Temperaturabsenkung in Mietwohnungen: Wer haftet jetzt für Schimmel?

Per Verordnung will die Bundesregierung  den Gas- und Energieverbrauch senken. Auf der Basis des Energiesicherungsgesetzes wurden zwei Verordnungen beschlossen. Die erste Verordnung gilt ab dem 1. September 2022 bis zum 28. Februar 2023. Die zweite Verordnung soll ab dem 1. Oktober 2022 für zwei Jahre gelten - sie muss aber noch vom Bundesrat gebilligt werden.

Durch die Verordnung werden Klauseln in Mietverträgen ausgesetzt, in denen Mieter verpflichtet werden, durch Heizen eine bestimmte Mindesttemperatur in den gemieteten Räumen sicherzustellen. Das bedeutet, dass Mieter weniger heizen dürfen, wenn sie Energie sparen wollen. Die Mieter bleiben aber verpflichtet, „durch angemessenes Heiz- und Lüftungsverhalten Schäden an der Mietsache vorzubeugen".

Was ab 1. Oktober 2022 gilt

Per Verordnung will die Bundesregierung den Gas- und Energieverbrauch senken.
Foto: Gerd Altmann/Pixabay

Per Verordnung will die Bundesregierung den Gas- und Energieverbrauch senken.
Foto: Gerd Altmann/Pixabay
Die Verordnung zur Sicherung der Energieversorgung (EnSiG) hat Hans-Peter Füg, Wirtschaftsmediator der Deutschen Gesellschaft für Streitbeilegung für Sachverständigenwesen (DGSS) in Karlsruhe, genauer unter die Lupe genommen. Wir gehen insbesondere auf § 3 Satz 1 ein und erklären, was ab dem 1. Oktober auf private Mietverhältnisse zukommt.  Nach Aussage von Hans-Peter Füg sei Streit zwischen Mieter und Vermieter vorhersehbar. Problematisch könnte eine Schadenregulierung werden. Sprich: Wer haftet, wenn durch eine Temperaturabsenkung Schimmel entsteht?

§ 3 (1) Satz 1 regelt die „fakultative Temperaturabsenkung durch Mieter“: „Die Geltung einer Vereinbarung in einem Mietvertrag über Wohnraum, nach der der Mieter durch eigene Handlungen eine Mindesttemperatur zu gewährleisten hat, ist für die Geltungsdauer der Verordnung ausgesetzt."

„Eingriff in die Vertragsautonomie“

Laut Hans-Peter Füg greife der Staat hier in die Vertragsautonomie der Vertragsparteien ein: „Anhand dieser Verordnung können sich Vermieter nicht mehr darauf berufen, dass mietvertraglich Regelungen und Verpflichtungen vereinbart wurden. Diese Regelungen, wann immer diese vorgenommen wurden und wie lange diese bereits funktioniert haben, sind dann außer Kraft.“. Die Erforderlichkeit, die oftmals Grund für eine entsprechende mietvertragliche Regelung war (Vor- und Fürsorge), werde durch die Verordnung ignoriert und im Ergebnis eliminiert. „Die Regierung geht hierbei offensichtlich davon aus, dass die Vermieter- und Mieter-Seite gemeinsam Lösungen finden, im Zweifel auch nach einem Schadenseintritt“.

Der klassische Schaden, weil Bereiche nicht einmal mehr „überschlagen" temperiert werden, stelle nach dem Wortlaut der Verordnung damit ein Szenario dar, für das der Mieter nicht (mehr) eintreten müsse. Der Verordnungsgeber führt in dessen Begründung ergänzend aus: „Auch ein sorgfältiges kompensatorisches Lüftungsverhalten ist – abhängig von den unterschiedlichen bauphysikalischen und gebäudeklimatischen Gegebenheiten des jeweiligen Gebäudes – nur oberhalb einer bestimmten Mindesttemperatur effektiv. Es liegt daher in der Verantwortung des Mieters, die freiwillige Temperaturabsenkung zusätzlich zu einer verstärkten Lüftungsroutine so zu begrenzen, dass eine Schimmelbildung vermieden wird."

Vermieter steht immer noch in der Pflicht

Die Verordnung der Bundesregierung sehe den Vermieter nach wie vor aber in der Pflicht, auf Schimmelbildung entsprechend zu reagieren:

"...Ebenso bleiben die vertraglichen Verpflichtungen des Vermieters unberührt, die Mietsache in gebrauchsfähigem Zustand zu erhalten und Substanzschäden durch eine Ertüchtigung der Gebäudehülle vorzubeugen. Bei Auftreten von Schimmel- und Frostschäden während einer Temperaturabsenkung durch den Mieter, sind eventuelle Verursachungsbeiträge aus der Sphäre des Vermieters unverändert zu berücksichtigen."

„Also kurz mal nächste Woche die Fassade energetisch ertüchtigen und damit das Problem beseitigen, das wäre eine Möglichkeit! Eine Energiebilanz zu den Energieeinsparmaßnahmen wird nicht eingefordert, dass heißt der Energieaufwand für die Produktion von Dämmmaterialien im Verhältnis zur damit thematisierten geringeren Wärmezufuhr in das Gebäude, bleibt außen vor“, sagt der Wirtschaftsmediator.

Mieter müssen aufgeklärt werden

Soweit ein Gebäude gebrauchsfähig war, nun aber in Folge von Temperaturabsenkungen in dessen Funktionalität verändert werde und es zu Frost- oder Schimmelschäden komme, weise die Bundesregierung nach dem Wortlaut der Verordnung dem Vermieter mindestens eine Mitverantwortung zu, da er - die Kürze der Zeit scheint dabei erst gar keine Rolle zu spielen - durch die Ertüchtigung der Gebäudehülle, dem Problem hätte entgegenwirken können.

Hans-Peter Füg ist Wirtschaftsmediator in Karlsruhe.
Foto: DGSS

Hans-Peter Füg ist Wirtschaftsmediator in Karlsruhe.
Foto: DGSS
„Streitthemen sind hier programmiert! Allen Vermietern kann nur empfohlen werden die Mietverträge zu sichten und ihre Mieter entsprechend aus aktuellem Anlass aufzuklären und mögliche Maßnahmen festzulegen“, zieht Hans-Peter Füg Bilanz. Die DGSS empfiehlt die Installation von Datenloggern. Mittels dieser können die Randbedingungen über einen langen Zeitraum aufgezeichnet und ausgewertet werden, sodass Mieter und Vermieter Informationen für Räume bekommen, um eine zukünftige schadensfreie Nutzung im Sinne beider Parteien zu gewährleisten. (bhw/ela)

gutachterkarlsruhe.de

 

 


Thematisch passende Artikel:

06/2009

Duldungspflicht bei Umstellung auf Fernwärme

Als in einem älteren Wohngebäude die vorhandenen Gasetagenheizungen durch einen Fernwärmeanschluss ersetzt werden sollten, war ein Mieter damit nicht einverstanden. Der Vermieter sah sich deshalb...

mehr