Historische Pigmente und Bindemittel

Schon seit Jahrtausenden nutzt der Mensch Naturfarben. Ausgehend von Ocker, Kreide und Holzkohle wurden immer weitere mineralische und pflanzliche Pigmente und Bindemittel entdeckt. Anforderungen des Denkmalschutzes sowie wachsendes Umweltbewusstsein bescheren alten Farben eine Renaissance.

Die erste von Menschen benutzte Farbe dürfte rötlicher Ocker gewesen sein, der ausreichend im Erdreich vorhanden war. Frühe Bindemittel waren tierische Fette sowie Wachs von wilden Bienen. Als weitere Farbtöne wurden schon früh Kreiden, gelbe Ocker und Holzkohle genutzt. Durch Mischung mit tonhaltigen Erden wurde eine bessere Bindung erreich.

Mineralien und Pflanzen

Lehm und der Kalk mit seinen Verwandten Marmor, Kreide und Gips sind weltweit für viele Bereiche am Bau bis heute bestimmend. Später kamen weitere farbige Mineralien hinzu.

Unterschiedliche trocknende Öle, feste sowie zähflüssige Harze und Kopale sind bis heute die Grundlage für natürliche Bindemittel. Vielfarbige Pflanzenextrakte liefern als Niederschlag auf neutrale, nicht färbende Trägerminerale eine breite Farbpalette. Eingesumpfter Löschkalk beinhaltet Bindemittel und Pigment in einem. Lehmprodukte verhalten sich ähnlich. Deren Farbtöne reichen heute von weißem Kaolin über Ocker-, Rot- und Olivfarbtöne zu Schieferschwarz in vielen zueinander passenden Abstufungen und Ausmischungen. Lehmedelputze enthalten natürliche effektvolle Zuschläge.

Der handgeformte Ziegelstein hat eine etwa 4000 Jahre alte Geschichte als erstes vorgefertigtes Bauelement. Gemahlen wurde er als Ziegelmehl in unterschiedlichen Farbabstufungen schon sehr früh zum Einfärben von Putzen genutzt.

Schon im Altertum aber vor allem während des Mittel­alters brachte der Erfindergeist eine unübersehbare Menge unterschiedlicher Pigmente hervor, die – wie beispielsweise Bleiweiß – allerdings zum Teil hochgiftig waren. Viele dieser teilweise hochpreisigen Produkte werden bis heute in der Denkmalpflege oder für künstlerische Arbeiten genutzt, die giftigen dürfen aber nur mit einer Sondergenehmigung verarbeitet werden.

Vorteile für die Natur

Farben sind der Ursprung der synthetischen Chemie, denn kaum ein Alltagsprodukt hat mehr Relevanz. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts hat die Industrie eine Vielzahl unterschiedlicher neuer Pigmente und Bindemittel hervorgebracht. Trotzdem sind Jahrhunderte alte Pigmente bis heute für bestimmte Aufgaben unübertroffen. Das gilt ebenso auch für verschiedene historische Bindemittel und natürlich auch für viele alte Anwendungstechniken. Die Vorteile natürlicher Mineralfarben können auch in der heutigen Zeit immer noch in vielfacher Form genutzt werden, allerdings stellen Maler ihre Farben nur noch selten selbst her. Bei Arbeiten als Restaurator kann das jedoch durchaus erforderlich sein. Dabei ist es wichtig, bei den Lieferanten auf den unver­schnitte­nen Einsatz dieser wetterfesten, lichtechten, alkalibeständigen und auch sonst unbedenklichen Pigmente zu bestehen. Das gilt besonders für die unter­schiedlichen Leinölfarben und -lasuren.

Diese Pigmente können unbedenklich in Kalk, Zement, auch Beton, maximal mit drei bis vier Prozent Zusatz zum Einfärben verwendet werden. Hier sind im Normalfall keine Zusätze natürlicher Bindemittel erforderlich. Zur Verlängerung der erforderlichen Abbindezeit bei Kalkanstrichen außen können kleine Mengen Salz oder Heringslake zugegeben werden. Mit Malerleim als Zusatz wird innen die Wischfestigkeit verbessert. Die gute alte Leimfarbe kann heute fertig geleimt in Pulverform bezogen werden. Gute Lösungen sind auch mit Kalkkaseinfarben möglich. Damit ist eine stärkere Farbigkeit und höhere Wetterfestigkeit zu erreichen.

Gute Silikatfarben sind wohl das beste Material an der Fassade. Dafür wird bei den klassischen 2K-Farben immer ein rein mineralischer Untergrund gefordert. Neue einkomponentige Silikatfarben oder Sicherheitsgrundierungen machen den Einsatz auch auf kritischen Untergründen möglich.

Die Ausführung macht‘s

Bei allen genannten Produkten – ob Farben, Putze oder Lasuren – ist der Einsatz natürlicher Pigmente gefordert. So wird nicht nur die Langzeitqualität und Lichtechtheit gesichert, sondern diese Farbtöne harmonieren auch miteinander sehr gut und verursachen keine „optischen Umweltschäden“.

Neben den historischen Pigmenten und Bindemitteln sollten die damit auszuführenden alten Techniken nicht vergessen, sondern auch genutzt werden. Damit sind durchaus ansprechende Gestaltungen sowohl im Bestand, als auch am Neubau möglich. Der aktuel­le Wohntrend verlangt wieder Naturfarben und histo­rische Ausführungstechniken. Die Kundschaft ist dafür längst aufgeschlossen. Das Handwerk sollte dies auch nutzen.

Autor

Hans Jürgen Ronicke ist Malermeister, Innenarchitekt WKS, Restaurator im Handwerk und freier Autor unter anderem der Zeitschrift bauhandwerk. Er lebt und arbeitet in Wittenberg.
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