Nach Brand beim Nachtanken eines Notstromaggregats: Firma investiert massiv in Arbeitsschutz
Obwohl die Zahl der meldepflichtigen Arbeitsunfälle seit Jahren rückläufig ist [1], kommt es immer wieder zu berufsbedingten Unglücken. Ein solches ereignete sich im August 2024, als es beim Nachtanken eines Notstromaggregats zu einem Brand kam und ein Beschäftigter schwere Brandverletzungen erlitt. Dieser Unfall hat den Geschäftsführer des Unternehmens dazu bewogen, andere Betriebe für Gefährdungen am Arbeitsplatz zu sensibilisieren und Lösungen zur Vermeidung aufzuzeigen.
Der 12. August 2024 war ein heißer Sommertag mit einer Außentemperatur von fast 28°C. Ein in heller Montur gekleideter Mitarbeiter von Graffitti-ex (Dresden) hatte mit der Entfernung eines Graffitis begonnen, als sein Notstromaggregat ausfiel. Dieser benzinbetriebene Stromerzeuger ist immer dabei, um auf kleinen, temporären Baustellen beispielweise Steuerungstechnik, Druckwasserpumpen, Hochdruckreiniger etc. zu betreiben. Mitten in der Arbeit fiel er jedoch aus: Benzinmangel.
Beim Nachtanken des Notstromaggregats aus einem Benzinkanister kam es zur Verpuffung und im Innenraum des Fahrzeugs brach ein Brand aus
Foto: Torsten Höhne
Der Handwerker stieg daher zum Nachtanken in seinen Transporter – und während er den Kraftstoff aus einem 5-Liter-Reservekanister nachfüllte, kam es zu einer Verpuffung und einer Stichflamme, die auf den Innenraum des Fahrzeugs übergriff. Die Ausbreitung des Brands konnte zwar durch den im Transporter mitgeführten Feuerlöscher verhindert werden. Durch die entstandene Hitze zog sich der Mann jedoch Verbrennungen 2. und 3. Grades an der linken Hand und beiden Unterschenkeln zu
Beteiligung der Behörden
Die Feuerwehr übernahm die Begutachtung des Brandherdes, die Polizei nahm den Arbeitsunfall auf und informierte bereits am selben Tag das Referat 52 Gefahr-, Biostoffe, Gefahrgut der Landesdirektion Sachsen in Bautzen. Diese Abteilung der Behörde nimmt die Aufgaben des staatlichen Arbeitsschutzes für den Freistaat Sachsen wahr und überwacht die Einhaltung der Vorschriften des technischen, medizinischen und sozialen Arbeitsschutzes und der technischen Sicherheit. Das Referat 52 wiederum ist u.a. für die Überwachung des betrieblichen Umgangs mit Gefahrstoffen hinsichtlich der davon ausgehenden Gesundheitsgefahren sowie des Brand- und Explosionsschutzes zuständig.[1]
Nach Akteneinsicht wurde die Behörde bei Graffitti-ex vorstellig und führte auf Grundlage §22 ArbSchG (Befugnisse der zuständigen Behörden) eine Kontrolle zur Organisation und Umsetzung des Arbeitsschutzes durch. Zusätzlich wurde auch die zuständige Berufsgenossenschaft (BG Bau) in Kenntnis gesetzt, die für eine optimale Behandlung des Versicherten Sorge trug.
Erfahrungen mit anderen teilen
„In meinem Betrieb soll es nicht noch einmal zu einem Arbeitsunfall kommen, denn bei Brandverletzungen erleiden die Betroffenen unvorstellbare Schmerzen. Anhand unseres Beispiels möchte ich andere Betriebe, die ähnlich arbeiten wie wir, für die Risiken sensibilisieren und eine Lanze für den Arbeitsschutz brechen“, berichtet Torsten Höhne, Geschäftsführer von Graffitti-ex und Arbeitgeber des Verunfallten. „Bei der Kontrolle durch die Landesdirektion Sachsen habe ich viel dazu gelernt. Nach Umsetzung der von der Behörde aufgestellten Forderungen konnte die Sicherheit am Arbeitsplatz deutlich erhöht werden.“
Nachtanken mit Netz und doppeltem Boden
Beim Nachtanken von tragbaren Stromerzeugern kommt es immer wieder zu Brandunfällen [2], [3]. Direkt nach dem Unfall und noch vor dem Kontrolltermin der Landesbehörde beschaffte Graffitti-ex daher für sämtliche Benzinkanister spezielle Sicherheitsauslaufrohre mit automatischem Füllstop. „Die Füllstutzen müssen seither von den Mitarbeitern benutzt werden, weil sie ein gefahrloses Betanken der Notstromaggregate ermöglichen. Selbst beim Drehen des Kanisters verhindern sie ein Verschütten oder Überfüllen von Kraftstoff. Ich wünschte, mir wäre dieses Hilfsmittel schon früher bekannt gewesen“, fasst Torsten Höhne seine Erfahrungen zusammen.
Um sicherzugehen, dass die Einfüllstutzen auch tatsächlich genutzt werden, hat er die Nutzung in der Betriebsanweisung vorgeschrieben. Aber damit nicht genug: Die Stromerzeuger dürfen nur in kaltem Zustand, idealerweise morgens zu Arbeitsbeginn, befüllt werden. Sollte der Sprit zwischendurch ausgehen, muss das Gerät vor dem Nachtanken wenigsten 30 Minuten ausgestellt werden und abgekühlt sein.
Maßnahmen für mehr Arbeitssicherheit
Nach der Inspektion der Landesdirektion Sachsen wurden die im Chemikalienlager von Graffitti-ex gelagerten Behälter deutlich gekennzeichnet und – wo noch nicht geschehen – in Rückhaltevorrichtungen untergebracht
Foto: Torsten Höhne
Ungeachtet der freiwillig ergriffenen Maßnahmen kam eine Liste weiterer Vorgaben hinzu, die durch die Landesdirektion Sachsen nach der Begehung des Betriebs aufgestellt wurde.
- Gemäß §5 Arbeitssicherheitsgesetz in Verbindung mit §2 Absatz 1 DGUV Vorschrift 2 musste eine sicherheitstechnische Betreuung des Betriebs organisiert werden. Bis dato war die Aufgabe nicht eindeutig geregelt – obwohl das Unternehmen seit Langem mit einem externen Sicherheitsberater zusammenarbeitet. Nach Aufforderung der Landesdirektion Sachsen entschied sich Torsten Höhne für das Unternehmermodell für Betriebe bis maximal 50 Beschäftigte. Nach einer entsprechenden Fortbildung bei der BG Bau hat er die Betreuung seines Unternehmens selbst in die Hand genommen und trägt dafür die Verantwortung.
- Das von der Behörde reklamierte Rolltor nahm mehr Zeit als ursprünglich von der Landesbehörde anberaumt in Anspruch. Da eine CE-Kennzeichnung fehlte, musste es mit sofortiger Wirkung stillgelegt und erneuert werden. Die benötigte Zustimmung des Vermieters verlängerte das Vorhaben. Graffitti-ex musste bei der Behörde daher schriftlich um eine Verlängerung der Umsetzungsfrist bitten.
- Es wurde eine nicht ausreichende Zahl an geprüften Feuerlöschern festgestellt. Deren Anzahl und Art ist im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung (§3 Verordnung über Arbeitsstätten (ArbStättV)) zu ermitteln, instandzuhalten und regelmäßig auf Funktionsfähigkeit prüfen zu lassen (§ 4 ArbStättV). Nach der Fortbildung im Rahmen des Unternehmermodells setzte Torsten Höhne die Forderung um und installierte zahlreiche weitere Feuerlöscher in seinem Betrieb und stattete die Firmenfahrzeuge mit jeweils 2 Stück aus.
- Das Gefahrstofflager war ein umfangreicher Kritikpunkt der Landebehörde. Die dort gelagerten Behälter waren nicht ausreichend beschriftet, es fehlten Rückhaltevorrichtungen sowie Vorrichtungen für Um- und Auffülltätigkeiten. Säuren und Laugen wurden nicht voneinander getrennt aufbewahrt, es fehlten Schutzmaßnahmen für die Lagerung brennbarer Flüssigkeiten. Außerdem hingen die Betriebsanweisungen nicht aus, die Handlungsmaßnahmen für die Beschäftigten enthalten. Darüber hinaus war der Boden des Chemikalienlagers defekt, eine ausreichende Lüftung des Lagerraums war nicht gegeben und die Waschbecken entbehrten jeder Hygiene. Auch diese Punkte wurden in der von der Landesdirektion Sachsen nach Verlängerung gesetzten 6-montigen Bearbeitungsfrist erledigt. Der Boden des Gefahrstofflagers wurde chemikaliendicht versiegelt und eine zusätzliche Ventilation eingebaut. Für die Lagerung der üblicherweise in Kleingebinden befindlichen Gefahrstoffe hat das Unternehmen zudem Auffangwannen aus verzinktem Stahlblech angeschafft.
Aus Verpuffungsunfall gelernt
Zusätzlich zu den Forderungen der Landesbehörde Sachsen, das Chemikalienlager vorschriftsgemäß umzurüsten, hat Torsten Höhne die regelmäßigen Arbeitsschutzunterweisungen um den Umgang mit Gefahrstoffen und Brandschutz im Betrieb erweitert
Foto: Torsten Höhne
Neben den behördlichen Forderungen hat Torsten Höhne zusätzliche Maßnahmen ergriffen. Die seit Langem im Unternehmen etablierten, alle zwei Monate stattfindenden Arbeitsschutzunterweisungen seines Teams wurden intensiviert: Aufgrund der jüngsten Erfahrungen hat er den Themenplan noch einmal erweitert und u.a. um den Umgang mit Gefahrstoffen und Brandschutz im Betrieb ergänzt. Dieses freiwillige Engagement kam bei der Landesbehörde gut an, zeugt es doch von der Auseinandersetzung des Arbeitgebers mit den beruflichen Risiken seiner Arbeitnehmer.
Außerdem hat er für seine Mitarbeiter zwei Schulungen zur Pflicht gemacht: Bei einem eintägigen Erste-Hilfe-Kurs bei den Johannitern erlernen sie allgemeine Grundlagen, das Verhalten und Vorgehen am Notfallort. Die zweite Schulung dient der Ausbildung der Beschäftigten von Graffitti-ex zum Brandschutzhelfer gemäß den Vorgaben der DGUV Information 205-023 und der ASR A2.2 (Maßnahmen gegen Brände).
„Aus gegebenem Anlass möchte ich sicher sein, dass sich jeder Mitarbeiter im Fall eines Brand selbst helfen kann, ohne sich und andere in Gefahr zu bringen. Der fachgerechte Umgang mit einem Feuerlöscher ist dabei genauso wichtig wie das richtige Verhalten bei Ausbruch eines Feuers. Insgesamt ist die Akzeptanz für betrieblichen Brandschutz bei allen deutlich gestiegen. Damit es so bleibt, wird die Schulung in regelmäßigen Abständen wiederholt“, berichtet Torsten Höhne.
Autorin
Dipl.-Ing. Sabine Anton-Katzenbach ist Textil-Veredlungsingenieurin und Inhaberin der Textilberatung Hamburg. Sie arbeitet als Beraterin und Journalistin.
Quellenhinweise
[1] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/6051/umfrage/gemeldete-arbeitsunfaelle-in-deutschland-seit-1986/
[2] https://www.lds.sachsen.de/?ID=4092&art_param=365
[3]Julian Park: Mobile Stromerzeugungsaggregate und der Brandschutz – Maßnahmen zur Reduzierung des Risikos, Schadenprisma Heft 3/2023, [4] Stephan Burkhardt: Brandgefahr beim Betrieb von tragbaren Stromerzeugern, Fachinformation des Deutschen Feuerwehrverbands vom 26. April 2004