Restaurierung der Ostfassade des Hexenbürgermeisterhauses in Lemgo

Seinen Namen erhielt das Lemgoer Hexenbürgermeisterhaus vom Hexenjäger Hermann Cothmann, der es Mitte des 17. Jahrhunderts bewohnte. Es ist jedoch ein gutes Jahrhundert älter und zählt zu den bedeutenden Kaufmannshäusern der Renaissance. Jüngst wurde die prächtige Ostfassade restauriert.

Das so genannte Hexenbürgermeisterhaus ist ein ehemaliges Bürgerhaus in Lemgo, das der Stadt schon seit 1926 als Museum dient. In jüngster Zeit kamen zur Stadtgeschichte die Ergebnisse der Bauforschung der letzten umfangreichen Sanierungen und Restaurierungen hinzu, die den historischen Wert des Gebäudes bestätigen: Von 1568 bis 1571 – verbürgt durch Inschriften am Saalkamin und an der Fassade – wurde es nach Plänen des Lemgoer Baumeisters Hermann Wulff für Hermann Kruwel und seine Frau Lisbeth Fürstenau erbaut und zählt heute zu den bedeutenden Baudenkmalen städtischer Architektur der Renaissance im Weserraum. Die Kruwels (auch Crüwell) waren in jenen Tagen eine der einflussreichsten Kaufmannsfamilien in Ostwestfalen. Auf sie als Auftraggeber geht auch das nicht minder bedeutende Crüwell-Haus in Bielefeld zurück.

Museum im Haus des Hexenjägers

Seinen Namen erhielt das Haus jedoch vom Hexenjäger Hermann Cothmann, der es von 1667 bis 1683 als Bürgermeister der Stadt bewohnte und Hexenprozesse noch zu einer Zeit abhielt, als die katholische Kirche die Hexenverfolgung längst aufgegeben hatte. Entsprechend viele Folterinstrumente der hochnotpeinlichen Befragung gibt es im Museum zu sehen. Diese stammen natürlich nicht von Cothmann persönlich, sondern aus dem Nachlass der städtischen Scharfrichterfamilie Clauss beziehungsweise Clausen. Zum Teil handelt es sich aber auch um Nachbauten aus dem 19. und 20. Jahrhundert, die ursprünglich den Eindruck eines „Folterkellers“ erwecken sollten, den es im Haus jedoch nie gab.

Fenster in die Geschichte des Hauses

Wesentlicher für die Geschichte des Umbaus und die der Restaurierung ist die 2007 hinzu gekommene Dauerausstellung zur Geschichte der Stadt Lemgo und zum Haus selbst. Denn dieses ist mit seiner gut erhaltenen inneren Aufteilung mit hoher Diele im Vorderhaus, die schon von Anfang an einen Stubeneinbau auf der rechten Seite hatte, selbst Ausstellungsstück des Museums. Viele bauhistorische Befunde zeigen als „Fenster in die Geschichte“ wie es in den verschiedenen Jahrhunderten im Haus ausgesehen haben muss. So hat man im Zuge der Sanierungs- und Restaurierungsarbeiten auch historische Putz- und Farboberflächen sichtbar gemacht. Bei einem Rundgang durch das Museum kann man also auch die Bau- und Nutzungsspuren entdecken, die 400 Jahre Geschichte am Gebäude hinterlassen hat.

Fassade als Zeugnis vom Streben
nach einem tugendhaften Leben

Vor allem aber weist sich das Haus mit der aufwendigen im Stil der Weserrenaissance gestalteten Ostfassade als bedeutendes Dokument der Architekturgeschichte im Weserraum aus: „Damals konnte kaum jemand lesen und schreiben. Mit der Fassadengestaltung wollte man den Bürgern in der Renaissance etwas mitteilen“, sagt Constance Schröder, Kirchenmalermeisterin und Restauratorin im Malerhandwerk bei der mit den Restaurierungsarbeiten beauftragen Firma Kramp & Kramp. Die überaus prächtige Fassade zeugt nämlich nicht nur vom Vermögen der im wahrsten Sinne des Wortes steinreichen Kaufmannsfamilie Kruwel, sondern legt auch Zeugnis von der tief im christlichen Glauben verwurzelten Gesinnung der Kaufleute ab: Links und rechts vom Portal sind Adam und Eva beim Sündenfall zu sehen. Schaut man sich an der Fassade die weiter außen liegenden beiden Balustraden der Erker an, so sind darauf die christlichen Tugenden dargestellt. „Die Fassade erzählt, wie man leben soll. Letztendlich wird dieses Streben nach einem tugendhaften Leben mit der Darstellung der Christusfigur als Salvator (Erlöser) in der Giebelspitze verdeutlicht“, erklärt Constance Schröder.

Eine Nut über den Gesimsen der Ostfassade

Nicht nur der farbig gefasste Figurenschmuck der Geschichte vom tugendhaften Streben war trotz, oder sogar wegen vorangegangener Sanierungen stark in Mitleidenschaft gezogen, auch die Substanz der Fassade selbst zeigte gravierende Schäden, weshalb 2013 eine umfassende Restaurierung begann. „Unter zwei Lagen Kalkzementputz, die schon ziemlich hart waren, fanden wir eine noch härtere Schicht Zementputz“, erinnert sich Uwe Strehle, Objektleiter im Fachbereich Naturstein und Mauerwerk bei der Firma Kramp & Kramp aus Lemgo. Ein derart harter Putzaufbau verträgt sich natürlich nicht mit dem Naturstein und hatte zu Abschüsselungen und Abplatzungen der Putzschale geführt. Zudem war auf den Gesimsen Wasser in den Putz und das darunterliegende Mauerwerk eingedrungen. Die Gesimse hatte man früher zwar verblecht, jedoch neigt sich die Ostfassade so sehr zurück, dass die eigentlich abschüssigen Gesimsflächen waagerecht sind und das Regenwasser sammeln statt es abzuleiten. „Hier mussten wir eine Lösung finden, die den Putz von der Verblechung trennt“, sagt Uwe Strehle. Nachdem die Handwerker den alten Putz samt der vorhandenen Gesimsverblechungen komplett entfernt hatten, schnitten sie 2 bis 3 cm tiefe und 2 bis 3 cm hohe Nuten zwischen den Gesimsen und dem Mauerwerk in die Außenwände hinein. „Der Spengler hat die neue Bleiverblechung der Gesimse exakt in der Nut aufgebogen, und wir haben darin Bleiwolle mit Presslufthämmern eingestemmt. So steht der Putz nicht auf dem Blech auf und kann daher auch kein Wasser ziehen, wenn welches darauf steht“, erklärt Strehle.

Blei verwendeten die Handwerker auch für die Befestigung der lockeren Fialen auf den Zierschnecken am Rande des abgetreppten Stufengiebels. Hier kam das Blei jedoch nicht als Wolle, sondern als Verguss zum Einsatz. „Die lockeren Fialen haben wir abgebaut, einen Edelstahlgewindestab eingebohrt und den dann kraftschlüssig mit Blei vergossen. Blei ist hierfür besonders gut geeignet, da es weich genug ist, um Bauteilbewegungen auszugleichen“, sagt Uwe Strehle.

Steinergänzungsmasse und Kalkputz für die Fassade

„Darüber müssen die Leute damals ziemlich gestaunt haben“, meint Constance Schröder. Gemeint ist damit die Gliederung der Fassade, aus gegeneinander versetzt angeordneten Fenstergewänden und Halbsäulen als reine Zierelemente ohne tragende Funktion, die ebenso wie die Gesimse aus Buntsandstein bestehen. Wo diese Fehlstellen zeigten und erneuerte werden mussten, arbeiten die Restauratoren im Handwerk mit Steinergänzungsmasse, die sie etwas dicker als den Sandstein auftrugen, damit sie das Material mit Ziehklingen oberflächenbündig auf das Niveau des Natursteins herunterarbeiten konnten, um der Steinergänzungsmasse damit die scharrierte Oberflächenstruktur der Sandsteinelemente zu verleihen. „Den Restauriermörtel haben wir mit Farbpigmenten so aufgearbeitet, dass er im Ton dem Sandstein entspricht“, ergänzt Uwe Strehle. Auf der Fassadenfläche zwischen den Fenstern und Zierelementen führten die Handwerker einen neuen drei­schichtigen Putzaufbau aus: Direkt auf das Bruchsteinmauerwerk trugen sie einen Trass­vorspritzbewurf auf, um dem nachfolgenden Putz die Möglichkeit zu geben, sich richtig auf der Bruchsteinoberfläche zu „verkrallen“. Bei den folgenden Kalkputzschichten handelt es sich um ein natürliches hydraulisches Material. „So ein Putz bindet schneller ab und verträgt sich außerdem mit dem Naturstein besonders gut“, meint Uwe Strehle. Die Putzoberfläche wurde abschließend gefilzt und von den Malern mit Silikatfarbe gestrichen.

Den richtigen Ton getroffen

Auf Silikatfarbe fiel die Wahl, weil eine rein mineralische Farbe auf den Altanstrichen der letzen Farbfassungen, die zum Teil aus Dispersionsfarbe bestehen, nicht gehalten hätte. Überhaupt war die Suche nach der richtigen Farbfassung wesentlich bei der abschließenden Gestaltung der Ostfassade. Umfangreiche Befunduntersuchungen hatten nämlich ergeben, dass die ursprüngliche Farbfassung der Fassade fast monochrom war. Dies gilt sowohl für die Putzflächen als auch für den Fassadenschmuck aus Sandstein. Einzig ausgenommen davon war der figürliche Fassadenschmuck. Das stellte wiederum eine erhebliche Abweichung von der letzten, in den 1960er Jahren extrem bunt ausgeführten Farbfassung dar. „Jetzt lebt die Ornamentik des Fassadenschmucks vor allem von der Plastizität, die von Licht und Schatten hervorgehoben wird“, meint Restauratorin Schröder. Es folgten während der Restaurierungsarbeiten viele Gespräche, Überlegung und auch Bemusterungen auf der Suche nach einer für die Fassade passenden Farbfassung. Das Ergebnis aus den Besprechungen und Bemusterungen bezeichnet die Restauratorin Constance Schröder als: „Farbfassung in Anlehnung an den historischen Befund in Anpassung an den Zeitgeist“. Bunt gestaltet ist nach wie vor der figürliche Fassadenschmuck. Er hebe sich damit deutlich von den farblich eher zurückhaltend gestalteten Zierelementen und der Fläche ab. Die Vertiefungen der muschelförmigen Elemente, mit denen der abgetreppte Stufengiebel geschmückt ist, wurden ebenso wie die Rücklagen der Halbsäulen einen bis zwei Farbtöne dunkler gestrichen als die Grundfarbe, um die Plastizität des Fassadenschmucks und der Zierelemente hervorzuheben.

Neue Fenster in alter Form

Der untere Teil der Fassade ist nicht nur figürlich reich geschmückt, sondern auch durch zahlreiche Fenster geöffnet, die teilweise in zur Straße hin vorgeschobenen Vorbauten sitzen, die man auch „Utlucht“ nennt – was typisch für repräsentative Bauten der Renaissance ist. Am rechten Teil der Fassade sitzt dagegen ein Erker, der sich auf Konsolen stützt. In den unteren drei Geschossen wurde gewohnt. Die drei darüber liegenden Geschosse nutzten die Kaufleute als Lager für ihre Waren, weshalb unter den vergleichsweise kleinen Fenstern von Klappläden verschlossene Öffnungen in der Fassade sitzen. Die Klappläden restaurierten die Tischler in der Werkstatt von Kramp & Kramp. Die größtenteils verrosteten Angeln mussten die Handwerker zuvor aus den Sandsteingewänden stemmen und neue Angeln einsetzen. Diese wurden dann ebenfalls mit Bleiwolle verstemmt.

Deutlich aufwendiger war der Nachbau der historischen Fenster. Aufgrund der Nutzung als Museum sollte das Gebäude nun auch in den Fassadenöffnungen auf der Ostseite einbruchsichere und wärmedämmende Verglasungen erhalten. Diese sind aus insgesamt drei Scheiben aufgebaut: Bei der äußeren Scheibe handelt es sich um Einscheiben-Sicherheitsglas (ESG), das eigentlich aus zwei Scheiben besteht, die über eine Klebefolie miteinander verbunden sind. Die Bleiverglasung – eine Scheibe, die aus kleinen Gläsern besteht, die über Bleistege miteinander verbundenen sind – sitzt in der Mitte und wird auf der Innenseite von einer weiteren Klarglasscheibe geschützt. Diese Verglasung wurde mit einem feststehenden Holzrahmen in die Sandsteingewände der Ostfassade eingebaut.

Nur die beiden Portaltüren müssen noch restauriert werden. Damit ist die Ostfassade des Lemgoer Hexenbürgermeisterhauses nun nicht nur komplett restauriert, sondern auch energetisch und sicherheitstechnisch an eine moderne Nutzung als Museum angepasst.

Autor
Dipl.-Ing. Thomas Wieckhorst ist Chefredakteur der Zeitschriften bauhandwerk und dach+holzbau.

„Eine Farbfassung in Anlehnung an den historischen Befund in Anpassung an den Zeitgeist“

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