Der Bericht über Lehmbauten im arabischen Staat Jemen hatte das Interesse von Wilfried Knepper nachhaltig geweckt: „Zuerst habe ich mir Fachbücher besorgt und mich immer weiter in die Materie vertieft“, erzählt der Maurermeister. Schließlich entwickelte sich aus dem handwerklichen Interesse eine realistische Option für die berufliche Neuorientierung. Der Maurermeister, der bislang als Vorarbeiter im Stahlbau bei der Philipp Holzmann AG gearbeitet hatte, begann Seminare über Lehmbauweisen und Fachwerkrestaurierung zu belegen. Zudem ergab sich in derselben Zeit die Gelegenheit für einen Arbeitsplatzwechsel: 1992 bewarb er sich erfolgreich auf die Zeitungsannonce einer Dortmunder Firma für ökologisches Bauen und Restaurierung und begann seine Arbeit als Betriebsleiter für den Baubereich.
Die Arbeit beim Stahlbau sei zwar gut bezahlt gewesen, dabei jedoch vergleichsweise monoton abgelaufen. Die neue Aufgabe hingegen habe gleich von Anfang an reizvolle handwerkliche Herausforderungen geboten. Schon beim ersten Auftrag, der Restaurierung eines historischen Fachwerkgebäudes in Bochum, seien bereits alle denkbaren Facetten alter, überlieferter Handwerkstechniken gefordert gewesen. Mit der sorgfältigen und bis ins Detail korrekt nachvollzogenen Ausführung dieser Techniken konnte sich Wilfried Knepper letztendlich auch in der beruflichen Selbständigkeit behaupten: Als sein Arbeitgeber 1996 den Betrieb auflöste, übernahm Knepper den Bereich der Bauhütte und gründete daraus seine eigene GmbH.
Maurer und Zimmerer im überschaubaren Team
Mit einem Stab von sechs Mitarbeitern – ein Zimmerer- und zwei Maurergesellen, zwei Lehrlinge und eine Bürokraft – hat der 47-jährige seinen Betrieb bewusst in überschaubarer Größe gehalten. Trotz steigender Nachfrage nach Handwerksspezialisten in der Fachwerksanierung zieht Knepper eine weitere Expansion derzeit nicht in Betracht. Als Geschäftsführer will er sich nicht ausschließlich auf die Schreibtischtätigkeiten von Auftragsakquise, Planung und Organisation der Bauhütte beschränken: „Wenn der Betrieb zu groß wird, sitze ich am Ende nur noch im Büro, das ist ja jetzt schon eine Schwierigkeit. Zwei- bis dreimal die Woche will ich aber auf der Baustelle arbeiten“, erklärt er sein Prinzip. „Das ist mir wichtig, weiterhin vor Ort bei den einzelnen Bauvorhaben ganz nah dran zu sein. Ich will meine Baustellen noch selbst erleben und Einfluss nehmen – und genauso wollen das auch die Bauherren gerne haben.“
Fachwerkrestaurierung aus einer Hand
Diese Baustellen, bei denen Wilfried Knepper weiterhin selbst mit anpacken will, umfassen sämtliche Arbeiten am Fachwerkbau: Dazu gehören unter anderem Tragwerke aus Holz und die zahlreichen Variationen der Holzverbindungen, Fundamentierungen und Sanierungsarbeiten an den Schwellen, Lehmmörtelherstellung, aufwendige Weidenflechtwerke mit Lehmbewurf, Lehmsteinmauern, Stampflehmböden, Kalkputze, Kalk-Kasein-Anstriche für die Gefache, sowie Dekorputze und Wandmalereien Nass in Nass.
Inbegriffen ist desweiteren die Beratung für die übrigen am Projekt beteiligten Gewerke, damit auch denkmalgeschützte Häuser, wo Elektrik Heizungssysteme und Wasserleitungen in der ursprünglichen Bauplanung noch gar nicht vorgesehen waren, einem modernen Wohnstandard entsprechen können.
Auch wenn sich die sehr
guten raumklimatischen Eigenschaften der Lehmbautechniken ebenso für den modernen Wohnbau eignen, ist die Bauhütte Knepper mit 90 Prozent der Aufträge doch fest im Bereich der denkmalgeschützten Gebäude verankert. Seinen Aktionsradius zieht Knepper etwa 50 Kilometer rund um Dortmund. Zu den aktuellen Projekten gehört beispielsweise die Fachwerkrestaurierung bei einer ehemaligen Tabakfabrik, die auf das Gelände des Freilichtmuseums Hagen transloziert wurde. Auch an der Sanierung das Hauses Letmathe in Iserlohn, einem gegen Ende des 15. Jahrhunderts errichteten Burggebäude, das heute als Bürgerhaus und Heimatmuseum genutzt wird, ist die Bauhütte beteiligt.
Planung und Ausschreibung
Um Ausschreibungen, Angebote und Planung kümmert sich Wilfried Knepper selbst, „die Bauvorlage ist in 80 Prozent aller Fälle die Aufgabe einer Statikerin, mit der ich seit langem schon zusammenarbeite.“ Auftraggeber ist häufig die öffentliche Hand, Landschaftsverbände, Kreiskirchenämter, die Emschergenossenschaft oder der Ruhrverband. Architekten sind eher bei umfassenden Projekten mit von der Partie: „In der Denkmalpflege ist mitunter eben nur sehr wenig Planungsspielraum vorhanden.“
Altes Wissen weitergeben
Die praktischen Erfahrungen geben Wilfried Knepper die beste Grundlage für die theoretische Weitervermittlung seines Fachwissens. Schon frühzeitig, in den Jahren 1995 bis 1998, war er als Fachlehrer an der Akademie des Handwerks Schloss Raesfeld tätig, wo er zuvor selbst gelernt hatte. Da die Aufgaben im eigenen Betrieb diese Tätigkeit nicht auf längere Dauer zuließen, beschränkt er sich mittlerweile darauf, jährlich Fachseminare zu den Themen Lehmbauweisen, Bogenkonstruktionen und Fachwerkausfachungen abzuhalten. Aufgrund seiner umfassenden Beschäftigung mit der Materie der Restaurierung und der historischen Handwerkstechniken ist Knepper stellvertretendes Prüfungsmitglied der Handwerkskammern Dortmund und Münster und wurde zudem von der Handwerkskammer Dortmund im Jahr 2005 zum Sachverständigen des Maurer- und Betonbauerhandwerks für den Bereich Lehmbau berufen.
„Häufig bekomme ich zu hören, dass ich mir durch die Seminartätigkeit meine eigene Konkurrenz heranziehe“, bemerkt Knepper mit einem Lächeln. Diese Zweifel teilt er nicht, denn seine Bauhütte ist eine gefragte Adresse: „Grundsätzlich habe ich einfach zehn Jahre Vorsprung vor den anderen und eine Referenzliste von mittlerweile rund 60 Objekten.“
Ein guter Ruf ist durch nichts zu ersetzen
Ein Grund zur Sorglosigkeit ist das trotzdem nicht: „Einen guten Ruf muss man sich in langen Jahren aufbauen. Aber der ist schnell verspielt, wenn man keinen Respekt vor der alten Bausubstanz hat.“ Mit der Anwendung falscher Techniken, weiß der Maurermeister, könne man sich ganz schnell ganz viel verpfuschen.
Solcher Pfusch aus der Vergangenheit sorgt allerdings auch dafür, dass die Nachfrage nach Spezialisten in der Fachwerkrestaurierung weiter steigen wird; schließlich gilt es, die Bausünden vor allem der 1960er Jahre zu korrigieren: Falsche Anstriche und falsche Dämmschichten haben oft dazu geführt, dass die Hölzer verfaulen. Die Verwendung von Silikon, Gipskarton, hart gebrannten Ziegeln, Kalksandsteinen oder falschen Mörtelmischungen hat mit den Jahren die Substanz geschädigt. „Das ist Wahnsinn, was da alles angestellt wurde“ – vor allem wenn man bedenke, wie ideal das ursprüngliche, ganz einfache System aus Lehm und Holz für die Regulierung der Feuchtigkeit gesorgt habe, ganz nach dem schlichten Leitsatz: Alles was reinkommt, muss auch wieder raus. „Es gibt so viel
Fachwerksubstanz, die der Sanierung bedarf, dass die allgemeine Auftragslage in den kommenden Jahren noch zunehmen wird“, ist sich Knepper sicher.