Missionar in Sachen Stuck
Axel von der Herberg erfindet den klassischen Gipsstuck neu

Ein Heilbronner Stuckateurmeister hat eine Maschine erfunden, mit der sich Ornamente aus Gips und Wasser systematisch herstellen lassen. Die Produkte sind stabiler als herkömmliche Stuckleisten und können auf Europaletten transportiert werden. Preislich machen sie Zierleisten aus Polystyrol Konkurrenz.

Axel von der Herberg hat eine Mission: Er will die Welt von Dekorleisten aus Polystyrol befreien. Um dieses Ziel zu erreichen hat der Stuckateur eine Methode ersonnen und zu einer Maschine weiterentwickelt, mit der man Ornamente herstellen kann, die die bauphysikalischen und ästhetischen Vorteile des Naturwerkstoffs Gips mit dem günstigen Preis von Kunststoffprodukten kombinieren, ohne Nachteile bei der Transportfähigkeit oder Maßhaltigkeit in Kauf nehmen zu müssen. Wie so häufig bei Menschen, die von dem was sie sagen und tun zutiefst durchdrungen sind, merkt man dem Handwerksmeister an, dass hinter seiner Idee mehr steckt als der Wunsch, möglichst schnell reich oder berühmt zu werden – oder beides. Natürlich will auch von der Herberg mit seiner Geschäftsidee den wirtschaftlichen Erfolg; er muss ihn sogar erreichen, schließlich hat er – zusammen mit seiner Ehefrau Susanne – seine gesamte berufliche Existenz an dieses Projekt geknüpft. Doch die eigentliche Triebfeder seines Handelns sind Handwerkerstolz und ein Konservativismus, der sich an der eigentlichen Bedeutung dieses Wortes orientiert und daher nicht rückwärtsgewandt und engstirnig, sondern gesundheitsbewusst und umweltschützend daherkommt. Gespannt wurde diese Triebfeder durch die jahrelange Arbeit als Stuckateur, der – wie die meisten seiner Kollegen – alles mögliche gemacht hat, nur keinen Stuck und die empfundene Ohnmacht gegenüber den billigen Kunststoffprodukten. Ausgelöst wurde die „Feder“ schließlich – auch dies typisch für einen „Missionar“ – durch ein einschneidendes persönliches Erlebnis. Nach einer schweren Erkrankung fasste er den Entschluss, etwas Neues zu wagen und die im Kopf längst fertig ausgetüftelte Maschine zu bauen.

Kunst und Handwerk

„Wie man als ausgebildeter Stuckateur Polystyrol verbauen kann, geht mir nicht in den Kopf“, sagt von der Herberg. Er hat diesen Gedanken schon häufiger öffentlich geäußert – teilweise noch schärfer formuliert. Das mag einer der Gründe dafür sein, dass er für seine Erfindung zwar schon diverse Preise, Auszeichnungen und Förderungen erhalten hat, aber trotzdem nicht überall auf Begeisterung stößt. Dabei sind solche Bemerkungen gar nicht despektierlich gemeint, sondern eher der Ungeduld eines Menschen geschuldet, der von seinen eigenen Argumenten komplett überzeugt ist. „Unsere Stuckleisten bieten dem Handwerk eine Chance, rauszukommen aus der Preisfalle, sich neue Kundenschichten zu erschließen und wieder mehr Spaß an der Arbeit zu haben“, ist von der Herberg überzeugt. Er spricht aus persönlicher Erfahrung, denn der gelernte Gipser, der nach einigen Gesellenjahren als Angestellter seine Meisterprüfung zum Stuckateur ablegte und eine eigene Firma mit zuletzt acht Mitarbeitern gründete, hat selber auf der Baustelle praktisch nie die Arbeiten ausführen können, die seiner Berufsbezeichnung den Namen geben. Stattdessen bestanden die Aufträge hauptsächlich in Putz- und Trockenbauarbeiten oder der Montage von WDV-Systemen. „Als Stuckateur ist man ein handwerklicher Künstler und will nicht ständig nur  Trockenbauwände verspachteln oder Wände verputzen. Ganz davon abgesehen, dass bei solchen Aufträgen oft ein existenzbedrohender Preiskampf herrscht“.

Gips: Naturstoff mit Eigenarten

Echter, handwerklich hergestellter Stuck ist allerdings für die meisten Bauherren nicht erschwinglich. Schließlich müssen die Leisten in einem zeit- und arbeitsintensiven Prozess schichtweise durch Schablonen gezogen werden, bevor die fragilen Elemente angeklebt werden können. Das Ergebnis ist dabei stark von der Erfahrung und dem Geschick des Handwerkers abhängig. Der Kunde erhält ein hochwertiges Unikat, durch das seine Räume nicht nur optisch aufgewertet werden, die Gipselemente haben durch ihre feuchtigkeitsregulierende Wirkung auch einen positiven Einfluss auf das Wohnklima. Um Kosten zu sparen werden häufig Dekorleisten aus Polystyrol verklebt. Die kosten nur einen Bruchteil des ökologischen Originals und lassen sich problemlos transportieren. Sie sind allerdings brennbar, werden mit chemischen Klebstoffen befestigt, unterscheiden sich in Haptik und Anmutung sehr von Gips und haben – im besten Fall – gar keinen Einfluss auf das Raumklima.

Was echten Stuck so teuer macht, sind die Eigenarten des Naturstoffs Gips, der sich beim Abbinden ausdehnt und sich je nach Charge, Luftfeuchtigkeit, Temperatur und Arbeitsweise des Handwerkers anders verhält. Außerdem ist gezogener Stuck sehr zerbrechlich, deshalb wird er zwar in Manufakturen vorgefertigt, er lässt sich aber nur mit hohem Aufwand transportieren.

Erfindung gegen Nachteile

Genau an diesen zwei Nachteilen setzt die Erfindung des Heilbronner Stuckateurs, der außerdem die 18-monatige Weiterbildung zum Betriebswirt des Handwerks absolviert hat, an. In der Maschine, die von der bauhandwerk-Redaktion nicht fotografiert werden durfte, werden die Stuckelemente nicht gezogen, sondern gegossen. Im ersten Schritt werden dabei Gips und Wasser in einem Zwangsmischer kontinuierlich gemischt und blasenfrei in die Form gefüllt. Durch Vibration wird die restliche Luft ausgetrieben, dann wird die starre Form verschlossen. Da der Gips sich beim Abbinden normalerweise ausdehnen würde, presst er sich mit hohem Druck in jede noch so feine Struktur der Form und härtet zu einem sehr dichten und stabilen Gipsornament aus, das mit Druckluft aus der Vorlage entnommen wird. Die Stuckelemente weisen wiederkehrende Ansichtsoberflächen auf, so dass sie sich stapeln und wegen ihrer Länge von 1200 mm auf Europaletten oder in genormten Gitterboxen transportiert lassen. Die Gussformen werden gewaschen und wiederverwendet, die dabei entstehende Schlämme bildet die Trennschicht für den nächsten Arbeitsgang.

„Durch diesen systematischen Prozess können wir die Leisten zu sehr geringen Kosten produzieren, durch ihre Stabilität und ihre Maße sind die Transportkosten gering. Beides führt zu einem Verkaufspreis, der nur 20 bis 30 Prozent über dem vergleichbarer Polystyrol-Produkte liegt“, sagt von der Herberg. Er hat auf Grundlage seiner Facharbeit „Herstellung und
Vertrieb von Stuckornamenten für Handwerk und Baufachhandel“ in Zusammenarbeit mit der Dualen Hochschule Baden-Württemberg eine genaue Marktanalyse erarbeitet, die ein großes Potential für seine Produkte nachweist. Derzeit ist der Erfinder gerade dabei, einen deutschlandweiten Vertrieb für seine Erzeugnisse aufzubauen.

Vetriebsnetz im Aufbau

Dabei werden sowohl Baufachhändler als auch Handwerksbetriebe angesprochen, die dann kostenlose Modulboxen erhalten. „Mit dem Inhalt kann man einige Räume ausstatten, um sich von der Handhabbarkeit zu überzeugen und Referenzobjekte zu schaffen, oder man nutzt sie als Muster, um Kunden zu werben“, erklärt von der Herberg. Will ein Händler oder Handwerker die Produkte dann weiterhin verkaufen oder verarbeiten, wird ein Händlervertrag geschlossen.

Noch steht von der Herberg ganz am Anfang seiner Mission. Die etwa 80 m lange und 10 m breite Maschine, die mehrere 1000 Stück Stuck pro Tag produzieren kann, steht an einem geheimen Ort, weil er Nachahmer fürchtet. Denn seine Produkte sind zwar als Geschmacks- und Gebrauchsmuster geschützt und seine Maschine zum Patent angemeldet. Das Verfahren ist aber noch nicht abgeschlossen. Die ursprüngliche Handwerksfirma wurde abgewickelt, die neu gegründete AH Stuck GmbH residiert in einem Gebäude, in dem später auch Büros und Schulungsräume untergebracht werden sollen. Aktuell wird aber nur das Erdgeschoss als Präsentationsfläche genutzt.

Autor

Thomas Schwarzmann ist Redakteur der Zeitschriften bauhandwerk und dach+holzbau.

„Wie man als ausgebildeter Stuckateur Polystyrol verbauen kann, geht mir nicht in den Kopf“

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