„Jeder, der sich die Fähigkeit erhält, Schönes zu
erkennen, wird nie alt werden“ (Franz Kafka)

Der Alterungsprozess bleibt dem Menschen ebenso wenig erspart wie den Gebäuden, in denen er lebt und arbeitet. Wie schnell ein Mensch oder ein Bauwerk altert, hängt natürlich damit zusammen, wie gut es um die Pflege beziehungsweise die Instandhaltung bestellt ist. Hinzu kommt, dass beispielsweise ein Handwerker in seinem Berufsleben viel stärkeren körperlichen Belastungen ausgesetzt ist als ein Büroangestellter. Gleiches gilt für Gebäude – man denke nur an den Vergleich zwischen Wohnhaus und Industriebau. Ungeachtet dessen erzählen der Mensch und die Bauwerke, in denen er lebt und arbeitet, von ihrer Geschichte, ihrem Lebenswerk und von Epochen, die den Nachfahren und Neubauten oft unbekannt sind. Niemand käme auf die Idee, die wertvollen Erfahrungen eines alten Handwerksmeisters als senile Spinnerei und überflüssige Geschichten von Vorgestern abzutun. Auch historische Industriedenkmale wissen von baulichen Qualitäten und menschlichem Können zu erzählen, die in heutigen Gewerbegebieten kaum mehr anzutreffen sind. Man denke nur an die alten Stahlwerke, Zechen, Textilmanufakturen, Brauereien oder Kraftwerke. Dagegen stehen heutzutage meist funktionale, kostengünstige Sandwichkisten oder gesichtslose, überdimensionale Logistikzentren und Hochregallager. Diesen Zweckbauten fehlt der Charme einer detailreichen Backsteinarchitektur; Stuckverzierungen und Metallornamente sucht man ebenso vergebens wie die Patina der Materialien, die aufgrund ihrer Kurzlebigkeit nicht darauf ausgelegt sind, würdevoll zu altern. 

Umso wichtiger ist es, die noch bestehenden Industriedenkmäler zu schützen, zu erhalten und sie neuen Nutzungen zuzuführen, damit ihr Überleben nicht von Spendengeldern abhängt, sondern sich aus dem Betrieb heraus finanziert. Die sperrigen und auf den ersten Blick oftmals spröde anmutenden Bauten der Industrie- und Technikgeschichte vorschnell abzureißen, bedeutet, die Augen vor der baukulturellen Geschichte unserer industriellen Entwicklung zu verschließen und damit auch die Wurzeln des Handwerks und der damit verbundenen Kunst vergessen zu machen. Einige Beispiele in diesem Heft zeigen das Potenzial schützenswerter Industriearchitektur und belegen, was unsere Altvorderen mit den ihnen zur Verfügung stehenden Hilfsmitteln auf dem Kasten hatten, um den Ruf des Bauhandwerks in Sphären zu heben, von dem die heutigen Auszubildenden noch zehren. Es bleibt allein ihnen vorbehalten, diese alten Schätze zu erkennen, zu wahren und für sich zu nutzen. Denn: „Jeder, der sich die Fähigkeit erhält, Schönes zu erkennen, wird nie alt werden“. So sah es einst Franz Kafka. 

Viel Erfolg bei der Arbeit wünscht Ihnen

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