Erhalten und weiterbauen an einem Backsteinhaus in Gütersloh-Isselhorst

Die Fachwerkkonstruktion in der Backsteinhülle des 1884 in Gütersloh-Isselhorst erbauten Ackerbürgerhauses ist eine Besonderheit des damals modernen Gebäudes. Im vergangenen Jahr wurde es saniert und gehört heute zu den das Ortsbild prägenden Häusern.

Im Ortskern von Gütersloh-Isselhorst wirkte das 1884 vom Kötter August Nottebrock aus Feldbrandklinkern errichtete Ackerbürgerhaus wie eine Reminiszenz an die landwirtschaftliche Tradition. Bis zum Beginn der Sanierungs- und Umbauarbeiten im Jahr 2011 klebte noch ein von Hand geschriebener Zettel hinter einer der Fensterscheiben, auf dem zu lesen war, dass es sich bei dem Haus um ein Baudenkmal handelt. Auf Betreiben des örtlichen Heimatvereins wurde es 2002 von der Unteren Denkmalbehörde in die Denkmalliste der Stadt Gütersloh aufgenommen. Einer der Gründe für die Unterschutzstellung liegt in der Bauweise mit konstruktiver Trennung der Backsteinhülle vom inneren Tragwerk in traditioneller Fachwerkbauweise. Das Haus war gegen Ende des 19. Jahrhunderts wohl eines der ersten am Ort, das in der damals modernen Bauweise errichtet wurde. Erstaunlicherweise wurde es noch bis 2006 bewohnt – ohne dass es Versorgungsleitungen, Strom oder gar eine Heizung besessen hätte. Nach dem Auszug seines schrulligen Bewohners verkaufte es die Erbengemeinschaft samt 1000 m2 Grund an Brigitte und Reinhard Schimmel. Die Bauherren erkannten schnell das Potential des Ortsbild prägenden Backsteingebäudes – allein die Grundfläche des Altbaus war mit gerade mal 100 m2 für die geplante Nutzung als Café, Bäckerei und Buchhandlung zu klein.

 

Reparatur der inneren Fachwerkkonstruktion

Das von den Bauherren beauftragte Büro GJL Architekten aus Gütersloh begann bereits 2005 mit ersten Vorplanungen zur Erweiterung und behutsamen Sanierung des Backsteingebäudes. „Den Altbau haben wir im Vorfeld relativ genau untersucht, vor allem die Hölzer; den Boden haben wir aufgegraben und uns die Fundamente angesehen. So gab es im Nachhinein keine Überraschungen“, erinnert sich Architekt Andreas Grube vom Büro GJL Architekten. Die Voruntersuchungen gingen in die Rückbau- und Aushubarbeiten über. So gruben die Handwerker den Fußboden in der Deele gut einen halben Meter tief aus und entfernten neben den Ausfachungen auch die verrotteten Schwellhölzer der Fachwerkkonstruktion. Nachdem das Holztragwerk dank Sandstrahlen von dicken Farbschichten befreit war, traten die Schäden am Fachwerk deutlicher zutage. Die Zimmerleute ersetzten nun nicht nur sämtliche Schwellhölzer, sondern auch einzelne marode Balken und Streben der Fachwerkkonstruktion. Anschließend wurde alles (alte und neue Hölzer) noch einmal sandgestrahlt, um den Holzoberflächen ein möglichst einheitliches Erscheinungsbild zu verleihen. Letzte Hand legte der Bauherr ans Fachwerk selber an, indem er sämtliche Hölzer zum Schutz mit Olivenöl anstrich.

 

Innenausbau mit dunklen Fliesen
und hellen Lehmoberflächen

Unter die abschnittweise abgefangenen und erneuerten Schwellhölzer betonierten die Handwerker neue Fundamente. Der Boden wurde gedämmt und darauf eine Betonsohle gegossen, die einen schwimmenden Estrich mit Fußbodenheizung und einen Endbelag mit großformatigen dunklen Fliesen erhielt.

Nachdem die Handwerker im Erdgeschoss innen den zum Teil losen Putz von den Backsteinwänden abgeschlagen hatten, brachten sie hierauf mit der Putzmaschine Lehm als Klebe- und Ausgleichschicht für die anschließend darauf montierten 5 cm dicken Holzfaserplatten auf. Diese erhielten einen 1 cm dicken Lehmputz, der nur in den Seitenschiffen des Hauses mit einer cremefarbenen Lehmfarbe gestrichen wurde. In der Deele harmoniert der hellbraune Farbton der unbehandelten Lehmputzoberfläche sehr gut mit den dunklen Fliesen und den Hölzern der Fachwerkkonstruktion. Mehr zu den Innendämm- und Lehmputzarbeiten erfahren Sie im folgenden Beitrag ab Seite 16: „Mit Holzfasern und Lehm“.

Der Bohlenbelag der Nadelhölzer auf der Deelendecke war in gutem Zustand. Darauf verlegten die Handwerker OSB-Platten zur Stabilisierung, eine Trittschalldämmung und Trockenestrich sowie PVC als Endbelag im Obergeschoss. Der Dachstuhl darüber musste komplett in alter Form zimmermannsmäßig erneuert werden. Die Dacheindeckung erfolgte mit ziegelroten Hohlpfannen.

 

Umgang mit Fenstern und Fassade

„Die Backsteinfassade hatte man irgendwann rot überstrichen“, sagt die bauleitende Architektin Cornelia Asse. Die Farbe entfernten die Handwerker im Sandstrahlverfahren und räumten sämtliche Fugen mit der Flex aus. Die Neuverfugung erfolgte in Kooperation mit der Denkmalpflege mit einem farblich auf das Originalmaterial abgestimmten Kalkmörtel.

Die Denkmalpflege stimmte auch der für die neue Nutzung erforderlichen Vergrößerung der Fensteröffnungen im Erdgeschoss zu. Hierfür entfernten die Handwerker das Brüstungsmauerwerk unter den alten Fensteröffnungen, und der Tischler baute die von ihm in der Werkstatt aus Holz gefertigten und weiß lackierten bodentiefen Isolierglasfenster und Fenstertüren ein. Bei der Sprossenteilung orientierte er sich in Absprache mit der Denkmalpflege selbstverständlich an den originalen Vorbildern. Im Obergeschoss blieben die Fensterformate unverändert. Die runde Uhlenflucht in der Giebelspitze erhielt einen rahmenlosen Glasverschluss. Der Tischler fertigte auch die Leibungsverkleidungen vor, die er weiß lackiert auf die Baustelle lieferte und in den Fensterleibungen montierte.

Den Neubau, der dort an den Altbau andockt, wo sich einst die Öffnungen der Ställe befanden, errichteten die Handwerker aus großformatigen Kalksandsteinen; darauf verklebten sie dann ein WDVS. „Da der Altbau unter Denkmalschutz steht, erfolgte der Farbanstich auf dem Putz des WDV-Systems in enger Absprache mit dem Denkmalschutz“, sagt Architekt Andreas Grube. Im Neubau befindet sich im Erdgeschoss eine Bäckerei mit direktem Übergang in die Deele des Altbaus, in die ein Café eingezogen ist. Dank neuer Nutzung ist den Bürgern von Isselhorst so ein ortsbildprägendes Ackerbürgerhaus des ausgehenden 19. Jahrhunderts erhalten geblieben.

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