Test: Q3-Verspachtelung mit Farbanstrich

Es soll Probleme beim Beschichten von in Q3-Qualität verspachtelten Trockenbauflächen geben. Unter bestimmten Bedingungen löst sich nämlich der applizierte Farbanstrich mit aufgeklebten Klebefilmstreifen ab. Hierzu hat sich vor kurzem ein Expertenteam getroffen und herausgefunden, was in Sachen Haftfestigkeit funktioniert und was nicht.

Unterlegt wurde das Problem der Farbablösung mit Laborversuchen, die belegten, dass Q3-Flächen, die mit Gipsspachtelmassen hergestellt wurden, auch bei fachgerechter Grundierung mit aufgeklebten Klebefilmstreifen zur Farbanstichablösung führen. Wo man sich umhörte, jeder hatte es gelesen, überall wurde herumgefragt, „kennst du das Problem auch?“ Bei Malern, bei Trockenbauern, Sachverständigen und Verbandsexperten entstand eine deutliche Verunsiche­rung. Mittlerweile melden Maler schon prophylaktisch Bedenken an, wenn sie eine Q3-Fläche beschichten sollen, die vermeintlich mit einer Gipsspachtelmasse erstellt wurde.

 

Farbablösung unter Klebestreifen nach Entfernung von Plakaten

Auslöser war ein Fall in Bayern, wo in einem Objekt im Rahmen der Nutzung Plakate mit Klebestreifen auf Wände geklebt und diese natürlich auch wieder abgezogen wurden. Dabei löste sich die Farbbeschichtung in diesem Bereich komplett vom Untergrund. Die Untersuchung ergab, dass als Untergrund eine in Q3 verspachtelte Gipsplattenfläche vorlag und als Spachtelmasse eine Gipsspachtelmasse verwendet wurde. Der Maler bestätigte, dass er fachgerecht grundiert hatte. Diese Situation wurde im Labor nachgestellt und siehe da, es bestätigte sich das Ergebnis. Schlussfolgerung: Mit Gipsspachtelmassen kann und sollte man keine Q3-Verspachtelung durchführen. Nur Dispersionsspachtelmassen seien geeignet.

 

Fragen über Fragen – die Expertenrunde gibt Antwort

Jetzt stellt sich dem Fachmann sofort die Frage, was ist denn eine Gipsspachtelmasse? Spachtelmassen die Gips enthalten, oder solche die komplett aus Gips bestehen, oder sind es solche, die eine spezielle Gipssorte enthalten? Was ist mit Kunststoff modifizierten Spachtelmassen, spielt die Abbindezeit eine Rolle oder auch die Verarbeitung? Dann fragt sich der Fachmann, ob denn auch die Grundierung Einfluss haben könnte? Ist es ein wässriger Tiefgrund, eine Standardgrundierung oder eine pigmentierte Grundierung für Farbanstriche? Nicht zuletzt fragt man sich, wie denn nachgewiesen werden konnte, ob überhaupt grundiert wurde? Fragen über Fragen, die die Untersuchung des Falles nicht beantworten konnte. Um Antworten auf diese Fragen zu bekommen, traf sich zum Zweck der Beurteilung extra angefertigter Testflächen im Technikum Spachtelmassen der Knauf Gips KG in Iphofen eine Expertenrunde. Die Fachleute gingen der Problematik gemeinsam nach und führten vergleichende orientierende Tests zur Beurteilung der Haftfestigkeit von Beschichtungen auf in Q3-Qualität verspachtelten Gipsplattenflächen (Standard-Gipskarton-Bauplatten) durch.

 

Variation der Spachtelmassen, Grundierungen und Farben

Es wurden dabei typische Produkte mehrerer Hersteller eingesetzt. Gipsspachtelmassen ohne und mit Kunststoff-Modifikation (Anteil von Dispersionspulver als Zweitbindemittel), sowie pastöse Spachtelmassen (Dispersionsspachtelmassen). Alle gespachtelten Flächen wurden ganzflächig geschliffen.

Als Grundiermittel fanden Verwendung: ein wässriger Hydrosol-Markentiefengrund, ebenso ein Billig-Pendant (Handelsmarke) aus dem Baumarkt sowie eine pigmentierte Marken-Grundierfarbe. Für die
Beschichtung wählte man Markendispersionsfarben der Abriebklassen 3 und 1 sowie ein Billigprodukt. Die Tests wurden im Spachteltechnikum der Firma Knauf unter baustellenüblichen Bedingungen an Wandflächen aus Gipskartonplatten durchgeführt. Verspachtelt wurden Fugen und Fläche in Q3-Qualität, mit dem jeweiligen zu testenden Spachtelmaterial für die flächige Q3-Verspachtelung. Die Trocknungszeiten entsprachen den idealen Anforderungen. Vier Wochen nach der Farbapplikation hat man mit verschieden Testklebestreifen (Tesaband 4651, Tesakrepp 4331, Tesafilm glasklar) die Abreißtests auf den scharf mit Spachtelmasse abgezogenen Flächen durchgeführt.

 

Ohne Grundierung geht (fast) nichts

Was hat sich dabei gezeigt? Gipsspachtelmasse ist nicht gleich Gipsspachtelmasse und Grundierung ist nicht gleich Grundierung. Aber auch, dass ohne Grundierung fast nichts sicher geht.

Fachleute wissen, dass man Trockenbauflächen vor dem Farbanstrich fachgerecht grundieren muss (BFS-Merkblatt 12, Merkblatt 6 BV-Gipsindustrie). Auch wenn sich bei dem Test herausgestellt hat, dass es bei der Verwendung von bestimmten Spachtelmassen unter Umständen auch ohne Grundierung funktioniert – die notwendige Sicherheit auch bei ungünstigeren Bedingungen liefert nur die fachgerechte Grundierung mit geeigneten Grundiermitteln.

 

Ein differenziertes Ergebnis: was funktioniert und was nicht

Bei dem Test hat sich gezeigt, dass Q3-Flächen mit Qualitäts-Gipsspachtelmassen mit Kunststoff-Modifizierung beste Ergebnisse in Bezug auf die Haftfestigkeit liefern, bei allen Testvarianten. Es hat sich weiterhin herausgestellt, dass Qualitätsgipsspachtelmassen ohne Kunststoff-Modifizierung und ohne Grundierung mangelhafte Ergebnisse liefern, mit wässrigem Marken-Hydrosolgrundiermittel vorbehandelt aber hervorragende Haftergebnisse möglich sind. Ebenso hat sich gezeigt, dass verarbeitungsfertige Dispersionsspachtelmassen, die für diesen Einsatz konzipiert sind, immer sehr gute Haftwerte ergeben. Es ist aber auch deutlich herausgekommen, dass nicht jede Grundierung funktioniert. So zeigte sich eindeutig, dass ein Billig-Tiefengrund bei unmodifizierten Gipsspachtelmassen meist nicht funktioniert. Dies ließ sich aber unschwer damit erklären, dass, wie die Analyse zeigte, der Billigtiefengrund nur die Hälfte des Feststoffgehaltes (Bindemittel) enthielt als der Marken-Tiefengrund. Von Nichts kommt eben Nichts. Ähnlich einzustufen sind die teilweisen Haftschwächen der Billig-Dispersionsfarbe. Die Markenprodukte verhielten sich vorbildlich. Die pigmentierte Grundierfarbe ergab bei reinen Gipsspachtelmassen leichte Schwächen beim Abzugstest.

 

Die Testergebnisse im Überblick

Fasst man die Ergebnisse im Grundsatz zusammen, so lässt sich feststellen, dass eine fachgerechte Anwendung von Spachtelmasse, Grundiermittel und Dispersionsbeschichtungsstoff immer zu einem guten Ergebnis führt. Es zeigt sich, was erfahrene Fachleute wussten, dass hochwertige kunststoffmodifizierte Gipsspachtelmassen (in der Regel solche, die auch zum Verspachteln ohne Armierungsstreifen freigegeben sind) bessere Haftwerte liefern als unmodifizierte Gipsspachtelmassen, wenn nicht grundiert wird. Und zu guter Letzt zeigt sich, dass die von den Herstellern von Spachtelmassen und Beschichtungsstoffen empfohlenen Marken-Grundierungen sehr gut funktionieren, zu billig formulierte aber eben nicht. Wenn auch nicht Bestandteil des Tests, lässt sich daraus auch ableiten: ein Schluck Tiefengrund in die Farbe gegossen, macht aus der Dispersionsfarbe kein geeignetes Grundiermittel.

Man kann grundsätzlich davon ausgehen, dass Q3 verspachtelte Oberflächen für den üblichen Gebrauch geeignet sind. Wichtig ist in jedem Fall eine fachgerechte Ausführung der Trockenbau- und Malerarbeiten inklusive der Grundierung.

Die Versuchsergebnisse gelten selbstverständlich nur für die eingesetzten Produkte und Arbeitstechniken, können jedoch aufgrund der Vielzahl der getesteten Spachtelprodukte eine gewisse Repräsentanz beanspruchen. Natürlich ist auch in Zukunft immer mal mit einem derartigen Problem zu rechnen. Leider ist die Ursache oder der Verursacher nicht immer sicher nachweisbar. Es ist jedoch wichtig zu wissen, dass über Jahre und Jahrzehnte bewährten Systeme sicher funktionieren. Für Fachleute beruhigend aber irgendwie auch selbstverständlich.

 


Autoren


Dr. Claus Peter Berneth (Knauf Gips KG), Heinrich Bartholemy (BV Farbe Gestaltung Bautenschutz), Ralf Wagner (BV Ausbau und Fassade, Mitglied im internationalen Sachverständigen-Kreis, ö. b. v. Sachverständiger für Trockenbau) und Holger Haring (ö. b. v. Sachverständiger, Maler- und Lackiererhandwerk).

Mit Qualitäts-Gipsspachtelmassen mit Kunststoff-Modifizierung werden beste Ergebnisse in Bezug auf die Haftfestigkeit erreicht

Testergebnisse und Teilnehmer

Hier finden Sie eine Tabelle mit den Testergebnissen sowie eine Auflistung der Teilnehmer des Test mit ihrer jeweiligen Funktion als PDF zum Download.

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