Recyclingbeton für neues Wohnquartier „Maison Westend“ in Berlin
17.06.2025Beim Berliner Neubauprojekt „Maison Westend“ zeigt Heidelberg Materials, wie nachhaltiges Bauen aus einer Hand gelingen kann: vom Rückbau & Recycling über die Lieferung von CO₂-reduziertem Recyclingbeton und Betonfertigteilen bis hin zur (digitalen) Betonüberwachung.
Heidelberg Materials produzierte, lieferte und pumpte seinen 30 Prozent CO₂-reduzierten Beton evoBuild. Elementdecken und Doppelwände warten bereits auf ihren Einbau.
Foto: Heidelberg Materials AG / Linus Lintner
Im grünen Berliner Ortsteil Westend, im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf, entsteht derzeit das neue Wohnquartier „Maison Westend“. Die Lagrande Group als Bauherr und Projektentwickler errichtet elf der geplanten 13 Gebäude, die degewo zwei. Die Planung des Architekturbüros Tchoban Voss Architekten auf dem rund 11.000 Quadratmeter großen Grundstück umfasst sechs- bis siebengeschossige Wohngebäude, die sich um einen ruhigen, grünen Wohnhof gruppieren. Insgesamt werden 256 größtenteils barrierefreie Wohneinheiten mit unterschiedlichen Größen von 35 bis 101 m2 entstehen.
Zertifizierte RC-Gesteinskörnung aus abgebrochenen Wohntürmen
Auf dem Grundstück wurden Mitte der 1960er-Jahre zwei Wohnhochhäuser in Stahlbetonplattenbauweise errichtet. Diese erwiesen sich 2019 zum Zeitpunkt der Übernahme durch die Lagrande Group als nicht mehr sanier- oder instandsetzbar und wurden bis Anfang 2023 abgerissen. Der Abbruch der Wohntürme und die Wiederaufbereitung des dadurch gewonnenen Altbetons übernahm ein Tochterunternehmen von Heidelberg Materials Mineralik, die Berliner RWG- Gruppe. Das Betonabbruchmaterial der Wohntürme wurde als hochwertige, zertifizierte rezyklierte Gesteinskörnung wiederaufbereitet und anschließend dem Beton des Neubauvorhabens wieder zugefügt. „Recycelter Betonabbruch“, so Oliver Schumacher, Geschäftsführer der RWG, „bietet zwei große Vorteile: Zum einen sparen wir damit Primärrohstoffe wie Sand und Kies ein, die als Gesteinskörnungen bei der Betonherstellung eingesetzt werden. Zum anderen lassen sich die beim Recycling anfallenden Feinmaterialien als Brechsande abtrennen und anschließend als alternatives zementhaltiges Roh- oder Füllmaterial wieder der Zementproduktion zuführen.“
Städtebaulich wird das neue Quartier durch eine kleinteilige straßenbegleitende Bebauung in die vorhandene urbane Struktur eingebunden. Versetzte Traufen betonen den Maßstab des klassischen Berliner Wohnhauses und sorgen für ein belebtes Straßenbild.
Foto: Lagrande Group
Langfristiges Ziel ist es, eine Kreislaufwirtschaft zu etablieren und damit bei der Herstellung der Produkte dem Einsatz von rezyklierten Gesteinskörnungen Vorrang gegenüber Primärrohstoffen zu geben. „Die Nachfrage nach RC-Beton wächst kontinuierlich. Mehr und mehr Bauherren, wie eben auch die Lagrande Group, legen Wert darauf, mit RC-Beton zu bauen“, erläutert Oliver Schumacher.
Fertigteilbau mit CO₂-reduziertem Beton „evoBuild“ beschleunigt den Bau
Anfänglich war der Wohnkomplex Maison Westend in Ortbeton geplant. Aus Zeitgründen mussten jedoch bis zu 80 Prozent der Bauteile als Fertig- oder Halbfertigteile aus Beton realisiert werden. „Hier konnten wir die Betonfertigteilsparte der Heidelberg Materials AG einbinden, die sämtliche Decken und Wände als Halbfertigteile sowie Treppen und Balkone produziert und liefert“, erklärt Lars Löwigt von Heidelberg Materials Beton. Die Elementdecken und Doppelwände wurden anschließend mit einem um 30 Prozent CO2-reduzierten Beton evoBuild inklusive einem 30-prozentigen Anteil rezyklierter Gesteinskörnung verfüllt. Die Verfüllung der Halbfertigteile mit insgesamt zirka 3.500 Kubikmeter Transportbeton erfolgte über Betonpumpen der Heidelberg Materials AG sowie mit Kran und Kübeln. Die Betonüberwachung erfolgt über das Heidelberg Materials Tochterunternehmen BetoTech Baustofflabor GmbH.
Digitale Betonsensoren zur Erkennung der Frühfestigkeit von Betonen
Ebenfalls von entscheidender Bedeutung bei Bauprojekten ist die Überwachung der Betontemperatur, da sie sich direkt auf Qualität, Festigkeit und Dauerhaftigkeit des fertigen Bauwerks auswirkt. Die Aufrechterhaltung der richtigen Temperatur während des gesamten Aushärtungsprozesses ist für die ordnungsgemäße Hydratation des Betons und die Gewährleistung einer optimalen Festigkeitsentwicklung unerlässlich.
Inzwischen kann die Überwachung der Temperatur des verbauten Betons auf der Baustelle auch über digitale Sensoren erfolgen. Beim Neubau Maison Westend wurden Betonsensoren direkt in die Ortbetonteile bzw. in die mit Ortbeton zu verfüllenden Betonhalbfertigteile fest verbaut. Die Sensoren mit zwei Temperaturmesspunkten werden an ausgewählten Bewehrungsstäben der zu verfüllenden Bauteile befestigt. Anschließend werden sie per Smartphone aktiviert und einbetoniert. Nach erfolgter Betonage messen die Sensoren alle 15 Minuten die Wärme im Betonbauteil und berechnen mit Hilfe eines Reifegradmodells die Druckfestigkeit des Betons. Im Radius von etwa 12 Metern um das entsprechende Bauteil können die Daten mittels Smartphones und inkludierter App nach Bedarf abgerufen werden.
Fernüberwachung rund um die Uhr
Die Überwachung der Temperatur des verbauten Betons auf der Baustelle erfolgte über digitale Sensoren. Damit kann der perfekte Zeitpunkt zum Ausschalen oder Glätten von Oberflächen bestimmt werden.
Foto: Heidelberg Materials AG / Linus Lintner
Über einen zusätzlichen Smart Hub als zentrale Schaltstelle besteht die Möglichkeit zur automatisierten Auslesung der Daten. Die Vorteile dieser Datenerfassung bestehen insbesondere darin, dass die Druckfestigkeit des Betons jederzeit exakt erfasst und auch via Fernüberwachung rund um die Uhr abgelesen werden kann. Damit kann der perfekte Zeitpunkt zum Ausschalen oder Glätten von Oberflächen bestimmt werden. Die drahtlosen Sensoren bieten somit Zeit- und Kostenersparnisse beim Betonbau und verbessern zusätzlich die Qualität und Dauerhaftigkeit von Betonstrukturen.
Darüber hinaus können durch eine reduzierte Anzahl an Probekörpern, die von Mitarbeitenden auf der Baustelle gefertigt werden müssen, Kosten eingespart werden. Oftmals werden aber noch Erhärtungswürfel hergestellt. Hierbei wird aber nicht die Temperatur überwacht, sondern die Festigkeit geprüft. Die Sensorik bietet hingegen die Chance auf diese Erhärtungswürfel zu verzichten und – mit Hilfe einer Temperaturmessung – live ins Bauteil „zu schauen“. Die Temperatur wiederum gibt Rückschlüsse auf die Reife des entsprechenden Betons. Dieses ist auch normativ abgedeckt. Nicht verzichtet werden kann hingegen auf die 28-Tage-Würfel, die im Rahmen der ÜK2-Überwachung hergestellt werden müssen. „Nach unserer Erfahrung“, so berichtet Lars Löwigt, „bewähren sich diese Sensoren insbesondere beim Einsatz innovativer Betone. Wir arbeiten hier mit klinkeroptimierten und damit CO₂-reduzierten Zementen, haben die Betonrezepturen optimiert und betonieren teilweise bei nicht unbedingt optimalem Wetter. Auch unter diesen Bedingungen erzielen wir, nachdem wir die Sensoren zuvor in unserem Labor kalibriert haben, optimale Ergebnisse und können so die Ausschalungszeiten – und damit die gesamte Bauzeit – bestmöglich verkürzen.“
Nachhaltiges Bauen – KFW 55 und DGNB-Standards
Gebaut wird das Maison Westend entsprechend den aktuellen Anforderungen an das nachhaltige Bauen. Yasemin Flohr, Architektin und verantwortliche Projektleiterin der Lagrande Group für das Maison Westend, berichtet: „Die ersten drei Gebäude werden nach dem von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) entwickelten Standard KfW 55 für energieeffiziente Gebäude errichtet. Diese erfordern lediglich 55 Prozent der Energie eines konventionellen Neubaus und sind daher besonders umweltfreundlich.“ Auf eine Zertifizierung durch die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen – DGNB e.V. wurde in diesem Falle verzichtet. „Mit KfW-55 als unserem Standard hätten wir, so unsere Bauphysiker, das DGNB Zertifikat Silber erreicht.“ Die in den späteren Bauabschnitten geplanten acht weiteren Wohngebäude werden das DGNB Zertifikat Gold erfüllen.