Maßgeschneidert

In der ehemaligen Spinnerei in Kolbermoor bei Rosenheim ist ein neues Wohn-, Geschäfts- und Büroquartier entstanden. Eingestellte Konstruktionen aus Gipsplatten und daraus maßgeschneiderte Raumkuben ermög­lichen die vielfältige Nutzung der alten Industriearchitektur.

Mit Hilfe von Trockenbau, Glas und außergewöhnlichen Ideen schuf das Planungsteam von Quest Architekten aus Rosenheim in der zwischen 1862 und 1872 erbauten Alten Spinnerei Kolbermoor in den vergangenen drei Jahren neue aufregende Wohn- und Arbeitslandschaften. Die Räume in den umgenutzten Industriebauten begeisterten auf Anhieb zahlreiche Käufer und Mieter, so dass die sieben bereits revitalisier­ten Bauwerke schnell belegt waren.

Frei im Raum stehende, statisch eigenständige Kuben

Rund 21 000 m² Nutzfläche finden in dem aus neun Gebäuden zusammengesetzten Industrieensemble Platz. Viele davon, so das Färbereigebäude respektive Turbinen- und Kesselhaus, das Batteurgebäude und das Baumwollmagazin, waren noch bis 1993 in Betrieb. Danach war es zwölf Jahre lang still auf dem Gelände, während der damalige Besitzer versuchte, die Industriebrache in ein Neubauquartier zu verwandeln – und glücklicherweise am Widerstand der Stadt scheiterte. Mit dem Kauf der Immobilien durch die Familien Werndl wandelte sich das drohende Abbruchschicksal der Baudenkmäler in die geniale Chance, die historische Bausubstanz mit moderner Innenarchitektur zu kombinieren. Dies erreichten die Planer, indem sie die Backsteingebäude mit in-dividuell strukturierten und meist frei im Raum stehenden und statisch eigenständigen Kuben aus Trockenbau kombinierten. So schufen sie in Zusammenarbeit mit der ausführenden Karl Hechenberger Akustik-Trockenbau GmbH & Co KG einzigartige Industrielofts, die durch farbige Anstriche mit Silikatfarben individuell betont werden.

 

Zahnarztpraxis in grün gestrichenen runden Kuben

„Sich durch maßgefertigte Ausbauten vom Markt abzuheben, ist ein Markenzeichen von Quest Immobilien“, kommentieren Katja Stelzer und Thomas Gerhager, die mit dem Projekt betrauten Architekten vom Büro Quest Architekten das Motto der Gesellschaft. Ein Motto, das bei Kunden offene Türen einrennt. So zum Beispiel bei einem Zahnarzt, dem ein eigentlich als fiktive Ideenskizze gedachter Planungsvorschlag einer Praxis so gut gefiel, dass er den Auftrag erteilte, seine Räumlichkeiten in der Spinnerei genau so zu gestalten. Geschwungene Wände rahmen nun die einzelnen Behandlungszimmer ein. Garderobe und Schränke sind in diese Innenausbauten integriert, die Farbe Grün setzt alles in Szene, Lichtinstallationen weisen den Weg. Bis zu vier Lagen Knauf Formplatten geben den runden Räumen ihre Form. Alle Raum-in-Raum-Systeme wurden mit Decken versehen, die größtenteils begehbar sind und so leicht gereinigt werden können. Die doppellagige Beplankung der Trennwände zwischen Behandlungsräumen und Verkehrsflächen mit den Pianoplatten des Herstellers gewährleisten die hier erhöhte Schallschutzanforderung von 52 dB. Um Schallbrücken zu vermeiden, wurden auch die Decken der betreffenden Zimmer mit einbezogen.

 

Stabile Raum-in-Raum-Systeme in vielen Farben

Nicht Grün, sondern Blau dominiert das Zentrum eines Vermessungsbüros, das in den hohen Räumen der alten Spinnerei residiert. Die so kolorierte Küchen- und Sanitärzelle – ebenfalls ein Raum-in-Raum-System – ist der optische Mittelpunkt des zweigeschossigen, offen gestalteten Grundrisses. Auch dieser aus W 112-Wänden gestaltete Kubus ist mit einer Decke kombiniert, die zu Reinigungszwecken begangen werden kann.

Die benachbarte Werbeporzellanmanufaktur hat auf der Decke ihrer – rot gestrichenen – Raumzelle aus Knauf W 112-Wänden den Besprechungsraum angeordnet. Entsprechend musste die Decke für eine höhere Verkehrslast ausgelegt werden. Sie ruht daher auf 12 cm hohen Stahlträgern, die mit einer Trockenbaukonstruktion bekleidet wurden. Der Kubus selbst verbirgt die Sanitär- und Lagerräume des Unternehmens sowie die Teeküche.

 

Sichere Fluchtwege in F 90

Das neue Treppenhaus im sogenannten „Spinnerei-Neubau“ besteht gleichfalls aus einem Skelett aus Metallständern, das mit Knauf Platten beplankt wurde. Weil die Zahl der Fluchtwege im Gebäude begrenzt ist, muss es besondere Sicherheitsanforderungen erfüllen und wurde aus diesem Grund in F 90 ausgeführt und mit 20 mm Fireboard auf jeder Seite doppelt beplankt. Als Ständerwerk dient hier, wie in einem Großteil der restlichen Raumzellen, das Knauf Cubo System. Dieses Raum-in-Raum-System ist industriell vorgefertigt und lässt sich somit wesentlich kostengünstiger realisieren als individuelle Lösungen. Es besteht aus einer freispannenden Decke und vier Teleskopstützen, die mit Langlochprofilen verbunden werden und sich somit schnell und unkompliziert an die unterschiedlichen Raumgegebenheiten von Altbauten anpassen lassen.

 

Trockenbau ermöglicht individuelle Gestaltung der Lofts

Die mit solchen Trockenbaukonstruktionen mögliche Flexibilität, die einfachen Anschlussvarianten – etwa an die ebenfalls in der Spinnerei verbauten Stahlgalerien oder die gebogenen Ziegelkappendecken – und das geringe Gewicht der Metallständerwände in Verbindung mit jener Möglichkeit, Raumzellen zu bilden, machten die Knauf-Konstruktionen zum idealen Werkzeug, um die historischen Räumlichkeiten mit moderner Innenarchitektur zu bestücken. Auch die Trennwände zwischen den einzelnen Büroeinheiten sind in Leichtbauweise ausgeführt. Lediglich bei den Wohnungstrennwänden entschieden sich die Planer für Massivbaukonstruktionen. „Allerdings wären auch hier problemlos Leichtbaualternativen möglich gewesen. Wir haben uns nur aus psychologischen Gründen anders entschieden“, dokumentiert Christoph Fuchs, der als Architekt bei Quest mit dem „Spinnerei-Neubau“ betraut war, diese Entscheidung.

Die Zwischenwände in den Wohneinheiten bestehen hingegen ausschließlich aus Gipsplatten – und nutzten geschickt alle Vorteile dieser Konstruktion. In einer Loftwohnung etwa integrierten die Planer im Bad eine Festverglasung in die 12,5 cm dicken Wände aus Gips-
platten. Die in die Konstruktion integrierte Laibung hält die Verglasung stabil an Ort und Stelle oberhalb der Badewanne – und gewährt dabei rahmenlose Blicke nach draußen.

In einem anderen Loft nutzte Architekt Fuchs die Möglichkeit, Schiebetüren nach dem System Krona Kit zu integrieren und damit einer offenen Küche eine zusätzliche Speisekammer zuzuschlagen. Weil keine Öffnungsflügel beachtet werden müssen, findet auch die Küchen- und Haustechnik der Wohnung noch Platz in dem kleinen Raum. Die Küchenmöbel sind ebenfalls in diese Wandkonstruktion aus Gipsplatten integriert worden.

Auf der Galerieebene der Wohnung kombinierte der Planer Gipsplatten mit Glasbausteinen und schuf so ein außergewöhnliches Bad, dessen Gestalt an das Oberdeck eines Dampfers erinnert: Seine gerundete Brüstung besteht aus einem Metallständerskelett mit einer beidseitigen Beplankung, bestehend aus je zwei Lagen 6 mm Formplatten. Auf dieser 12,5 cm dicken Konstruktion sitzen die ebenfalls rund angeordneten Glasbausteine. Sämtliche geschlossenen Wände sind innen mit zementärer Dekorspachtelmasse in Q4 gespachtelt. Der Duschbereich ist zusätzlich versiegelt, der Boden aus Knauf Trockenunterboden mit darauf angeordneter Fußbodenheizung verspachtelt und versiegelt. Ein einzigartiger Raum in einem einzigartigen Ensemble, das Historie und Moderne in perfekter Weise kombiniert: die Alte Spinnerei Kolbermoor.

Die neuen Nutzungen ziehen durch frei im Raum stehende Kuben in die alte Spinnerei ein

Tragfähige Lösung: Die Decken der Raum-in-Raum-Systeme können als Galerie genutzt werden

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