Ausladend
Nagelplattenkonstruktionen ermöglichen große Spannweiten

Die Nagelplatte wurde bereits in den 1950er Jahren eingeführt, jedoch erst in den 1990er Jahren entscheidend weiterentwickelt: Moderne Kurznagelplatten ermöglichen den Konstruktionen mittlerweile, enorme Spannweiten von bis zu 35 m zu überbrücken. Damit sind die in der Zimmerei wirtschaftlich herzustellenden Nagelplattenbinder vor allem für große Hallen geeignet, kommen jedoch auch im Schalungs- und Kulissenbau sowie zunehmend auch bei der Herstellung von Dachkonstruktionen im Wohnungsbau zum Einsatz.

Als Nagelplatten bezeichnet man Holzverbindungsmittel aus hochwertigem Baustahl, aus denen einseitig nagelförmige Löcher herausgestanzt werden. Diese Nagel­plat­ten werden auf die Holzteile gelegt und mit hydraulischen Pressen oder Walzen eingepresst. Vom Institut für Bautechnik zugelassen und nach genau vorgeschriebenen Regeln verarbeitet, unterliegt die Herstellung der Nagelplatten einer regelmäßigen Güte­über­wachung, die durch das Ü-Zeichen und das RAL-Zeichen ga­rantiert ist.

 

Wirtschaftliche Herstellung

 

Ende der 1950er Jahre entwickelte der amerikanische Architekt Sanford die Nagel­platte, um den damals enor­men Bedarf an Dach­kon­struktionen für den Bau von Einfamilienhäusern zu decken und auf wirtschaftliche Art größere Mengen herstellen zu können. Schnell erkannte man die Möglichkeiten der wirtschaftlichen Produktion – die Forschung über das Tragverhalten wurde deshalb zügig vorangetrieben und verschiedene Typen von Nagelplatten für unterschiedliche Tragwerksspannweiten entwickelt. In Deutschland blieb die Anwendung lange auf einen Nagelplattentyp der Firma Gangnail mit großen Nagelabständen beschränkt. Mit dieser Platte konnten Zimmereien aber schon Konstruktionslängen von bis zu 20 m erreichen.


Große Spannweiten

 

Erst Mitte der 1990er Jahre wendete man die so genannten Kurznagelplatten auch für größere Spannweiten an. Diese Entwicklung wurde von der Nagelplattenindustrie angeschoben, mit zahlreichen Versuchen der Universität Karlsruhe wissenschaftlich hinterlegt und von einigen fortschrittlichen Anwendern in den Markt gebracht. Mittlerweile gibt es die Zulassungen für Spannweiten bis zu 35 m. Die großen Spannweiten, die sich mit der Nagelplattenbauweise erreichen lassen, sind heute eine ihrer wesentlichen Vorteile.

 

Plattenzulassungen und Holzqualitäten

 

Zahlreiche Forschungen beschäftigen sich momentan mit der Weiterentwicklung der Nagelplatte und ihrer Produkte. Steifere Knotenpunkte, geringere Durchbiegungen und ein wesentlich besseres Tragverhalten zeichnen die Konstruktionen aus, die mit den neu entwickelten Nagelplattentypen verbunden werden. Ein weiterer Entwicklungsschub für Nagelplattenkonstruktionen geht von der Forschung zur Verbesserung des Werkstoffes Holz aus: Durch den Einsatz von getrocknetem und gehobeltem Holz erreicht man eine deutliche Verbesserung des Endproduktes mit wesentlich stabileren Werten, einer höheren Qualität und vor allem einer höheren Sicherheit. Der Einsatz von Rohstoffen mit einer Holzfeuchte unter 20 Prozent ermöglicht Produktgarantien, die weit umfangreicher sind als dies zuvor der Fall sein konnte. Durch den Einsatz von Konstruktionsvollholz gibt es zudem die Garantie der güteegalisierten Ware und im Einsatz von zukünftig maschinensortiertem Holz die Möglichkeit, aus dem nachwachsenden Werkstoff Holz ein ebenso sicheres und qualitativ gleichbleibendes Produkt wie Stahl herzustellen. Auch der mögliche Wegfall von Imprägnierungen ist hier ein wichtiger Schritt. Unter dem Dach der Güte- und Informationsgemeinschaft der Nagelplattenverwender (GIN) und in enger Zusammenarbeit mit den Hochschulen wird diesen Themen momentan eine große Aufmerksamkeit zuteil.

 

Produktions­anlagen

 

Ein weiterer Entwicklungsschub liegt bei den neuen Maschinen zur Herstellung von Nagelplattenbindern: Viele sind bereits vollautomatisch und werden direkt vom Arbeitsplatz des Planers angesteuert. Sie schaffen eine hohe Kapazitätsleistung. Eine der derzeit größten und modernsten Maschinen ist bei der Firma Opitz Holzbau in Neuruppin in Betrieb: Sie hat sehr kurze Rüstzeiten, stellt CAD-gesteuert die Außengeometrie des Binders her und produziert vollautomatisch – inklusive des gesamten Abstapelprozesses. Die flexible Höheneinstellung schafft in kurzer Durchlaufzeit Konstruktionshöhen von 3 bis 18 cm und Tragweiten von bis zu 35 m. Die Arbeitsvorbereitung und Maschinenansteuerung hat sich bei dieser Maschine auf wenige Minuten verkürzt. So können Zimmereien Tragwerke in Serie und gleichzeitig in einer großen Vielfalt von Konfigurationen wirtschaftlich herstellen.

 

Bauen mit

Nagelplattenbindern

 

Hallen und SB-Märkte

Ein zentraler Einsatzbereich für Nagelplatten sind Hallenkonstruktionen mit großer Grundfläche. Auf Rollen- oder C-Pressen werden die Nagelplattenbinder hierfür in der Werkstatt millimetergenau „verpresst“ und zu komplexen Gesamtkonstruktionen vorgefertigt. Auf modernen Anlagen können, wie bereits erwähnt, große Spannweiten bis zu 35 m ohne Zwischenauflager erreicht werden. Diese enorme Breite ist für große Sporthallen und SB-Märkte, die dann ganz ohne Stützen eine freie Raumgestaltung haben, ideal.

Der auf den Fotos gezeigte Supermarkt wurde Ende März 2009 in Berlin errichtet. Er hat eine Gesamtspannweite von 33 m. Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit hat man sich in diesem Fall allerdings für eine Teilung entschieden: Die Pultdachbinder sind daher 15,30 beziehungsweise 17,70 m breit und erhalten ein Mittelauflager. Das bedeutet, dass im Markt Stützen errichtet werden, was aber angesichts der Gangeinteilung und Regalanordnung in einem SB-Markt unproblematisch ist. Aufgrund des Mittelauflagers sind die einzelnen Querschnitte wesentlich geringer und auch der Transport wird erheblich einfacher, da die Binder „geteilt“ vom Werk zur Baustelle gefahren werden konnten. Aber selbst für diese kleineren Binder bedurfte es bereits eines Sondertransportes. Die Berechnung der Konstruktion erfolgte in der Zimmerei, die Produktion auf einer der modernen C-Pressen. Die Montage auf der Baustelle nahm dann nur noch drei Tage in Anspruch. Dies ermöglicht einen exakt terminierten Einbau in das Gebäude und trug so zur angestrebten kurzen Bauzeit bei.

 

Schalungs- und Kulissenbau

Weiterhin eignen die ebenso filigranen wie stabilen Nagelplattenkonstruktionen auch für den Schalungsbau. Exakte Passgenauigkeit und der günstige Preis machen das Produkt auch für den einmaligen Einsatz als verlorene Schalung, zum Beispiel beim Brückenbau, interessant.

Unsichtbare Dienste leisten die Nagelplattenkonstruktionen hingegen bei der Herstellung von Kulissen: Bühnen und Schaukulissen werden gern an den Konstruktionen „aufgehängt“, die das gesamte Träger- und Stützengerippe bilden. Auch bei mehrgeschossigen Kulissenkonstruktionen in modernen Vergnügungsparks kommen immer häufiger unsichtbare Konstruktionen aus Nagelplatten zum Einsatz.

 

Weitere Einsatzbereiche

Überdies kommt die Nagelplattentechnik häufig beim Bau von Nutzgebäuden auf Bauernhöfen, im Industrie- und Bürogebäudebau und auch im Wohnungsbau zum Einsatz. Dächer für Mehrfamilienhäuser und klassische Einfamilienhäuser mit einfachen Sattel- oder Pultdächern werden immer häufiger mit Nagelplattenbindern gebaut. Die Firma Opitz hat zudem eine Nagelplattenkonstruktion für Flachdächer entwickelt: Die so genannten DTNP (Dachträgernagelplatten) sind Flachdachbinder, deren Besonderheit es ist, dass sämtliche Leitungen in der Konstruktion verlegt werden können.

Fazit

 

Viele Planer und Zimmerer wissen gar nicht um die Vielzahl der Möglichkeiten, die sich mit Nagelplatten realisieren lassen. In den USA werden selbst ausgefallene Dächer mit Nagelplattenkonstruktionen errichtet. Aber auch hierzulande ist ein immer kreativerer Umgang mit dem Produkt festzustellen. Das Argument, Nagelplatten seien nicht geeignet für sichtbare Konstruktionen, müssen sich die Konstrukteure dennoch gefallen lassen – die optische Qualität erschließt sich nach wie vor erst auf den zweiten Blick. Hier gibt es noch Verbesserungsbedarf: Nagelplatten mit architektonisch-ästhetischer Qualität würden dann sicherlich bald weitere Absatzmärkte erschließen.

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