Graffitti-ex und Thoralf Hase Fassadenreinigung haben den Original-Fußboden der Ernemann Werke freigelegt

Nachdem in der Museumswerkstatt der ehemaligen Ernemann Werke in Dresden der alte Nadelfilz-Belag herausgerissen worden war, blieb eine 150 m² große, mit Klebstoff überzogene Fläche zurück. Die Unternehmen Graffitti-ex und Thoralf Hase Fassadenreinigung legten den Original-Fußboden frei.

Dresden stand seit Ende des 19. Jahrhunderts im Mittelpunkt der filmgebenden Techniken. In den seinerzeit weit über die Landesgrenzen berühmten Ernemann Werken wurden Film- und Fotokameras, Kinoprojektoren und Zielgeräte für eine internationale Kundschaft hergestellt. Aufgrund der großen Nachfrage musste die Fabrik an der Schandauer Straße mehrmals erweitert werden. In den Jahren 1922 bis 1923 entstand nach den Entwürfen des Architekten Emil Högg und des Bauingenieurs Richard Müller eine dreiflügelige Anlage mit einem Eckrisaliten. Dieser Vorbau wurde siebengeschossig mit einem dreigeschossigen Turm und einem zweigeschossigen, runden Kuppelbau gebaut und zählt mit seiner Höhe von 48 m zu einem der ersten Hochhäuser in Deutschland. Der Gebäudekomplex wurde in einer zur damaligen Zeit innovativen Stahlbetonbauweise im Stil der „Neuen Sachlichkeit“ errichtet: In den Innenräumen ermöglichten versetzt angeordneten Säulen eine großzügige, wenig unterbrochene Flächenaufteilung. Die in die Raster des Stahlbetonskeletts eingefügten Fenster sorgten für eine hohe Lichtausbeute. Dank der optimalen Bedingungen wurde der Gebäudeteil bis zur Aufgabe der industriellen Produktion durch die VEB Pentacon beziehungsweise das Kombinat VEB Carl Zeiss Jena im Jahr 1990 für die Kamera-Fertigung genutzt.

Ungeplante klebrige Rückstände

Danach ging der Bau an die sächsische Landeshauptstadt über, die mit den Technischen Sammlungen Dresden dort ein Museum unterbrachte. Seither werden die Flächen in dem Industriedenkmal für Ausstellungen genutzt und beherbergen auch die Museumswerkstatt. Diese musste allerdings im Frühjahr 2020 umziehen, da der Raum in die zukünftige Ausstellung „Fenster der Wissenschaften“ eingebunden werden soll.

Nach der Verlegung der Maschinen sollte der vor zehn Jahren verlegte, einfache Messebau-Bodenbelag aus der ehemaligen Werkstatt herausgerissen werden, was sich als ungeplanter Startschuss für eine Komplettsanierung der originalen Fliesen entpuppte. Zwar hatte sich der Nadelfilz ohne größere Widerstände abziehen lassen, nicht jedoch der Klebstoff. Er war als dicke Schicht zurückgeblieben, die eine Fläche von 150 m² überzog.

Geplanter Erhalt von historischer Patina

Mit der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands des Bodens wurde das Dresdner Unternehmen Graffitti-ex beauftragt, das die Arbeiten in Kooperation mit Thoralf Hase Fassadenreinigung (Dresden) durchführte.  Die Aufgabe bestand darin, den Klebstoff zu entfernen und die Fliesen von einer jahrzehntealten Schmutzschicht zu reinigen. Die schwer entfernbare Patina sollte hingegen erhalten bleiben. Sie geht unter anderem auf die Zeit der VEB Pentacon zurück, als Lackierautomaten und Trockenöfen in dem Raum standen. Die verhärteten Farb- und Lackreste sollen als Zeitzeugen in das Museums- und Ausstellungskonzept eingebunden werden. Dabei mussten die Handwerker wie bei einer Ausgrabung vorgehen, bei der Schicht um Schicht freigelegt wird.

Sauer auf Teppichklebstoff

Die Reinigungsarbeiten in der ehemaligen Museumswerkstatt verliefen in mehreren Arbeitsschritten. In der ersten Phase testeten die Experten auf einer kleinen Probefläche das optimale Vorgehen und die geeigneten Mittel; diese sollten eine hohe Löslichkeit gegenüber dem Klebstoff  haben. Aufgrund des laufenden Museumsbetriebs sollten sie außerdem möglichst geruchsarm sein und vor allem die Struktur des ursprünglichen, unter der Leimschicht verborgenen Bodens und seiner Patina erhalten. Nachdem das Verfahren klar war, wurde die „Baustelle“ in Phase Zwei für die wasser- und chemikalienbasierten Tätigkeiten vorbereitet und die Wände und Säulen mit Folie abgehängt. Aus Gründen des Arbeitsschutzes stellte man zudem eine leistungsfähige Absaugvorrichtung auf, mit der die gebrauchte Luft aus dem Innenraum nach draußen abgeführt werden konnte. Im nächsten Schritt gingen die Fachleute an die abschnittsweise Entfernung des Teppichklebers. Dafür trugen sie maschinell eine gleichmäßige Schicht eines pastösen, leicht sauren Langzeitabbeizers auf. Die Lösemittel entweichen relativ langsam; in Zusammenhang mit der Belüftung führen sie zu einer geringen Geruchsbelastung im gesamten Gebäude und belasten die Mitarbeiter nicht unnötig. Aufgrund der langen Standzeit konnte es außerdem 24 Stunden auf den Flächen verbleiben, wodurch eine vollständige Durchdringung der Klebstoffschichten gelang.

Spachteln, seifen, scheuern

Nach einer mehrstündigen Einwirkzeit wurde der bräunliche Mix aus Abbeizer und gelöstem Teppichkleber bahnenweise von den bearbeiteten Flächen abgespachtelt. Die Pampe wurde in Sammelbehälter gegeben und zur fachgerechten Entsorgung gebracht. Im nächsten Arbeitsschritt mussten die verbliebenen Reste des Abbeizers mit Wasser abgewaschen werden. Hierzu wurde ein Hochdruckreinigungskrake mit Vakuumsauger eingesetzt. Nach der ersten Nassbehandlung war bereits der ursprüngliche Boden zu erkennen. In den rutschhemmenden, genoppten Fliesen hatte sich jedoch der Schmutz vieler Jahrzehnte festgesetzt, weshalb anschließend eine Grundreinigung durchgeführt wurde. Dazu fuhren die Experten die Fläche mehrmals mit einer Einscheibenmaschine mit Mikrofaserpads und einem leistungsfähigen Steinreinigungsmittel für Granit ab und reinigten die Fliesen danach noch einmal mit der Hochdruckreinigungskrake. Im letzten Arbeitsgang wurde die gesamte Fläche mit einem Wischautomaten und einem leicht alkalischen Unterhaltsreiniger neutralisiert.

Freigelegte Historie der langen industriellen Nutzung

Dort, wo zu VEB Pentacon-Zeiten die Lackierautomaten und Trockenöfen zum Spritzen der Kameras standen, konnte die Schicht alter Farb- und Beschichtungsreste nahezu vollständig gelöst und der darunter liegende originale Boden aus strukturierten Industriefliesen wieder sichtbar gemacht werden. Auch die Fundamente, die den Standort der ehemaligen Maschinen markieren, sind wieder zum Vorschein gekommen. Und anhand andersartiger Fliesen können frühere Bodenreparaturen abgelesen werden. Besonders beeindruckend sind aber die Lauf- und Transportflächen, die nun deutlich zu erkennen sind. Sie entstanden durch einen jahrzehntelangen mechanischen Abtrag und haben zusätzliche Narben in den Fliesen hinterlassen.

Autor

Torsten Höhne ist Geschäftsführer der Graffitti ex GmbH & Co. KG in Dresden.

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