Reproduktionen antiker Türbeschläge und Fenstergriffe im Sandgussverfahren von Ventano
Der Bedarf an originalgetreuen Reproduktionen antiker Türbeschläge, Fenstergriffe und Fliesen ist enorm. Techniken wie Sandguss gibt es aber kaum noch in Europa. Das Bissendorfer Unternehmen Ventano lässt in Indien und Vietnam handgemachte Unikate aus Recycling-Schrott im Sandguss fertigen.
Vom Softwareproduzenten zum Türgriffhersteller: Volker Eloesser hat in seinem beruflichen Lebenslauf bewusst einen großen Schlenker gemacht. Der 52-Jährige, der zu den Pionieren der Videospielbranche zählt, baute 2014 in Bissendorf bei Osnabrück den Baubeschlaghersteller Ventano auf. Mit originalgetreuen Reproduktionen antiker Türbeschläge, Fenstergriffe und Fliesen, gefertigt in traditioneller Handarbeit, hat sich das Unternehmen einen Namen gemacht. Das Sortiment umfasst derzeit über 15 000 Produkte.
Ein Rittergut gab den Ausschlag. „Ich habe mich schon immer für alte Häuser interessiert. Als ich vor 20 Jahren ein denkmalgeschütztes Objekt gekauft habe, fing ich an, bei der Sanierung vieles selbst zu machen.“ Um die passenden Griffe für die barocken Türen zu finden, ging er oft auf Floh- und Antikmärkte. Doch die waren irgendwann abgegrast. Und auch das Internet schien wie leergefegt, berichtet er.
Da kam die Idee: ein Nachguss alter Beschläge. Aber nicht maschinell, sondern in Handarbeit. In Europa wurde er aber nicht fündig. Kaum jemand beherrsche das alte Handwerk noch. Spritzguss wäre eine Alternative. Aber der braucht große Stückzahlen. Das größere Manko: Eine Klinke sieht dann haargenau wie die andere aus. Und genau das wollte der Firmengründer nicht. Im Gegenteil: Es sollte eine Produktion in größeren Mengen geben, aber jedes Fabrikant muss ein Einzelstück sein.
Alte Handwerkskunst in Indien und Vietnam
Volker Eloesser reiste herum und wurde schließlich in Indien und Vietnam fündig. „In einer Stadt in Nordindien gibt es noch Menschen, die die alte Handwerkskunst des Sandgusses beherrschen. Dorthin schicken wir Muster, nach denen dann Tür- und Fenstergriffe individuell für unsere Kunden hergestellt werden. Die Vorlagen sind oft 100 Jahre alt. Wir haben eigens einen Qualitätsmanager dort beauftragt, der für soziale und sichere Standards sorgt. Kinderarbeit gibt es nicht“, betont er. In Corona-Zeiten liefert Ventano Beatmungsgeräte und Masken dorthin.
In Vietnam, einst französische Kolonie, lebt die alte Technik der Zementfliesen-Herstellung wieder auf. Auch dort werden Fliesen nach historischen und alten Mustern produziert. Hier gilt genauso: Jedes Produkt ist ein Einzelstück. „Leichte Farbnuancen gehören dazu. Das gibt Charme“, sagt er. Der Kunden-Geschmack habe sich mittlerweile gedreht: „Es gibt viele Industriefliesen mit aufgedruckten Mustern. Das wirkt steril. Jetzt ist der Reiz da, nicht alles zu 100 Prozent perfekt zu haben.“
Donald-Trump-Fliese zum Zertrümmern
Volker Eloesser schwärmt von warmen Naturfarben und zieht in Bissendorf etliche Schubladen mit ornamentreichen Mustern auf. Auch auf dem Fußboden des Firmensitzes in Bissendorf verleihen bunte Zementfliesen den Räumen pittoresken Charme. Hausflure, Treppenhäuser und Wohnbereiche – die Verlegung von historisch nachgebildeten Zementfliesen sei grenzenlos. Und der Bedarf sehr groß. Ein Blick in die Kundenlisten lässt aufhorchen: Der Baron von Münchhausen, das Filmstudio Babelsberg, die Kaiserliche Hofburg in Innsbruck und das Landestheater Detmold gehören dazu.
Beim Baron Münchhausen handelt es sich genauer gesagt um Rembert Freiherr von Münchhausen, der Fenstergriffe aus Messing für sein Rittergut Vahlberg in Niedersachsen bestellte.Ventano-Beschläge benötigte das Filmstudio Babelsberg unter anderem für die Filme „Gunpowder Milkshake“ sowie „Matrix 4“ und „John Wick: Kapitel 4“ (beide mit Keanu Reeves).
„Auch noch erwähnenswert ist das Burgtheater in Wien, wo wir für Türen im Foyer mit originalgetreuen Reproduktionen helfen konnten. Initialen von Kaiser Franz Joseph, dem Ehemann von Sissi auf unseren Beschlägen inklusive“, erzählt Volker Eloesser. Sogar nordkoreanische Kampfkünstler kauften bei Ventano. Wobei die Taekwondo-Mannschaft den bislang ausgefallensten Wunsch äußerte. Für ihre Shows benötigte das Team besondere Fliesen mit einem Motiv zum Zertrümmern: Das Konterfei des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump zeigt ihn mit weit aufgerissenem Mund und grimmigen Blick.
1000 Fenstergriffe für das Parlament von Schleswig Holstein
Volker Eloesser schmunzelt, als er die Trump-Fliese aus dem Regal zieht. „Ansonsten geht es bei unseren Kunden um die denkmalgerechte Restaurierung oder Modernisierung von Altbauwohnungen oder Gründerzeit-Villen. Darunter sind Privat-Kunden, Immobilien-Verwaltungen sowie Museums-, und Schloss-Verwaltungen. Das Unternehmen im Landkreis Osnabrück ist auf 25 Mitarbeiter angewachsen, der Kundenstamm weitete sich auf über 100 000 Privatkunden aus. Zu den größten Projekten zählt bislang das Landeshaus in Kiel (Parlament von Schleswig Holstein), wo in enger Abstimmung mit dem Denkmalschutz annähernd 1000 Fenstergriffe von Ventano montiert wurden.
Das Thema Nachhaltigkeit stehe oben auf der Agenda. Die Messing-Produkte bestehen zu 100 Prozent aus Recycling-Schrott. Bei den Tür- und Fenstergriffen handelt es sich um alte Wasserhähne aus Deutschland. Beim Verpackungsmaterial wird auf Recyling-Kartonagen und Recyling-Füllmaterial gesetzt.
Die größte Herausforderung des vergangenen Jahres sei der Aufbau eines Vertriebs in der Schweiz gewesen, wo Schweizer Kunden nun ohne lästige Zollprozeduren mit Schweizer Mehrwertsteuer und zu Inlandsversandkosten die Produkte unter www.ventano.ch bestellen können. Im neuen Jahr fokussiert sich die Firma auf weiteres Wachstum, insbesondere in den neuen Märkten Frankreich und Osteuropa.
Das Sandgussverfahren ist aufwändig
Doch wie funktioniert das aufwändige Sandgussverfahren? Zunächst wird das Metall erhitzt. Parallel dazu wird die Form des Türgriffes in Sand gepresst. Ist das Metall flüssig, wird es heiß in die Form gegossen. Nach Erstarren des Gusskörpers wird die Form auseinander genommen. Das Gussteil wird herausgeklopft. Kern und Form zerbrechen. Die rohen Beschläge kühlen ab. Danach werden die Löcher hineingebohrt und die Graten von Hand nachgefeilt. Als nächster Schritt stanzen die Handwerker Vierkantlöcher und polieren das Gussteil. Schließlich wird es galvanisiert und erhält dadurch seine glänzende Oberfläche. Nachdem die Bestellungen verpackt wurden werden sie nach Bissendorf geschickt. Dort werden die Produkte noch einmal kontrolliert, poliert, und zu Tür- und Fenstergriffen montiert. Zulieferteile wie Holzgriffe und Schrauben kommen aus Deutschland, Österreich und Italien.
Für Zimmertüren fertigt Ventano die Schilde mit einem Loch für Buntbartschlüssel in 72 mm Abstand von der Türklinke. Da es in deutschen Altbauten auch oft Türen mit 78 mm Schlüssellochabstand gibt, sind diese ebenso vorrätig. „Wenn das Schlüsselloch keinen 72 oder 78 mm Abstand hat, können wir gegen Aufpreis die Schilde auch mit anderen Schlüssellochabständen fertigen“, erklärt der Firmenchef. In einem solchen Fall wird um etwas Geduld bei der Lieferzeit gebeten.
Fliesen werden nicht gebrannt
In Vietnam werden eingefärbte Steinmehle aus Marmor und Halbedelsteinen für die Fliesen-Oberfläche verwendet. Ein Sand-Zement-Gemisch wird für die Härte beigemischt. Als erstes spritzt der Handwerker die Farben in die vorgegebenen Metall-Formen. Für jedes Muster gibt es eine eigene Metallschablone. Diese wird in den Präzisionsrahmen eingesetzt, der auf der Platte fest aufsitzt. Danach werden Marmorstaub, Zement, Halbedelsteine und Farbpigmente gemischt und mit Wasser zu Farbpasten angerührt. Die einzelnen Felder der Schablone werden mit diesen Farbpasten gefüllt. Danach wird das Sand-Zement-Gemisch darüber gegeben und alles zusammengepresst. Die Metallschablone wird vorsichtig aus dem Präzisionsrahmen gehoben. Zum Trocknen stehen die Fliesen danach im Regal, werden später gewaschen und für den Versand verpackt. Ein Brennen der Zementfliesen ist nicht notwendig. Von Bissendorf aus werden jährlich rund 12 000 m2 Fliesen verschickt. Tendenz steigend: Spätestens, wenn die seit den 1970er Jahren überklebten Schönheiten wiederentdeckt werden, wünscht sich manch ein Bauherr eine Renovierung mit handgemachten Reproduktionen.
AutorinMichaela Podschun ist Redakteurin der Zeitschriften bauhandwerk und dach+holzbau.