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Die besten Handwerker im Portrait, Teil 5: Zimmerei Sieveke GmbH

Ein guter Weg, die Marktpositionierung des eigenen Unternehmens zu definieren, kann mitunter sein, erst einmal herauszuarbeiten, welche Art von Aufträgen man lieber anderen Firmen überlässt. Günter Buhr, Inhaber und Geschäftsführer der Zimmerei Sieveke aus Lohne, hat seinen Betrieb auf die qualitativ hochwertige Lösung komplexer Aufgaben im Ingenieurholzbau und Holzrahmenbau ausgerichtet. „Das Niedrigpreis-Marktsegment“, so Buhr selbstbewusst, „bedienen wir einfach nicht.“

Langjährige Erfahrung hat Günter Buhr gelehrt, dass sein Anspruch, hohe Arbeits- und Materialqualität zu einem vernünftigen Marktpreis zu liefern, nicht mit einer generellen Kundenmentalität zu vereinbaren war, die bei durch­aus hohen Anforderun­gen auch noch einen möglichst billigen Schnäppchenpreis vor­aussetzte. „In Spitzenzeiten haben wir pro Jahr bis zu 500 Angebote gemacht, und die Auftragsquote lag am Ende bei nur knapp sieben Prozent“, erinnert sich der 56-jährige Bauingenieur und gelernte Stahlbetonbauer. „Heute geben wir im gleichen Zeitraum 75 Angebote heraus, aber die Auftragsquote beträgt rund ein Drittel.“

Diese deutliche Effizienzsteigerung erklärt sich aus einer genauen Auswahl der potentiel­len Auftraggeber. „Die Grundfrage ist dabei immer, ob das Angebot unseres Hauses mit den Vorstellungen der Kunden grundsätzlich zu vereinbaren ist“, erläutert Zimmermeister Roman Koditek, der bei der Zimmerei Sieveke für die Projektleitung und die Kalkulation zuständig ist. „Kunden, denen der niedrige Preis wichtiger ist als die Qualität unserer Leistungen, lehnen wir deshalb rechtzeitig ab. So haben wir eine relativ hohe Sicherheit, dass unserem Angebot auch tatsächlich ein Auftrag folgt.“

 

Höherwertiges Handwerk

 

„Billig sind wir eigentlich noch nie gewesen“, räumt Günter Buhr ein. Diese Einschätzung beschreibt nicht nur sein eigenes Geschäftskonzept. Das Selbstverständnis, vorrangig gute Arbeit abzuliefern, hat sich bei mittlerweile drei Inhaber-Generationen des Familienbetriebes bewährt: Gegründet wurde die Zimme-rei 1912 vom Zimmermeister Josef Sieveke, der seinen regional tätigen Kleinbetrieb von Anfang an auf höherwertige Handwerksaufgaben spezialisierte: „Was Anspruch hatte im Ort, wurde deshalb grundsätzlich von Sie­veke gemacht; das gehörte geradezu zum guten Ton“, so Buhr. Nach dem Zweiten Welt­krieg erweiterte der Sohn des Gründers, Alfred Sieveke, das Einzugsgebiet des Familienunter­nehmens bedeutend: Bis zu 70 Mitarbeiter wurden zeitweilig beschäftigt, die europaweit landwirtschaftliche Bauten – in der Hauptsache für die Massentierhaltung – errichteten. Ein Markt, den Günter Buhr, nachdem er 1980 die Firmenleitung übernommen hatte, noch bis zum Ende des Jahrzehnts erfolgreich bedienen konnte.

Dann allerdings war der Zeitpunkt gekommen, als die Agrarindustrie keine weiteren Baugenehmigungen mehr erhielt – der Geschäftszweig starb ab. Einen ähnlichen Ablauf erlebte man beim Bau schlüsselfertiger Kindergärten. „Die haben wir eine ganze Zeit lang gebaut, bis plötzlich keine Nachfrage mehr vorhanden war,“ sagt Günter Buhr. Und auch im Geschäft mit privaten Bauherren bedeutete der Wegfall der Eigenheimzulage Anfang 2006 einen großen Einschnitt.

Um nicht von solchen Marktschwankungen überrascht zu werden, setzt die Zimmerei Sieveke auf langfristige Vorausplanung und Investition in neue Aufgabenbereiche. „Wenn man kein Billigunternehmer werden will, muss man in Vorleistung gehen – raus aus dem Preiskampf, hin zu umfassender Qualitätsleistung und zur Pflege der persönlichen Kontakte.“

 

Gewerkeübergreifende

Vorfertigung und Montage

 

Dieses Rezept verfolgte Gün­ter Buhr schon frühzeitig: Im Zimmereibetrieb verlagerte er den Schwerpunkt: dem Handwerk wurde ein funktionierendes Büro mit kaufmännischer und planerischer Kompetenz vorangestellt. Ein gemeinsam mit seiner Ehefrau Mechthild gegründetes Ingenieurbüro übernahm die Tragwerksplanung. Als einer der Vorreiter nutzte Buhr die Möglichkeiten der EDV und auch der softwaregesteuerten Maschinen, um seinen Betrieb zukunftsfähig zu gestalten.

Damit war die Voraussetzung geschaffen für eine neue Arbeitsweise: die Vorfertigung von Holzbauelementen unter kontrollierten Bedingungen in den eigenen Werkshallen. Dachträgerkonstruktionen, Holzrahmenbauwände oder Fassadenbauteile inklusive Laibungen, Fenstereinbau und Vorputz werden seitdem auf dem Firmengelände hergestellt und dann in fertigen Teilen mit eigenen Transportfahrzeugen zur Montage auf die Baustelle transportiert. „Viel Vorfertigung, wenig Baustellenzeiten – das ist unsere Stärke und das sind die Aufträge, die wir suchen“, fasst Roman Koditek zusammen.

Planung und Ausführung

in einer Hand

 

Mit alternativen Planungskonzepten hat sich die Zimmerei Sieveke mit der Zeit einen Namen als „Problemlöser“ für komplexe Bauaufgaben geschaffen, und dabei unbedingte Verlässlichkeit zu einem Markenzeichen gemacht. „Das, was wir planen, wird auch genauso gebaut. Wir rücken zum vereinbarten Termin auf der Baustelle an und bei den Baukosten gibt es dank detaillierter Vorausplanung keine bösen Überraschungen“, so Zimmermeister Koditek. Davon seien Architekten und Bauherren gleichermaßen beeindruckt, denn „das Einlösen von Leistungsversprechen ist im Baugewerbe nach wie vor keine Selbstverständlichkeit.“

Fachwerkbinder in

Greimbauweise

Auch mit der Beherrschung spezieller Techniken hat es die Zimmerei geschafft, neue Trends zu setzen, statt ihnen nacheilen zu müssen. Als einer von vielleicht einem halben Dutzend Betrieben in Deutsch­land baut Sieveke im Greimbauverfahren freitragende große Konstruktionen mit genagelten Fachwerkbindern. Ein aktuelles Beispiel ist die Temporäre Kunsthalle auf dem Schlossplatz in Berlin, welche die Mitarbeiter der Zimmerei aus 2,5 x 11 m großen, gebäudehoch vorgefertigten Holzrahmenbauwänden montier­ten, die zuvor in der Werkstatt von innen und außen mit Faserzementplatten beplankt wurden (siehe folgender Beitrag „Coloured Cube“ in dieser Ausgabe der BAUHANDWERK). Das Tragwerk für das Dach besteht aus Holzfachwerkbindern in Greimbau­weise. „Greimbau war eine exotische Technik“, so Günter Buhr, „aber seit die Stahlpreise in die Höhe geschossen sind, haben wir damit richtig Boden gut gemacht.“

 

Netzwerke und

Kooperationen pflegen

 

Seit 2002 gehört die Zimmerei Sieveke darüber hinaus dem Verbund International Engineered Timber Construction (IETC) an, einer GmbH aus fünf deutschen Holzfachbetrieben, die gemeinsam in der Lage sind, Großprojekte nicht nur in Deutschland, sondern auch international auszuführen und so gemeinschaftlich neue Märkte zu erschließen.

Da die Zimmerei Sieveke einen großen Teil ihrer eigenen Aufträge selber generieren muss, bedient sie sich gezielter Marketingmaßnahmen: Anstelle von Anzeigen in den Tageszeitungen nutze man auf Architekten zugeschnittene Öffentlich­keits­arbeit, erklärt Roman Koditek. Das beinhaltet selbständig her­ausgegebene Projektberichte und Messeauftritte ebenso wie Vortragsreihen über Fas-sa­den­ele­mente. Auch die Netz­werkpfle­ge, in der Planungsbrache ebenso wie bei Partnern der Industrie, wird intensiv betrieben. „Wir bieten schließlich spezielle Leistungen, und der Kunde muss ja auch wissen, dass es uns überhaupt gibt“, so Zimmermeister Koditek.

Ausblick

 

Expansionspläne hat Günter Buhr in keinerlei Hinsicht. Weder sollen neue Standorte das Einzugsgebiet des Unternehmens erhöhen, noch zusätzliche Gewerke unter dem eigenen Firmendach integriert werden:„ Wenn man meint, sich in allen Gewerken spezialisieren zu müssen, über­fordert man sich“, ist Buhr überzeugt. „Außerdem müsste ich dadurch den gan­zen Betrieb enorm aufblasen. Der Holzbau bietet so viele Chancen: Der Baustoff ist nach­haltig und gut verfügbar, kann schnell verarbeitet werden und fordert nur einen geringen Energiebedarf – das sind wichtige Vorteile in Zeiten steigender Stahl- und Energiepreise. Wir haben eine schlagkräftige Belegschaft von 40 Mit­arbeitern; damit gehören wir zu den Großen, die in der Lage sind komplexe Aufgaben zu bewältigen. Die Konkurrenz ist da in den vergangenen Jahren deutlich weniger geworden. Zur Veränderung ver­spüren wir in dieser Hinsicht also keinen Bedarf, weder nach unten, noch nach oben.“

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