Betonsanierung: Mörtel ist nicht gleich Mörtel

Bei der Betoninstandsetzung statisch relevanter Bauteile wurde ein Produkt verwendet, das keinen geeigneten Verwendbarkeitsnachweis aufwies. Damit liegt aus technischer Sicht ein Mangel vor, obwohl das verwendete Material eigentlich geeignet wäre.

Die Sockel von Stützen einer Tiefgarage mussten saniert werden. Nach Abschluss der Betoninstandsetzung rügte der Auftraggeber diverse Mängel. Insbeson­dere wurde beanstandet, es sei ein ungeeigneter Mörtel verwendet worden. Damit stellte sich die Frage, inwieweit der aufgebrachte Instandsetzungsmörtel gegebenenfalls wieder entfernt werden muss.

Feststellung der Schäden

In der Tiefgarage war die Betoninstandsetzung an den Sockeln sämtlicher Stützen ausgeführt worden. Bis zu einer Höhe von etwa 50 cm hatte man die überarbeiteten Bereiche mit einem aufgebrachten Mörtel versehen. Dadurch wiesen die Stützen am Sockel gegenüber dem ursprünglichen Zustand größere Querschnittsabmessungen auf. Der Versatz zwischen dem größeren Querschnitt im Sockelbereich und dem ursprünglichen Querschnitt darüber betrug bei den Stützen umlaufend etwa 3 cm.

Die gesamte Dicke des Instandsetzungsmörtels war im vorgefundenen Zustand nach Abschluss der Beton­instandsetzung nicht mehr ersichtlich. Nach den Un­ter­lagen war jedoch der chloridkontaminierte Bestandsbeton in den Sockelbereichen in unterschied­li­chem Maß entfernt worden. Aus diesem Grund wurden an ausgesuchten Stellen stichprobenartig Bohrkerne entnommen. Diese zerstörenden Prüfungen dienten einerseits dazu, Feststellungen zur Dicke des Instandsetzungsmörtels zu gewinnen. Andererseits wurden die Bohrkerne später noch zur Ermittlung des Chlorid­gehalts bei dem verbliebenen Bestandsbeton verwendet.

Bei den Bohrlöchern sowie anhand der Bohrkerne war ersichtlich, dass die Dicke des Instandsetzungsmörtels zwischen etwa 4 cm und 8 cm lag. Die Grenze zwischen dem Instandsetzungsmörtel und dem Bestandsbeton ist dort deutlich erkennbar. Der ursprüngliche Querschnitt der Stützen war im Rahmen der Betoninstandsetzung teils um mehr als ein Drittel reduziert worden.

Für den verwendeten Instandsetzungsmörtel lag ein bauaufsichtliches Prüfzeugnis vor. Demnach handelte es sich um ein Produkt (Produkt „A“), das der Beanspruchbarkeitsklasse M2 entsprechend der Richtlinie „Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen“ des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton entspricht. Anhand weiterer Unterlagen ergab sich, dass die Rezeptur des verwendeten Produkts „A“ identisch war mit der Rezeptur eines anderen Produkts (Produkt „B“). Für dieses lag ein weiteres bauaufsichtliches Prüfzeugnis vor, gemäß dem das Produkt „B“ die Anforderungen der Beanspruchbarkeitsklasse M3 der Instandsetzungsrichtlinie erfüllt.

Bewertung der Schäden

Die Stützen in der Tiefgarage waren für das Gesamt-Tragwerk relevant. Der Instandsetzungsmörtel muss daher Anforderungen insbesondere auch hinsichtlich der Standsicherheit erfüllen. Zur Beantwortung der Frage, inwieweit ein geeigneter Instandsetzungsmörtel verwendet wurde, muss nach dessen Verwendbarkeit beurteilt werden.

Der verwendete Instandsetzungsmörtel benötigt entweder ein allgemeines bauaufsichtliche Prüfzeugnis oder eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung. Für das verwendete Produkt (Produkt „A“) wurden ein Prüf­zeugnis und ein Übereinstimmungszertifikat vorgelegt. Im allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnis wird die Eignung des Produkts im Hinblick auf die in der Instandsetzungsrichtlinie für den jeweiligen Einsatzzweck vorgegebene Grundprüfung bestätigt. Im Übereinstimmungszertifikat wird die Übereinstimmung des Produkts für jedes Herstellwerk mit den Anforderungen des allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnisses erklärt.

Für das hier verwendete Produkt „A“ wurde so die Übereinstimmung mit der Beanspruchbarkeitsklasse M2 der Instandsetzungsrichtlinie bestätigt. Soweit eine statische Mitwirkung des Mörtels – wie hier bei den tragenden Stützen – erforderlich ist, müssen gemäß der Instandsetzungsrichtlinie jedoch Produkte der Beanspruchbarkeitsklasse M3 verbaut werden. Damit liegt für das verwendete Produkt „A“ kein zutreffender Verwendbarkeitsnachweis vor. Das Produkt „A“ hätte demnach nicht eingebaut werden dürfen. Die Instandsetzung ist in dieser Hinsicht technisch mangelhaft.

Für ein weiteres Produkt „B“ mit gleicher Rezeptur lag ein bauaufsichtliches Prüfzeugnis vor, das die Einhaltung der Anforderungen der Beanspruchbarkeitsklasse M3 der Instandsetzungsrichtlinie bestätigt. Das Produkt „B“ hätte demnach verwendet werden dürfen. Bei der Beurteilung spielt hier also letztlich der Verwendbarkeitsnachweis die maßgebende Rolle, da die Rezeptur beider Produkte identisch ist. Es wurden nur für das Produkt „A“ die für die Beanspruchbarkeitsklasse M3 zusätzlich erforderlichen Prüfungen nicht durchgeführt beziehungsweise bescheinigt.

An dieser Stelle endet die Möglichkeit einer technischen Bewertung und es ist eine rechtliche Prüfung erforderlich. Darf das Produkt „A“ – obgleich laut Prüfzeugnis hier nicht geeignet – dennoch verwendet werden, da es die gleiche Rezeptur wie das laut Prüfzeugnis geeignete Produkt „B“ aufweist? In der Literatur wird bei Einsatz eines ungeprüften Stoffes ein Mangel bejaht, und zwar unabhängig davon, ob ein BGB- oder ein VOB-Bauvertrag vorliegt.

Instandsetzung der Schäden

Die durchgeführte Betoninstandsetzung ist nach der vorgenommenen Beurteilung technisch mangelhaft, weil für den verwendeten Instandsetzungsmörtel (Produkt „A“) kein geeigneter Verwendbarkeitsnachweis vorliegt. Daher sind aus technischer Sicht auch Maßnahmen erforderlich. Weil jedoch die Rezeptur des Mörtels an sich – zum Beispiel in Form des Produkts „B“ – für den Verwendungszweck geeignet ist, stellt sich die Frage, inwieweit der Mangel nachträglich „geheilt“ werden kann.

Zunächst besteht prinzipiell die Möglichkeit einer Zustimmung im Einzelfall. Der dazu erforderliche Aufwand ist jedoch erfahrungsgemäß sehr hoch. Die nachträgliche „Heilung“ des Mangels durch eine Zustimmung im Einzelfall kommt dann in Betracht, wenn der damit verbundene Aufwand voraussichtlich deutlich geringer als der Aufwand für eine erneute Betoninstandsetzung ausfällt. Das traf auf die untersuchte Tiefgarage nicht zu.

Weiterhin besteht gegebenenfalls eine Möglichkeit, den Mangel nachträglich durch einen geeigneten Übereinstimmungs­nachweis zu „heilen“. Entsprechend der Bau­ordnung gilt als Übereinstimmung auch eine Abweichung, die nicht wesentlich ist. Hier wäre unter Einbeziehung des Herstellers wohl überwiegend rechtlich zu klären, ob aufgrund der gleichen Rezeptur für die Produkte „A“ und „B“ nachträglich ein geeigneter Übereinstimmungsnachweis für den verwendeten Instandsetzungsmörtel erstellt werden kann. Der verwendete Mörtel würde dadurch quasi im Nachhinein vom Produkt „A“ zum Produkt „B“ umetikettiert.

Anderenfalls ist es grundsätzlich möglich, die Betoninstandsetzung zu wiederholen. Der verwendete Mörtel wird dabei entfernt und kann anschließend durch einen geeigneten Mörtel mit entsprechendem Verwendbarkeitsnachweis ersetzt werden. Diese Möglichkeit kommt insbesondere dann in Betracht, wenn noch weitere Ausführungsmängel der Betoninstandsetzung zu beheben sind.

Autor
Dr.-Ing. Marc Göbelsmann ist geschäftsführender Gesellschafter der aedicon GmbH sowie öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Schäden an Gebäuden.

Web-Service

Hier finden Sie eine Liste weiterführender Literatur sowie eine detaillierte Herleitung, anhand welcher Regeln und Normen die Verwendbarkeit eines Mörtels beurteilt wird.

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