Kein Problem, wenn´s hitzig wird
Das Dach über dem als TV-Studio genutzten Gasometer in Berlin

In dem 100 Jahre alten denkmalgeschützten Gasometer in Berlin Schöneberg ist 2011 ein modernes TV-Studio für bis zu 300 Gäste installiert worden. Überspannt wird das transparente Studio mit einer Textilmembran, die bei Regen vor Schall schützt und dank der Entrauchungsöffnungen im Ernstfall die nötige Sicherheit bietet.

Bis 1995 stellte der fast 80 Meter hohe, von weithin sichtbare Teleskopgasbehälter die Gasversorgung der Hauptstadt sicher. In dem ausfahrbaren Kuppelbehälter konnten bis zu 160 000 Kubikmeter Stadtgas gespeichert werden. Mit der berlinweiten Umstellung von Stadt- auf Erdgas wurde der Gasbehälter außer Betrieb genommen und der Zylinder demontiert. Übrig blieb das riesige Stahlskelett. Nach Jahren des Leerstands wurde das imposante Industriedenkmal jetzt wiederbelebt und bildet den Mittelpunkt des neu entstehenden EUREF-Campus – dem ersten – laut Aussagen der Projektbetreiber – CO2-neutralen Stadtquartier Europas.  

„Hier ist Berlin, hier ist Geschichte“, so wurde er vorgestellt, der neue Ort für die sonntägliche Talkrunde mit Günther Jauch. Die erste Sendung startete im September 2011. Behutsam in das riesige Stahlskelett integriert, erinnert das im Durchmesser 32 Meter zählende Fernsehstudio an die nicht weit entfernte Norman-Foster-Kuppel des Deutschen Bundestages in Berlin Mitte. Über den gebogenen, 21 m hohen Stahlträgern spannt sich eine transparente Haut, die Zuschauern und Gästen den Blick freigibt auf die äußere Hülle des Gasometers. Um während der Livesendung Tonprobleme zu vermeiden und den Besucher beim Betreten des Gasometers nicht im Regen stehen zu lassen, wurde über der eingestellten Kuppel ein zweites Dach nötig. Hier entschieden sich Bauherr und Nutzer auch aus Denkmalschutzgründen für eine temporäre Lösung, die dazu sehr leicht und filigran sein sollte. Eine 3500 m2 große pneumatische, also unter Druckluft stehende, Textilmembran mit Kunststoffbeschichtung überspannt den 61 Meter breiten Gasometer und macht ihn zur Traglufthalle. Ein stetig, kaum wahrnehmbarer Überdruck von 500 pa stabilisiert das neue Dach und hält es in Form. Tageslicht erhält das rundherum geschlossene Gebäude über 24 runde Lichtkuppeln von Eternit Flachdach.

 

Durchdachtes System berücksichtigt auch denkmalpflegerische Aspekte

Wie immer in der Welt der Medien galt es das Projekt schnell zu realisieren. Als Profi für anspruchsvolle Membrankonstruktionen wurde die Hamburger Textil Bau GmbH beauftragt. Hier koordinierte man neben diversen Vorstudien, der Statik und Membrankonfektion, auch die Fertigung und Montage sowie das für derart große textile Dächer übliche Zustimmungsverfahren im Einzelfall mit dem Berliner Senat. Mit der erhofften Schönwetterlage im Frühsommer 2011 konnte die ausführende Berliner 3dtex GmbH schließlich mit der Montage des textilen Daches beginnen. In einem Stück – nach Plan gefaltet – wurden 3500 m2 Membran im Inneren des Gasometers in Position gebracht und mittels elektischer und manueller Winden an Stahlseilen angehoben. Innerhalb nur eines Tages konnte die Fläche aufgefaltet und provisorisch am Rand gesichert werden. Die luftdichte Befestigung erfolgte dann unter denkmalpflegerischen Aspekten an passgenau angefertigten Profilen, die zumeist bereits vorhandene Löcher in der Gasometerhülle nutzten. Über eine Öffnung in der Hülle wurde anschließend ein speziell ausgelegtes Druckhaltegebläse der Firma Gustav Nolting zugeschaltet, das dauerhaft den benötigten Überdruck von 500 pa erzeugt und die Membran ohne weitere konstruktive Unterstützung stabilisiert. Betreten werden kann der Gasometer daher nur über eine Schleuse die den Druck ausgleicht. Während die Luftdichtheit das A und O bei der Konstruktion war, ist die Ableitung des Regenwassers denkbar einfach geregelt. Dieses fließt rundherum ungehindert über den Gasometerrand und versickert im Kiesbett.  

 

Lichtkuppeln als integraler Bestandteil des Gebäude-Designs

Durch das neue Dach und die veränderte Nutzung wurde auch die Anpassung des Brandschutzkonzeptes nötig. Um im Brandfall eine zügige Entrauchung der Traglufthalle zu gewährleisten, wurden Lichtkuppeln eingesetzt. Die im Durchmesser 120 cm großen Kuppeln lassen sich dank der Einbindung in die RWA-Steuerung automatisch öffnen und sorgen neben der Entrauchung auch für Tageslicht im Studio. Erstmalig in einer Traglufthalle installiert, wurden die Lichtkuppeln in die bereits aufgespannte Textilmembran mittels werkseitig vormontierten Aufsetzkränzen integriert. In der Vormontage galt es die Aufsetzkränze exakt nach Plan vorzubereiten, da eine Anpassung vorab nicht mehr möglich war und sie in einer Reihe beziehungsweise abwechselnd mit den Beschlägen für die Notfallhalteseile ein grafisches Bild auf die Membran zeichnen sollten. So wurden die Aufsetzkränze an dem verstärkten Membrankreis luftdicht verklebt und zusätzlich alle 25 cm verschraubt. Vor Ort waren dann nur noch die Lichtkuppeln an den Scharnieren auszurichten, die Scharnierbolzen bündig einzuschlagen und mit Distanzbuchsen und Linsenkopfschrauben zu verschrauben. Durch den Verzicht auf eine Verschraubung durch den Rahmen der Kuppel sind die Schalenpakete absolut luftdicht eingefasst, damit werden Wärmebrücken und so in diesem Fall Luftverlust vermieden. Erst nach dem Schließen der Kuppeln konnten dann die nötigen Öffnungen in die Membran geschnitten und somit das Brandschutzkonzept erfüllt werden. Sollte es zum Ernstfall kommen, und die Lichtkuppeln müssten geöffnet werden, entweicht der Druck und die Membran würde – an Stahlseilen gehalten – innerhalb weniger Minuten in sich zusammenfallen.

 

Gestaltungsqualität made in Germany

Die runden Lichtkuppeln sind in verschiedenen Größen zwischen 60 und 200 cm Durchmesser erhältlich. Als lüftbare oder starre Variante werden sie serienmäßig mit einer Kunststoffverglasung geliefert, die am Rand nicht freiliegt, sondern von einem stabilen Einfassrahmen geschützt ist. Dazu kommt die glatte Einfassung ohne sichtbare Schraubverbindung aus. Die GfK-Rahmenkonstruktion und die Außenseite der Aufsetzkränze sind in fast allen RAL-Farben lieferbar. So lässt sich die Lichtkuppel harmonisch in das Gesamtbild eines Gebäudes einsetzen – oder bewusst ein Kontrast erzeugen. Die unterschiedlichen Anforderungen der aktuellen EnEV erfüllen Lichtkuppeln von Eternit Flachdach problemlos und geben auch für die Zukunft Sicherheit. Mit einem U-Wert von 0,83 W/m²K bietet die Ausführung thermoplan beispielsweise beste Wärmedämmeigenschaften.

 

Fazit

Bildlich gesprochen qualmt es bisweilen jeden Sonntag im Gasometer, wenn die Diskutanten mal wieder hitzig debattieren. Falls es aber wirklich mal zum Ernstfall kommt, sorgen die Lichtkuppeln für die geforderte Sicherheit im Brandfall.

 

Autor

Volker Tings ist Leiter der Marketing- und Kommunikationsabteilung bei der Eternit Flachdach GmbH in Neuss.


Um im Brandfall eine zügige Entrauchung der Traglufthalle zu gewährleisten, wurden Lichtkuppeln eingesetzt

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