Farben nach historischen Rezepturen
Wie man mit alten Rezepturen aus Kalk, Lehm und Ton und historischen Techniken Innenwände gestalten kann

Jahrhunderte lang bewährte Baumaterialien werden in modifizierter Form auch heute eingesetzt. Unter-, Ober- und Streichputze sowie Farben aus Kalk, Lehm und natürlichem Ton können nach alten Rezepturen selbst angemischt oder als fertige Produkte von spezialisierten Herstellern bezogen werden.

Nicht nur bei der Sanierung von Baudenkmalen, auch im Neubau und bei der Renovierung von Altbauten erfreuen sich nach historischen Rezepten hergestellte Farben, Lacke und Schutzanstriche zunehmender Beliebtheit, da sie als umweltfreundlich und wohngesund gelten.

Zum Einsatz kommen dabei natürliche Öle, Harze und Wachse sowie Silikatfarben mit Kaliwasserglas. Trotz vieler einfacher Rezepturen müssen sich Handwerker ihren Putz oder ihre Farbe nicht selbst mischen, denn einige namhafte Hersteller liefern die geforderten Qualitäten in großer Auswahl bereits fertig.

Bestandteile alter Rezepturen wie Vitriol, Kupferspäne, Pyrogallussäure, Kupferchlorid, Tannin, Apfelbaumrinde, Gummigut, Safran, Eisenchlorid, Grünspan, Ochsengalle oder Pottasche sind oft giftig, teuer oder schwer zu beschaffen. Bewährte Pigmente, wie beispielsweise Bleiweiß oder Bleimennige sind wegen ihrer Giftigkeit nicht mehr zugelassen. Für die Denkmalpflege gibt es jedoch strenge Ausnahmegenehmigungen.

Mit ökologisch unbedenklichen Produkten können nicht nur klimatisch bessere Räume geschaffen werden. Überlieferte und aktuelle Ausführungstechniken machen eine Vielzahl edler Oberflächen-gestaltung  bei hoher Qualität möglich. Für ein gutes Ergebnis sind aber Grundregeln bei der Ausführung einzuhalten. Dabei nimmt die Vorbereitung der verschiedenen Untergründe einen wichtigen Raum ein.

Vorbereitung der Untergründe

Neuen Kalkputz und Nachputzstellen sollte man mit Fluat-Salz neutralisieren: 100 Gramm Salz in einem Liter warmen Wasser aufgelöst. Nach einreibendem Streichen mit einer Deckenbürste 24 Stunden trocknen lassen. Einsatz auch auf Gipsputzen.

Schmierseife, klumpenfrei aufgelöst, ist eine preiswerte Putzgrundierung für nachfolgende Leimfarbenanstriche. Darauf kann sofort „nass in nass“ weitergearbeitet werden.

Alaun-Lösung als Grundierung kann dagegen erst nach 24 Stunden überstrichen werden.

Lehmputze sollten möglichst nur mit Lehmedelputzen, Lehmstreichputzen oder Lehmfarben direkt auf den Lehmunterputz beschichtet werden. Andere Systeme verlangen für die Haftung eine Sicherheitsgrundierung. Das gilt besonders für reine 2K-Silikatfarben und auch für Kalkfarben. Bewährt haben sich Kalk-Kasein-Kombinationen mit hohem Kaseinanteil als Grundierung. Auch die Hersteller liefern dafür passende Grundierungen.

Holz außen und Fachwerk bedarf einer gründlichen Vorbereitung für einen Neuaufbau mit natürlichen Ölfarben. Dabei dürfen keinesfalls alte, wenn auch intakt scheinende Acryl- oder Dispersionsfarben auf Holzuntergründen überstrichen werden. Diese muss man restlos mit dem Fön oder unbedenklichen Abbeizern entfernen. Das sollte möglichst porenrein erfolgen. Das gilt auch für alte Silikon- und giftige PCP-Acrylfugenmassen.  Bei Fachwerk dürfen schmale Risse offen bleiben. Größere muss man mit Holzspänen und Holzrisspaste schließen. Es darf auch kein Wasser in die Fachwerk-Konstuktion laufen können. Harzgallen  müssen aus-
gestochen werden. So vorbereitet kann mit Halböl, Leinöl- oder Leinöl-Standölfarbe lasierend oder deckend neu unbedenklich gestichen werden.

Holz im Innenraum

Alte Fußbodendielen, abgeschliffen und neu geölt, sind wieder sehr geschätzt. Nach dem Entfernen alter Beläge und Kleber muss man prüfen, ob der Unterbau noch in Ordnung ist. Das sollte einem Tischler oder Zimmermann überlassen werden. Das Schleifen hat in richtiger Reihenfolge auch an den Rändern mit jeweils gleicher Schleifpapierkörnung ohne Dellen und Schlieren zu erfolgen. Mit gesammeltem Schleifstaub, gemischt mit Öl oder Lack werden Löcher und kleine Beschädigungen gefüllt. Größere werden mit Holzrisspaste ausgespänt. Nach Säubern der Poren kann eine erste tiefeindringende Grundierung erfolgen. Nägel vorher entfernen oder ausreichend versenken.

Neue Hölzer im Innenraum, auch Nadelhölzer können direkt mit öligen Produkten oder mit Kombinationen aus Öl, Wachs, Harz und Schellack gestrichen werden. Bei Naturholzanstrichen sollte nach dem Vorschliff generell immer farblos grundiert werden. Wird schon mit Lauren grundiert, markieren sich später nicht zu entfernende Fehlstellen im Holz noch verstärkt.

Mit Acrylfarben gestrichene Holzoberflächen dürfen keinesfalls mit Leinölfarben oder -lasuren behandelt werden. Hier muss der alte Anstrich entfernt werden. Intakte alte Ölfarbenuntergründe können aber unbedenklich damit überstrichen werden. Mit einer Salmiakgeistlösung sollte aber vorher gereinigt und angeraut werden.

Kalkanstriche müssen immer mehrmals dünn mit einer kalkfesten Deckenbürste erfolgen. Gestrichen wird kreisend oder in Form einer liegenden Acht. Kalkanstriche verlangen eine lange Abbindezeit bei höheren Temperaturen. Früher wurde dafür gesiebte Heringslake zugesetzt. Heute ist das mit einem kleinen Zusatz einer Salzlösung möglich. Geringe Zugaben von Leinölfirnis (maximal 2 - 3 Prozent)  erhöhen die Abriebfestigkeit. Malerleim darf nur für Innenanstriche zugegeben werden.

Kalkechte Pigmente, angeteigt als Zusatz sollten, 3 - 5 Prozent nicht überschreiten. Volltöne können deshalb nicht gemischt werden.  Das ist mit Kalk-Kaseinfarben besser möglich. Spülmittelzusatz ist hilfreich als Netzmittel. Leimfarben bestehen heute aus eingesumfter Kreide und gelöstem Zellulose-Leim. Zum Abtönen eignen sich alle Pigmente und Volltonfarben. Der Leimzusatz muss stimmen, die Farbe ist sonst nicht wischfest oder blättert ab. Deshalb sind fertige Trockenmischungen von Leimfarbe zu empfehlen.

Kalk-Kaseinfarben können selbst hergestellt oder fertig bezogen werden. In vielen Kirchen und denkmalgeschützten Gebäuden wird Kalk-, Kalkkasein- oder 2K Silkatfarbe von namhaften Herstellern verbindlich von den Behörden vorgeschrieben.

Holz im Außenbereich

Maßhaltige Teile wie Türen und Fenster benötigen einen konstruktiven Holzschutz. Alle Kanten müssen ausreichend abgerundet sein. Wasser darf nirgends stauen. Rohes Holz darf nicht unbehandelt eingebaut werden. Nadelhölzer erfordern Bläueschutz. Der Feuchtigkeitsgehalt darf 15 Prozent keinesfalls überschreiten. Grundiert wird mit Halböl (50 Prozent Leinölfirnis/50 Prozent Terpentinöl). Naturhölzer werden zwei- oder dreimal mit Leinöllasuren beschichtet. Rein farbloses Material ohne UV-Schutz ist nicht wetterfest. Geringe Zusätze von natürlichem Harttrockenöl verbessern die Trocknung. Bei Schlussanstrichen verbessert der Zusatz von 20 Prozent Leinölstandöl die Wetterbeständigkeit. Bei Lasuren und deckenden An-
strichen dürfen nur lichtechte wetterfeste Pigmente eingesetzt werden. Einzelne Anstriche müssen ausreichend durchtrocknen.

Bei nicht maßhaltigen Teilen sollte immer nur offenporig in dünnen Schichten gearbeitet werden. Versilbern von unbehandeltem Nadelholz mit Nadelholzlauge von Kreidezeit-Naturfarben schützt gegen Pilze, Algen und Insekten durch zweimaligen Auftrag. Damit wird der Silbereffekt natürlicher Alterung rohen Holzes erreicht. Neu eingebautes Holz kann damit dem alten angepasst werden.

Autor

Hans Jürgen Ronicke ist Malermeister, Innenarchitekt WKS, Restaurator im Handwerk und freier Autor unter anderem der Zeitschrift bauhandwerk. Er lebt und arbeitet in Wittenberg.

Einige namhafte Hersteller liefern die geforderten Qualitäten in großer Auswahl bereits fertig

Herstellerindex (Auswahl)
Kreidezeit Naturfarben, www.kreidezeit.de
Kremer Pigmente, www.kremer-pigmente.de
Hessler Kalk und Putz, www.hessler-kalkwerk.de
Claytec Baustoffe aus Lehm, www.claytec.com
Caparol Farben und Lacke, www.caparol.de
Keimfarben Mineralfarben, www.keimfarben.de
Hesse-Lignal Lacke und Beizen, www.hesselignal.de
Remmers Bautenschutz, Holzschutz, www.remmers.de

Im Internet finden Sie ein Glossar der Bestandteile historischer Rezepturen und ein Rezept für eine Kalk-Kaseinfarbe als Download. Geben Sie dazu bitte den Webcode in die Suchleiste ein.

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 06/2022

Was bei der Verarbeitung von Kalkfarben zu beachten ist

Kreidender und verkieselungsf?higer Altuntergrund muss grundiert werden

Seit der Antike werden Kalkfarben für die Gestaltung von Gebäuden genutzt. Die sich oben absondernde dünne Kalkmilch wurde vom Sumpfkalk abgenommen und bedarfsweise (für farbige Anstriche) mit...

mehr
Ausgabe 12/2015

Historische Pigmente und Bindemittel

Die erste von Menschen benutzte Farbe dürfte rötlicher Ocker gewesen sein, der ausreichend im Erdreich vorhanden war. Frühe Bindemittel waren tierische Fette sowie Wachs von wilden Bienen. Als...

mehr
Ausgabe 03/2012

Historische Kalkkaseintechnik

Bereits in prähistorischen Höhlenmalereien finden sich Milcheiweiße, deren Hauptbestandteil Kasein ist. Die ältesten bekannten Kaseinmalereien aus dem römischen Reich kann man in den Felskirchen...

mehr
Ausgabe 06/2011

Kalkputz – die „natürliche Klimaanlage“

Die natürlichen Inhaltsstoffe sind im Kalkputz die entscheidenden Faktoren für das Raumklima und die bauphysikalischen Eigenschaften. In neuesten Untersuchungen des Fraunhofer-Instituts für...

mehr
Ausgabe 04/2013

Schloss Meersburg umfassend renoviert

Seit April vergangenen Jahres ist Schloss Meersburg am Bodensee nach rund sechsmonatigen Renovierungsarbeiten wieder für die Öffentlichkeit zugänglich. Heute beherbergt es in der Beletage das...

mehr