Restaurierung der Raumschalen im Palais Oppenheim in Köln

Beim Bauen im Bestand sollte man geschmeidig bleiben. Überraschungen bei Restaurierungen an Gebäuden, die ein Jahrhundert hinter sich haben, sind auch keine Neuheit. Das Palais Oppenheim in Köln war jedoch mehr als ein gewöhnliches Restaurierungsprojekt.

Das von 1906 bis 1908 nach Plänen des Architekten Charles Fréderic Mewès erbaute Palais Oppenheim präsentiert sich selbstbewusst auf einem 100 m breiten Grundstück entlang des Gustav-Heinemann-Ufers. Während im ersten Bericht über das Palais Oppenheim in bauhandwerk 1-2.2022 auf den Umbau mit neuem Dachgeschoss des Hamburger Architekturbüros RHWZ Renner Hainke Wirth Zirn Architekten eingegangen wurde, stehen nun die Restaurierungsarbeiten des Innenausbaus insbesondere des Stucks und Innenputzes im Vordergrund. 

Ambitionierte Ausführung im Stil des Neu-Rokoko 

Die frühklassizistische Architektur des Palais erscheint opulent und hat dank einer sehr ambitionierten Ausführung der Konstruktion und des Ausbaus viele Herausforderungen für die Restaurierung geboten. Die Architektursprache trägt die klare Handschrift des Franzosen Mewès, der im Auftrag des adeligen Bankiers und Bauherrn Emil Freiherr von Oppenheim das Palais als Stadtresidenz errichtete. Die zentrale Halle mit ihrem Glasdach im Kern des Gebäudes und die ehemals festliche Louis-XVI-Ausstattung der Beletage spiegeln seine Erfahrung als Architekt für anspruchsvolle Bauvorhaben im Luxussegment wider. „Die Architektur des Palais Oppenheim ist eine Katalogarchitektur in Anführungsstrichen. Multiplikator dürften Nobelhotels und Ozean-
dampfer gewesen sein, für deren Ausstattung Mewès zusammen mit seinem Büropartner Arthur Joseph Davis Entwürfe lieferte“, erläutert Dr. Sabine Lepsky die Architektursprache des Palais. Ausstattungselemente wie etwa das dekorativ gestaltete Glasdach der zentralen Halle, besondere Putze oder Wandbekleidungen finden sich auch in den Grandhotels Ritz in London und Paris oder den Kreuzfahrtschiffen der HAPAG und Cunard Line wieder. 

Steinputz unter Anstrichschichten verborgen 

Die Nutzung des Palais als Ort für Castings der Sendung „Deutschland sucht den Superstar“ und als Standort des ADAC hinterließ auch in puncto Wandanstriche ihre Spuren. „Die Überanstriche, die wir vorgefunden haben, sind aus meiner fachlichen Sicht etwas hemdsärmelig vorgenommen worden“, kommentiert Restaurator Thomas Lehmkuhl die vorgefundene Situation. Doch als die Handwerker auf der Baustelle mit der Freilegung der alten Farbanstriche in der Beletage begannen, staunten sie nicht schlecht angesichts des bauzeitlichen Fundes: Steinimitatputz. Hierbei handelt es sich um eine Putzart, die in diesem Fall eine Nachempfindung oder gar Imitation des außen verwendeten Sandsteins darstellt. Die Natursteinpartikel im Putz erzeugen ein Gefüge, eine Farbigkeit und eine Zusammensetzung, die den Putz bei besonders hoher Qualität auch aus nächster Näher schwer von einem echten Naturstein unterscheiden lassen. Sogar Werksteinfugenschnitte wurden zu seiner Zeit vorgenommen, um dem Aussehen von Naturstein möglichst nah zu kommen. Im Falle des Palais Oppenheim aus Sicht von Lehmkuhl ein Glücksfall: „Dieser Steinimitatputz den wir vorgefunden haben ist absolut hochklassig in der Mörtelrezeptierung und in der handwerklich-künstlerischen Ausführung.“

Die Idee hinter dieser Gestaltung ist gemäß Dr. Lepsky eine Geste, bei der die äußere Natursteinfassade aus Sandstein in das Innere des Gebäudes gezogen wird. Die Anwendung von Steinimitatputz ist zwar günstiger gewesen als die Innenwände mit Platten aus Naturstein zu verkleiden, aber der Aufwand für die Herstellung dieses durchgefärbten Materials ist nicht minder aufwendig gewesen. Für Dr. Lepsky und Thomas Lehmkuhl war der Fund des Steinimitatputzes in dieser Qualität eine Gelegenheit, die Freilegung zu testen und in Absprache mit dem Bauherrn im Sinne des Denkmals ein 3 m hohes und 1m breites Sichtfenster zu erzeugen, das an einer Stelle der zentralen Halle neben dem Eingang zum Mahagonisaal den bauzeitlichen Putz sichtbar macht. „Wir haben das an dieser einen Stelle aus didaktischen Gründen umgesetzt, um einerseits die Qualität zu demonstrieren und andererseits die Machbarkeit zu testen“, erläutert Thomas Lehmkuhl die Bedeutung des Sichtfensters.

Nicht alles konnte restauriert oder rekonstruiert werden 

Im Mahagonisaal fand das Team eine rote Stoffbespannung aus der Zeit des ADAC vor, bei der man sich angesichts des Zerstörungsgrades und der Tatsache, dass es sich nicht um eine bauzeitliche Gestaltung handelte, gegen eine Restaurierung beziehungsweise Rekonstruktion entschied. Ähnlich erging es auch den beiden markanten Wandmalereien aus den 1950er Jahren, die sich im Damensalon befanden. Dargestellt sind wohlhabende Herrschaften in einer blühenden Landschaft mit Pferden und Kutschen als Fahrzeug – eine Umsetzung des Themas „Motorisierung“ in klassizistischer Bildsprache im Auftrag des ADAC. Die Urheberin  ist die Malerin Helga Tiemann, die unter anderem für ihre Plakatmalereien für Marken wie die weiße Dame von Persil bekannt war. Um jedoch die klassizistische Architektur in ihrer Gesamterscheinung nicht zu stören, entschied man sich gemeinsam mit dem Bauherrn gegen einen Erhalt der Gemälde vor Ort und rekonstruierte die Wandspiegel wieder in monochromer Fassung. Die großformatigen Bilder dagegen sind an einem sicheren Ort gelagert.

Rekonstruktion der Stuckelemente im Weißen Saal 

Im weißen Saal südlich des Gartensaals in der Beletage wurde insbesondere der bauzeitliche Stuck im Übergangsbereich zwischen Wand und Decke unter die Lupe genommen. „Das Gebäude hat ganz klar über die Jahrzehnte einige ungünstige bauphysikalische Einwirkungen erlebt“, erklärt Thomas Lehmkuhl. Erschwerend kamen aus restauratorischer Sicht nicht angemessene Überanstriche der Gesimse hinzu, die nicht diffusionsoffen waren. Die unter den Vouten verbauten Drähte zur Befestigung korrodierten daraufhin über die Jahrzehnte. Der feste Verbund mit der darunter liegenden tragenden Wand war nicht mehr gewährleistet. Von einzelnen Komponenten, die irreversibel beschädigt waren, wurden Abgüsse erstellt, um eine Rekonstruktion der Stuckelemente im Werk zu ermöglichen und diese bauzeitlich wieder zu befestigen.

Die Nachempfindung der bauzeitlichen Befestigungsmittel sind für Dr. Sabine Lepsky und Thomas Lehmkuhl aus denkmalpflegerischer und restauratorischer Sicht eine Selbstverständlichkeit, wie auch beim Umgang mit der Holz- und Natursteinsubstanz in den folgenden Artikeln in der bauhandwerk als Fortsetzung der Serie über das Palais Oppenheim deutlich werden wird.

 

Autorin

Nathalie Brum, geb. Gozdziak, ist Architektin, Journalistin und Klangkünstlerin. 2014 schloss sie ihr Architekturstudium an der RWTH Aachen ab und arbeitet seitdem als Architektin in Köln.

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