Sanierung der Wasserkunst in den Herrenhäuser Gärten in Hannover

Die Sanierung des Pumpenhauses in den Herrenhäuser Gärten in Hannover dauerte mehr als zehn Jahre. Mehrere Überschwemmungen bremsten die Arbeiten immer wieder aus. Die Höhe der Wasserfontäne war einst Status-Symbol.

Die beiden Wasserräder setzen sich dröhnend in Bewegung, es wird kühl im Maschinenraum. Ein feuchter Luftzug weht durch das Pumpenhaus. Man versteht nur noch schwer sein eigenes Wort. Die Vibrationen, die die Schaufelräder verursachen, sind spürbar. Die Wasserkunst in den Herrenhäuser Gärten in Hannover gilt als einzigartiges technisches Denkmal. Die umfangreiche Sanierung des Pumpenhauses hat mehr als zehn Jahre gedauert.

„Uns haben sieben Hochwasser ausgebremst“, blickt Prof. Dr. Anke Seegert, Direktorin der Herrenhäuser Gärten, zurück. „Und dann der immense Schlamm. Wir mussten die Baugruben immer wieder sauber machen. Auch im Winter ruhten die Arbeiten, da es einfach zu kalt war.“

Das Pumpenhaus nach der Sanierung: Die Fassadenfarbe aus den 1970-er Jahren wurde abgenommen. Die Natursteinfassade kam wieder zum Vorschein
Foto: Frank Aussieker / Herrenhäuser Gärten

Das Pumpenhaus nach der Sanierung: Die Fassadenfarbe aus den 1970-er Jahren wurde abgenommen. Die Natursteinfassade kam wieder zum Vorschein
Foto: Frank Aussieker / Herrenhäuser Gärten
Das gemauerte Pumpenhaus am Ernst-August-Kanal fällt mit seiner auffälligen Dreiturmfassade ins Auge. Der mittlere Hauptturm hatte die Aufgabe, die große Fontäne im Garten im Blick zu behalten. Die historische Uhr gibt es noch. Sie läutet alle halbe Stunde. Das Bauwerk zeigt den Zustand ab 1860. Damals reichte ein zusätzlicher Fachwerkbau bis an den Schleusenkanal. Er wurde allerdings im Zweiten Weltkrieg zerstört und nicht wieder aufgebaut.

Wasser für die Fontänen im Garten

Das System aus Wasserrädern und Pumpen wurde vor mehr als 300 Jahren gebaut und versorgte früher zahlreiche Fontänen im Großen Garten mit Wasser aus dem nahe gelegenen Fluss Leine. Vor allem die große Fontäne, die ursprünglich eine Höhe von 35 m erreichte, wurde zum Statussymbol. Die Fürstentümer Europas waren Ende des 17. Jahrhunderts im Wettstreit: Es ging um prachtvolle Schlösser, großartige Gärten mit Grotten und  aufwendigen Wasserspielen. Die Nase vorn hatten die Italiener, die Franzosen schlossen auf. Auch in Hannover wollte man mithalten. Herzog Johann Friedrich zu Braunschweig Lüneburg begann mit dem Anlegen eines Lustgartens. Mehrere  Fontänenmeister setzten im Laufe der Jahre verschiedene Techniken um. 

Die große Fontäne in den Herrenhäuser Gärten ist eine Attraktion. Vor 300 Jahren galt sie als Machtsymbol und war höher als die Wasserfontänen in Versailles
Foto: Michael Pasdzior / Herrenhäuser Gärten  

Die große Fontäne in den Herrenhäuser Gärten ist eine Attraktion. Vor 300 Jahren galt sie als Machtsymbol und war höher als die Wasserfontänen in Versailles
Foto: Michael Pasdzior / Herrenhäuser Gärten  
Georg Ludwig, Kurfürst von Hannover und ab 1714 auch König von Großbritannien, hatte um1701 ebenso das ehrgeizige Projekt, im Großen Garten den höchsten Springstrahl Europas steigen zu lassen. Es dauerte noch 20 Jahre, bis dieser Traum erreichbar schien. Ab 1719 wurde die Leine südlich des Großen Gartens aufgestaut. Das 40 m lange Maschinenhaus wurde auf Pfählen gebaut und mit Holz verschalt. Fünf  Wasserräder mit je 9,35 m Durchmesser trieben darin 20 Druckpumpen an. Sie wurden mit Kehrschlössern ausgestattet. Diese neuartige Technik brachte den Durchbruch: 1720 sprang die Große Fontäne 35 m hoch und übertrumpfte damit die Fontäne im berühmten Versailles, die eine Höhe von 27 m erreichte. 

Übrigens: Der Maschinenmeister hatte seine Dienstwohnung damals direkt im Haus, damit er jederzeit die Pumptechnik kontrollieren konnte. „Inzwischen werden die Wasserspiele mit elektrischen Pumpen betrieben. Die Fontäne reicht heute bis zu 72 m hoch“, erklärt Anke Seegert. Die Wasserkunst wird für die Bewässerungsanlagen der Herrenhäuser Gärten benötigt. Die Wasserräder – heute sind es nur noch zwei – werden regelmäßig bewegt, um sie in Betrieb zu halten und neue Schäden zu vermeiden.

Immense Schäden an Gebäude und Wasserrädern

Bis 2007 war die Wasserkunst zu besichtigen, danach musste sie aus Sicherheitsgründen gesperrt werden. Die Schäden an Wehranlage, Mauern und den Pumpenkammern waren erheblich. Das salzreiche Wasser der Leine hatte Spuren hinterlassen. Auch die Erschütterungen beim Betrieb der Pumpen hatten immer wieder zu Reparaturen am Gebäude, der Technik und der Uferbefestigungen geführt.

Schaufelräder und Kurbelgestänge der Wasserräder waren marode  
Foto: Büro für Naturetainment / Herrenhäuser Gärten

Schaufelräder und Kurbelgestänge der Wasserräder waren marode  
Foto: Büro für Naturetainment / Herrenhäuser Gärten
Die hölzernen Sperrtore waren marode. Das Sandsteinmauerwerk der äußeren Stützmauern im Unterwasser und im Bereich der Wehranlage war ausgespült und verschoben. Im Inneren war das Mauerwerk marode. Fenster und Dach waren sanierungsbedürftig, die Fassade wies Graffitischäden auf. Die Wasserkunst selbst funktionierte nicht mehr. Beide Kurbelgestänge waren kaputt und trieben die Schaufelräder, die ebenso angegriffen waren, nicht mehr an.

„Wir sind wirklich sehr froh, mit dem Architektenbüro MZWO Architekt*innen einen verlässlichen Partner gefunden zu haben, der die Sanierung mit viel Gefühl schaffte“, sagt Prof. Dr. Anke Seegert. Für Architektin Tessa Neujahr war das Projekt einzigartig: „Wir wollten angesichts des Denkmalschutzes minimal-invasiv vorgehen.“ Ausführliche Voruntersuchungen erfolgten, die Sanierung wurde in drei Phasen aufgeteilt. Um die Bauteile beurteilen zu können, musste das Gebäude trockengelegt werden. Dazu wurden Spundwände und ein Erdwall errichtet. „Nachdem das Wasser  weg war, haben wir manch kuriosen Fund gemacht. Eine alte Gasmaske und der Arm einer Schaufensterpuppe kamen zum Vorschein“, erinnert sich Anke Seegert.

Keine Betriebsanleitung für die Pumpentechnik

In der zweiten Bauphase erfolgten Arbeiten unterhalb des Wasserspiegels, als drittes oberhalb des Wassers. Größtes Problem: Es gab keine Betriebsanleitung für die Pumpe und die Räder. Die Funktionsweise einzelner Bauteile musste während der Sanierung geklärt werden. Das ursprüngliche Kehrschlossprinzip ist ein komplizierter Mechanismus, der nicht mehr benutzt wird. Kurz gefasst: Jedes Wasserrad sitzt auf einer 10 m langen hölzernen Welle. Rechts und links am Rad sind je vier hölzerne Kehrscheiben angeordnet. Diese werden über Ketten gedreht, wenn sich das Wasserrad bewegt. Die Ketten wickeln sich dabei so auf den Scheiben ab, dass sie teils entgegengesetzt laufen und damit die Auf- und Abwärtsbewegung der Kolben bewirken. Seid 1860 gibt es eine modernere Technik. Der gleichmäßige Wasserdruck wird über Ventilkörper erreicht. 

Arbeiten unter dem Wasserspiegel

Um Schäden zu analysieren, wurde das Wasser mit Hilfe von Spundwänden zurückgedrängt und das Gebäude trockengelegt
Foto: Frank Aussieker / Herrenhäuser Gärten  

Um Schäden zu analysieren, wurde das Wasser mit Hilfe von Spundwänden zurückgedrängt und das Gebäude trockengelegt
Foto: Frank Aussieker / Herrenhäuser Gärten  
Unterhalb des Wasserspiegels wurden Verlandungen an den Böschungsbereichen beseitigt, das Natursteinmauerwerk der Wehranlage von Grünbewuchs befreit und mit Horizontalsperren trockengelegt sowie Putzabplatzungen repariert und Holzbauteile erneuert. Die Handwerker ersetzten die hölzernen Wasserräder, Sperrtore und Schütze, wobei die Wasserräder eine besondere Herausforderung waren. „Ein Rad wiegt 20 Tonnen. Wir mussten auf der bestehenden Decke mit dicken Stahlträgern eine Abfangkonstruktion bauen, damit die Räder für den Ab- und Wiederaufbau mit Flaschenzügen abgefangen werden konnten“, schildert Tessa Neujahr. Denn eine Restauration vor Ort war nicht möglich. Die Metallteile wurden in einem Betrieb aufgearbeitet und alle Speichen aus Eichenholz neu eingesetzt.

Arbeiten oberhalb des Wasserspiegels

Holzfenster, Türen und Geländer mussten aufgearbeitet oder erneuert werden. An der Fassade wurde der weiße Anstrich aus den 1970-er Jahren entfernt, um die historische Gliederung in Naturstein und Putzfassade wieder zum Vorschein zu bringen. Der Massivbau besteht aus gelbem und rotem Backstein kombiniert mit geputzter Fassade und einem Unterbau aus Naturstein (Barsinghausener Sandstein). Kaputter Naturstein wurde oberhalb wie im Wasser ersetzt und die Oberfläche vorab scharriert.

Die Fugen zwischen den Natursteinen wurden per Bleiverguss verschlossen
Foto: Frank Aussieker

Die Fugen zwischen den Natursteinen wurden per Bleiverguss verschlossen
Foto: Frank Aussieker
Zudem war ein Bleiverguss von Sandsteinfugen nötig. „Die Sandsteinblöcke sind per Metallklammern miteinander verbunden, um einen statisch wirksamen Verbund im Mauerwerk herzustellen. Die dafür erforderlichen beziehungsweise entstehenden Fugen verschloss der Steinmetz mit Blei“, erklärt Tessa Neujahr. Blei hat mit 327 Grad einen niedrigen Schmelzpunkt und ließ sich per Kelle gezielt in die Öffnungen gießen. Das Verfahren ist so konzipiert, dass kein Blei ausgewaschen werden kann. Daher wurde es auch zur Sanierung der im Wasser liegenden Sandsteine angewendet. 

Beim Dach machten die Herrenhäuser Gärten ebenfalls keine halbherzigen Sachen und entschieden sich dafür, es komplett mit neuen Schieferplatten decken zu lassen. „Der Dachstuhl war zum Glück noch intakt“, blickt Anke Seegert zurück.

Im Maschinenraum hatte sich der Holzwurm in den alten Balken eingenistet, die daraufhin chemisch behandelt wurden. Den Sandsteinboden schliffen die Handwerker ab, um ihn von Verschmutzungen und Patina der vergangenen Hochwasser zu befreien. Die angrenzende Schmiede wurde restauriert und zu einem Ausstellungsraum umgebaut.

Fazit

Die beiden Wasserräder werden regelmäßig in Betrieb genommen. Dann weht ein feuchter Luftzug durch den Maschinenraum
Foto: Michaela Podschun

Die beiden Wasserräder werden regelmäßig in Betrieb genommen. Dann weht ein feuchter Luftzug durch den Maschinenraum
Foto: Michaela Podschun
Die von 2015 bis 2022 dauernde Komplettsanierung der Wasserkunst hat über 90 Handwerker und weitere Mitarbeiter aus 42 Büros beschäftigt. Zudem waren vier Behörden sowie sechs Fachbereiche aus Hannover beteiligt. Der städtische Fachbereich Gebäudemanagement hat die gesamte Sanierung betreut. Die Herrenhäuser Gärten können mit Recht stolz sein. Denn angesichts gestiegener Materialkosten wäre die Sanierung zum jetzigen Zeitpunkt wohl erheblich teurer geworden. Gelungen ist auch die Ausstellung im Maschinenraum und in der angrenzenden Schmiede, die über die Geschichte, den Wettstreit der Fontänen und die Beteiligten informiert. Mit einem 5-minütigen Film wird die Antriebstechnik der Wasserräder kindgerecht erklärt. Besichtigungstermine und Führungen sind nun wieder möglich.

Weitere Infos: www.wasserkunst-herrenhausen.de

Autorin

Michaela Podschun ist Redakteurin der Zeitschriften bauhandwerk und dach+holzbau.

Baubeteiligte (Auswahl)

Historische Recherchen  Dr.-Ing. Bernd Adam, Büro für Bauforschung, Garbsen   

Sanierungsplanung   Architekturbüro MZWO Architekt*innen GmbH (vormals Vorrink-Wagner), Hannover, www.mzwo.de

Projektsteuerung Gebäudemanagement der Stadt Hannover, Ute Wolters, www.hannover.de

Fachplanung und Bauleitung historische Wehranlagen, Pumpen und Wasserräder Büro Bergmann GmbH, Pfaffenhofen, buero-bergmann.com

Planung und Ausführung der Außenanlagen Fachbereich Umwelt & Stadtgrün der Stadt Hannover

Bauherrenvertretung Herrenhäuser Gärten Prof. Dr. Anke Seegert, Daniel Westerholt, Karin van Schwartzenberg, www.hannover.de

Tragwerksplanung und Wasserhaltung 
GRBV Ingenieure im Bauwesen GmbH & Co. KG, Hannover, www.grbv.de

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