Leinölfirnis und Leinölfarben
Leinöl gewinnt als Grundlage für Firnis und Farben für den Holzschutz zunehmend an Bedeutung

Leinöl ist ein Grundstoff für Anstriche, die sich innen ebenso wie außen einsetzen lassen. Es wird aus der weltweit angebauten Lein- oder Flachspflanze gewonnen, indem man die getrockneten Samenkörner in Ölmühlen zerquetscht. Durch hohen Druck wird daraus dann das für Hölzer segensreiche Leinöl gewonnen.

Leinöl wird entweder im Kalt- oder im Heißpressverfahren gewonnen. Es trocknet für den Einsatz in Farben jedoch zu langsam. Daher wird es durch Zusätze und weitere Behandlung zu Leinölfirnis umgewandelt. Leinöl trocknet oxidativ durch die Aufnahme von Sauerstoff aus der Luft. Mit Zusätzen von rund drei Prozent Trockenstoffen wird die geforderte schnellere Trocknung erreicht. Der dazu früher gebräuchliche Zusatz von giftigen Blei- und Mangansikkativen und das Aufkochen mit Bleiglätte ist nicht mehr zulässig. Heute werden als Trocknungsbeschleuniger Cobalt- und Zinconium-Oktoate eingesetzt.

Hochwertiger Leinölfirnis ist nicht mit billigen Zusätzen verschnitten und enthält keine Verschmutzungen. Durch Verreiben einiger Tropfen auf dem Handrücken und auch am Geruch ist minderwertiges Öl leicht zu erkennen. Durch Erhitzung und Verkochung entsteht aus Leinölfirnis Standöl. Durch einen geringen Zusatz von Standöl zu Leinölfarbe wird die Wetterfestigkeit und der Glanzgrad von Ölfarben erhöht.

Renaissance der Leinölfarbe

Leinölfarben sind im Handwerk heute wieder allgemein gebräuchlich geworden, weil sie die gestiegenen Forderungen nach positiven ökologischen Eigenschaften von Produkten am Bau erfüllen. Sie werden deshalb beim Neubau und in der Sanierung immer mehr für die umweltbewusste Behandlung beim Schutz von Holz eingesetzt. Leinölfarben sind biologisch unbedenklich, daher gibt es bei ihrer Verwendung auch keinerlei Probleme mit den neuen VOC-Gesetzen. Die hohe Wetterfestigkeit und die große Elastizität dieser Farben auf Holz werden seit Jahrhunderten geschätzt. Mit solchen Farben lassen sich auch die Auflagen der Behörden für Arbeiten am Denkmal gut erfüllen.

Trotz vieler Neuentwicklungen der Industrie haben große wie kleine Farbenhersteller daher zu der guten alten Leinölfarbe zurückgefunden. Caparol hat sich zum Beispiel in der Produktserie Histolith mit einer Leinölfarbe dem Fachwerk angenommen. Der Maler braucht sich diese Leinölfarbe nicht mehr selbst anzurühren und abzutönen. Caparol liefert die vielen unterschiedlichen historischen Farbtöne für Fachwerk aller Regionen bundesweit vom hohen Norden bis in den Süden.

Hersteller wie Kreidezeit-Naturfarben stellen ausschließlich Produkte aus natürlichenRohstoffen her. Kreidezeit setzt in seinen Lasuren und Leinölfarben nur biolöogisch unbebedenkliche Pigmente ein. Eine große Farbtonbreite wird durch die Mischung der Pigmente und Aufhellungen mit Titanweiß erreicht.

Natürliche Zusätze

Leinölfarben sind bauphysikalisch sinnvoll und die richtige, konsequente Ergänzung zu Ziegel-, Holz-, Kalk- und Lehmbauweisen. Aber Vorsicht beim Einkauf: Farben mit der Bezeichnung „Auf Leinölbasis“ genügen nicht unbedingt den Qualitätsansprüchen an reine Leinölfarben. Dennoch dürfen Leinölfarben oder -lasuren nützliche Zusätze enthalten. Das können natürliche Wachse, wie Bienen- oder Carnaubawachs sein. Diese Ergänzungen sind bei der Behandlung von Holzfußböden oder Möbeln vorteilhaft, denn mit ihnen kann der Handwerker den Glanzgrad von Farben oder Lasuren variieren. Selbst mit den besten Leinölfarben lassen sich jedoch keine optimalen Ergebnisse erzielen, wenn man nicht nach bewährten handwerklichen Regeln damit arbeitet. Das gilt besonders für die Arbeit am Holz im Außenbereich.

Eine kleine Auswahl von Verarbeitungsregeln

Zu konstruktivem Holzschutz gehört neben der Imprägnierung mit Leinöl auch, dass alle scharfen Kanten abgerundet werden. Hirnholz und später verdeckt zugebaute Holzteile müssen vorher ausreichend grundiert und vorgestrichen werden. Das Gleiche gilt für entkerntes Fachwerk. Vor dem Verfüllen der Gefache sollten die Wangen der Balken grundiert und einmal gestrichen werden.

Rohe Nadelhölzer wie zum Beispiel Kiefer müssen immer eine Bläueschutzgrundierung erhalten. Neue Tropenhölzer – wenn man sie denn trotz Regenwaldschwund unbedingt verwenden will – benötigen eine Spezialgrundierung gegen schädliche Inhaltsstoffe.

Einen Vorschliff führt der Handwerker immer nur in Faserrichtung des Holzes aus. Das Schleifpapier darf dafür nicht zu grob ausfallen. Rohes Holz und rohe Holzstellen bedürfen grundsätzlich einer gut eindringenden Grundierung mit Halböl (Leinölfirnis, 1:1 verdünnt). Leinölfarben sollte man auch nicht auf alte Dispersionsanstriche aufbringen. Diese müssen vor der Bearbeitung restlos entfernt werden. Abbeizen sollte man nur mit unbedenklichem Material und die abgebeizten Flächen müssen anschließend immer neutralisiert werden. Zu dicke Ölfarbschichten lassen sich mit dem Fön entfernen, lose Farbreste mechanisch. An der historischen Bausubstanz ist Sandstrahlen keine Alternative – das mögen die Denkmalbehörden nicht.

Ein mehrschichtiger Ölfarbenaufbau wird immer „von mager nach fett“ angelegt, das heißt, dass Vorstreichfarben einen höheren Pigmentanteil haben müssen, ansonsten kann es später zur Rissbildung kommen. Jeder Zwischenanstrich muss außerdem ausreichend durchgetrocknet sein, bevor die nächste Lage aufgetragen werden kann. Vorsicht – oder zumindest professionelle Achtsamkeit – ist bei der Arbeit mit Leinöl ebenfalls geboten: Getränkte Putzlappen, Putzwolle, Späne oder ähnliches können sich erhitzen und von selbst entzünden. Solche Materialien müssen sicher entsorgt beziehungsweise fachgerecht gelagert werden.

Starke Farben mit schlechter Qualität

Gewarnt werden muss vor dem Einsatz von starkfarbigen Lasuren in schlechter Qualität, also nicht ausreichender Lichtechtheit. Das gilt für Modefarbtöne wie Echtgelb und Echtrot, aber auch für Ausmischungen mit nicht lichtechtem Gelb, Blau oder Grün. Solche minderwertigen Lasuren verändern am Licht sehr schnell den ursprünglichen Farbton und bleichen aus. Unterhalb von Dachüberständen oder Fensterläden passiert das jedoch nicht so intensiv. Diese starken Farbunterschiede akzeptiert mit Recht kein Kunde.

Autor

Hans Jürgen Ronicke ist Malermeister, Innenarchitekt WKS, Restaurator im Handwerk und freier Autor unter anderem der Zeitschrift bauhandwerk. Er lebt und arbeitet in Wittenberg.

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