tonnen CO2 gegenüber einer herkömmlichen Konstruktion eingespart werden. Eine Stahlbetonwand in der Mitte des Gebäudes macht die Ausnahme, sie wurde für die Befestigung der freitragenden Stahltreppe nötig.

Werkplanung, Abbund und Aufrichten in einer Hand

Dabei übernahm das Unternehmen Holzbau-Pieper die komplette Werkplanung, den Abbund und das Aufrichten. Das Unternehmen, das in zweiter Generation geführt wird, hat sich unter anderem auf den Ingenieursholzbau spezialisiert. Die Werkplanung wurde von der Firma Pieper mit der Holzbau-Software S&S vorgenommen. Das grundsätzliche Ziel war, einen hohen Grad der Vorfertigung zu erreichen und darin lag auch die Schwierigkeit. „Die größte Herausforderung war, den Anfang zu finden und die Werkplanung in den Griff zu bekommen. Denn wir mussten zwischen handhabbaren Größen beim Transport und statisch funktionalen Elementen abwägen“, erinnert sich Firmenchef Berthold Pieper. Diese Herausforderung hat das Team gemeistert, wenngleich am Ende immer noch monströse Elemente auf den Tieflader gehievt wurden. „Unsere Lage zur Baustelle – die ist nur wenige Kilometer entfernt – machte das möglich“, sagt Berthold Pieper mit einem Augenzwinkern, „so sind wir manchmal eben auch nachts gefahren.“

Für die gesamte Vorfertigung mit Abbund (Zuschnitt mit Hundegger-Maschinen) waren vier Wochen lang fünf Mitarbeiter des 15 Mann-Betriebes im Einsatz. Die Holzelemente (insgesamt 21 Innenwände und 32 Außenwände) mit unzähligen spitzen und stumpfen Winkeln wurden alle in oder vor der werkseigenen Montagehalle abgebunden und einseitig mit OSB beplankt. Gelagert wurden die Elemente in der eigenen Halle des Betriebes.

Der Aufbau der Wände sieht von innen folgendermaßen aus. 22 mm OSB (12 und 22 mm Egger-Eurostrand OSB 4 Top), 24 cm Ständerwerk (zertifiziertes KVH®), voll isoliert (Isover 0,32), 80 mm Pavatex Weichfaser, Konterlattung (4 x 6 cm), dann Schalung (OSB), darauf dann die Zinkverkleidung beziehungsweise eine Putzfassade. Die OSB-Schalung diente gleichzeitig als luftdichte Ebene und musste entsprechend verklebt werden. Neben KVH®-Hölzern kamen auch – bei allen Hölzern, die schräg geschnitten wurden – Brettschichtholz zum Einsatz, um Verzug zu vermeiden. „Sonst hätten wir die Stöße nicht präzise hinbekommen“, sagt Pieper.

Beim Abbund wurde freilich nur das Ständerwerk mit der inneren Beplankung vorgefertigt. „Es wäre mit dem Transport und den Anschlüssen auf der Baustelle zu schwierig geworden, noch einen höheren Vorfertigungsgard anzustreben“, sagt Pieper. Übrigens glich kein Teil dem anderen „Alle vorgefertigten Teile waren tatsächlich Unikate“, sagt Berthold Pieper und bekräftigt damit noch einmal den hohen Anspruch beim Abbund. Aus diesem Grund waren auch nur fünf Mann für diesen Arbeitsprozess abbestellt und begleiteten die Fertigung.

Die Montage auf der Baustelle

Im März 2009 begannen die Zimmerleute von Pieper mit der Montage der ersten Holzelemente auf der nahen Baustelle. Hier gab es unterschiedliche Bauabschnitte. Zunächst wurden die tragenden Wandelemente mit einem Kran vom Tieflader auf das Fundament gehievt. Zur Abtragung der Lasten in den Untergrund wurden sie mit Ankerbolzen und individuell angefertigten Zugverankerungen befestigt. Die Verbindung der Wandelemente untereinander geschah durch Vernagelung der OSB-Platten. Die Schwellenhölzer wurden durch einen Schutzanstrich vor Feuchtigkeit von unten geschützt, sie liegen zudem auf einer Bitumenschweißbahn auf.

Die Vieleck-Konstruktion erforderte – neben der erforderlichen Tragwerksplanung mit aufwändiger statischen Berechnungen – Maßhaltung, was auch gelang. Spätestens das Aufrichten hätte eine Ungenauigkeit gezeigt. „Hat alles gepasst, wir haben keine Probleme gehabt, es hat alles funktioniert!“, sagt Berthold Pieper rückblickend. Nach dem Aufrichten der Seitenteile wurden die tragenden Wandteile im Innern des Designhauskonzeptes montiert. Die statisch notwendigen Deckenträger wurden aus Brettschichtholz in unterschiedlichen Dimensionen gefertigt. Bei 18 cm Höhe variiert die Breite bis 60 cm. „Es wäre theoretisch auch breiter gegangen – das Unternehmen Hüttemann liefert bis 120 cm –, aber dann hätten die Deckenelemente nicht in die Abbundmaschine gepasst.“ Die Sparren aus Brettschichtholz bilden das Decken-Untergerüst und sind mit den Wandrahmen verschraubt. Darauf liegen die Deckenelemente. Diese sind mit einer doppelten Nut-Feder-Verbindung gekoppelt und vernagelt. Die Deckenkonstruktion überbrückt Spannweiten von bis zu 10 Meter.

Zur Arbeit der Zimmerleute auf der Baustelle gehörte auch das Dämmen, das Aufbringen der Weichfaserplatten, der Konterlattung und der Schalung. Die Zinkarbeiten übernahm das Unternehmen Schabos aus Nordwalde. Zum Einsatz kam Winkelstehfalzschare aus Titanzink, vorbewittert, blaugrau, 1,00 mm, mit einer Achsbreite von 430 mm.

Beplankung mit Gipsfaser

Für die Beplankung der Holzständerwerke kamen etwa 1000 m2 Rigidur H-Gipsfaserplatte zum Einsatz. An den Außenwänden des Hauses wurde innenseitig Rigidur H 12,5 mm direkt auf die OSB-Platten geklammert. Im Gebäude erstellten die Monteure der Cora Montagegesellschaft eine Wandunterkonstruktion aus Konstruktionsvollholz, die als Elektrik-Installationsebene dient, dann mit 60 mm dicker Mineralwolle gedämmt und danach ebenfalls mit Rigidur H beplankt wurde. Um für die Decken die Feuerwiderstandsklasse F 30 zu erreichen, erfolgte anschließend auch hier die Beplankung mit Rigidur H.

Die Gesamtdicke der Außenwände beträgt somit 45 cm, der U-Wert 0,11 W/m2K (Putzfassade) beziehungsweise 0,14 W/m2K (Zinkfassade) und liegt somit unterhalb des Passivhaus-Standards von 0,15 W/m2K.

Fazit: ein Energieeffizientes Haus mit dem

Grundgerüst aus Holz

Integriert in die Libeskind-Villa und von außen nicht sichtbar ist ein innovatives Energiesystem. In das Dach und die Fassadenbekleidung ist eine Solarthermieanlage integriert. Diese sorgt in Kombination mit einem Erdwärmetauscher im Bereich der Außenanlagen und der Wärmepumpentechnologie für eine umweltfreundliche Heizanlage, der den Klimaboden beheizt und im Sommer kühlt. In einer Zisterne wird Regenwasser gesammelt und steht für die Toilettenspülung bereit. „Die Herausforderung“, so das Fazit von Architekt Daniel Libeskind“, „bestand darin, dass wir etwas gebaut haben, was niemals zuvor gebaut wurde. Das Gebäude entspricht dem derzeit besten Energiestandard der Erde und hat somit den Vorteil, dass es jederzeit unabhängig von der Energieversorgung modernisiert oder umgebaut werden kann.“

Explizit erwähnenswert ist dabei: Das Grundgerüst, die Basis, für dieses ungewöhnliche Haus, lieferte der Holzbau.

Daniel Libeskind entwirft für Rheinzink extravagante Holzbau-Villa

„Es hat alles gepasst“ – Firmenchef Berthold Pieper zur Maßgenauigkeit beim Abbund, die sich später auf der Baustelle zeigte

x

Thematisch passende Artikel:

Star-Architekt Daniel Libeskind präsentiert Entwurf für neuen Büropark in Babelsberger Medienstadt

Die Stadt Potsdam hat grünes Licht für ein Werkstattverfahren für die Planung des 94.000 Quadratmeter großen Büroparks gegeben, der integraler Bestandteil des Filmparks in Babelsberg werden soll....

mehr
Ausgabe 1-2/2012 Daniel Libeskind baute das Militärhistorische Museum in Dresden um

Altbau gesprengt: Libeskind-Umbau in Dresden

Das im Oktober 2011 eröffnete Militärhistorische Museum der Bundeswehr fügt der Geschichte des ursprünglich als Arsenalhauptgebäude errichteten Altbaus in der Dresdner Albertstadt ein weiteres...

mehr

Holz-Modulbau mit Zukunft Büroneubau mit Besucherzentrum am Egger-Standort in Brilon

Der Büroneubau mit einem Besucherzentrum im Erdgeschoss in Brilon im Hochsauerland wurde selbstverständlich als Holzbau geplant. Damit wird das Bestandsgebäude aus dem Jahr 1990 ergänzt. Ein...

mehr
Ausgabe 5/2024

Umbau und Erweiterung von Villa und Maschinenhaus im Quartier Rauchmühle in Salzburg

Die alte Dachgeschoss-Konstruktion ist abgerissen. Alles wird f?r den neuen Holzbau vorbereitet

Das Quartier Rauchmühle ist ein 21?000 m2 großes ehemaliges Industrieareal, gut 2 km westlich des Salzburger Hauptbahnhofs gelegen, auf dem seit der Stilllegung der Mühle 2011 sowohl Neubauten...

mehr