Wärmedämmung als Gestaltungsaufgabe
Ergebnisse des Forschungsprojektes WDVS-Modulation zu dreidimensional verformter Wärmedämmung an Fassaden

Im Hinblick auf eine  Bestandsfassade wurden Wege erarbeitet, gestalterische Aussagen mit der Nutzung von Wärmedämmverbundsystemen zu verbinden. Das abgeschlossene Forschungsprojekt WDVS-Modulation befasste sich mit den Eigenschaften der dreidimensional verformten Wärmedämmung an der Fassade.

Moderne Systeme zur Wärmedämmung bieten derzeit nur beschränkten Spielraum für eine individuelle Gestaltung. Gleichzeitig werden sie in Zukunft allerdings eine noch wichtigere Rolle spielen, da die gesetzlichen Vorgaben und technischen Rahmenbedingungen bei der Anwendung individuell gefertigter Lösungen immer schwerer zu beherrschen sind. Somit wird die notwendige energetische Umrüstung der Gebäude das Gesicht unserer Städte grundlegend und in einem nie dagewesenen Ausmaß verändern. Dieser schleichende Prozess birgt das Risiko, dass der Charakter des Stadtbildes vielerorts in Beliebigkeit verwandelt wird.

Das Forschungsprojekt WDVS-Modulation

Das vom Bundesbauministerium im Rahmen der Initiative Zukunft Bau geförderte Forschungsprojekt WDVS-Modulation begreift die energetische Ertüchtigung der Gebäudehülle deshalb nicht nur als Ingenieurleistung, sondern auch als gestalterische Aufgabe und Chance.

Im Hinblick auf ein konkretes Untersuchungsobjekt wurden Wege erarbeitet, gestalterische Aussagen mit der Nutzung von WDV-Systemen zu verbinden. Dabei ging es nicht um ein „Aufhübschen“ der vorhandenen Systeme, sondern um eine Weiterentwicklung von deren ästhetischen Potentialen und Konsequenzen.

Die meisten Versuche der architektonischen Gestaltung von WDV-Systemen scheitern am Versuch, geputzte Massivbauoberflächen nachzuahmen. Bereits die technischen Gegebenheiten des Materials verhindern eine entsprechende Analogie. Putzkörnungen sind nur relativ grob möglich, da sich das System ansonsten zu stark aufheizt und zu Rissen neigt. Putzfaschen und ähnliche Gliederungsformen kann man wegen der hohen Feuchteempfindlichkeit von WDV-Systemen nur innerhalb sehr enger Grenzen ausführen. Selbst die Wahl der Farbigkeit ist aufgrund der einzuhaltenden Helligkeitsbezugswerte eingeschränkt.

Dämmstoffdicke passt sich ungleichem Wärmedurchgang an

Das im Rahmen des Forschungsvorhabens verfolgte Konzept setzte daher nicht beim Putz an, sondern bei der darunter liegenden Wärmedämmung. Deren Eigenschaften kommen einer Bearbeitung durchaus entgegen: Ihrer Verformung steht nichts im Weg, sofern man waagrechte Flächen und die daraus resultierende Feuchteproblematik vermeidet. Würde die Dämmung dreidimensional modelliert, so würde die Oberfläche des Hauses zu einer gestaltbaren Ebene, die wesentlich subtilere Abstufungen zuließe, als man sie vom Massivbau her kennt. Statt auf die Nachahmung massiver Putzbauten setzte das Forschungsprojekt auf eine ästhetische Lösung, die sich aus den Qualitäten des WDV-Systems entwickelt. Es versuchte nichts weniger, als dessen Funktion innerhalb der Fassadengestalt ablesbar zu machen. Ausgangspunkt für die daraus folgenden Überlegungen war der unterschiedliche Wärmedurchgang verschiedener Bauteile einer Bestandsfassade. Wird die Dimensionierung des Dämmstoffs den ungleichen Wärmedurchgangskoeffizienten angepasst, entsteht eine Modulation der Oberfläche, die sich aus den unterschiedlichen thermischen Zuständen der Gebäudehaut ableitet. Hierfür berechnete ein Computerprogramm auf der Basis von thermografischen Aufnahmen Wärmedurchgänge und Mängel in der thermischen Hülle, Temperaturverteilungen und Wasserdampfdiffusionsströme des Gebäudes und simulierte diese in einem dreidimensionalen Modell. Grundsätzlich ließe sich diese vom Wärmedurchgang durch die Fassade abgeleitete Modulation bereits als Relief des Dämmstoffs wiedergeben. Allerdings wären die dabei entstehenden Flächen zweifach gekrümmt und daher könnte man sie nur mit einem aufwendigen Fräsprozess herstellen. Zudem hätte man das Problem, dass es bisher keine dreidimensional verformbaren Putzgewebe gibt. Das Forschungsprojekt untersuchte daher Modulationen, die einerseits ausgehend von dem beschriebenen Modell den Wärmedurchgang abbilden, andererseits aber eine einfachere Fertigung versprechen.

Erste erfolgreiche Modulation, die man verputzen konnte

Eine Versuchsreihe zur Variation des „Urmodells“ beschäftigte sich mit der Übersetzung der Ausbuchtungen in „Höhenschichtlinien“. Hierbei entstand ein aus vergleichsweise dünnen EPS-Platten gefertigtes Modell. Die Zahl der Platten, die notwendig sind, um die entsprechende Amplitude abzubilden, wurden in verschiedenen Auflösungen untersucht. Nachteil dieser Vorgehensweise war, dass sich vergleichsweise viele horizontale Stellen ergeben, die bautechnisch schwierig zu beherrschen sind. Eine grundlegend andere Möglichkeit der Umsetzung baut die Wölbungen nicht schichtweise auf, sondern schneidet sie den Höhenlinien folgend aus dem Material heraus. Wird die Schnittführung hierbei waagrecht ausgerichtet, so entsteht ein komplett neues Bild, auch dieses Modell aber weist vergleichsweise viele waagrechte Flächen auf. Senkrechte Schnitte vermeiden das Problem, je nach Auflösung ergeben sich aber relativ schwierig zu bearbeitende Übergänge. Eine vierte Variante besteht in der so genannten Triangulation. Die gewölbten Flächen werden in Dreiecke aufgelöst und bilden so überwiegend glatte Ebenen, die mit Gewebe überzogen werden können und einen homogenen Übergang zum jeweiligen Nachbarteil aufweisen. Grundsätzlich ließe sich die Triangulation je nach Auflösung auch in standardisierte Dreiecksformen zerlegen, die eine solche Modulation im Idealfall ohne Verschnitt herstellbar machen würden.

Handwerkliche Umsetzung

Die Simulation des Wärmedurchgangs wird so zur Grundlage variantenreicher Entwurfsmöglichkeiten. Es entsteht nicht nur ein völlig neues Erscheinungsbild von Fassaden, sondern zugleich eine Einsparung von Ressourcen, da stets nur so viel Dämmung eingesetzt wird, wie an der jeweiligen Stelle nötig ist. So nimmt die Funktion des WDV-Systems Gestalt an. Nach Fertigung der Dämmstoffblöcke müssen diese, wie auch bei herkömmlichen WDV-Systemen, am Gebäude fixiert, armiert und verputzt werden. In den Verarbeitungsversuchen wurden verschiedene Modelle mit unterschiedlichen Methoden verputzt, um eine technische wie auch gestalterische Verifikation zu gewährleisten. Bei Verwendung geeigneter Werkzeuge und Materialien konnte auch hier das gewünschte Ergebnis erzielt werden. Insbesondere an die handwerkliche Ausführung werden dabei höhere Anforderungen gestellt als bei konventionellen Systemen. Diese kann man jedoch mit entsprechend qualifizierten Handwerkern als umsetzbar ansehen.

Autorin

Faraneh Farnoudi leitete das Forschungsprojekt WDVS-Modulation im Architekturbüro Hild und K in München.

Wird die Dicke des Dämmstoffs dem ungleichen Wärmedurchgang angepasst, entsteht eine Modulation der Oberfläche

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