Schulen im Showroom

Im sauerländischen Iserlohn hat der Profilschienenhersteller Schlüter-Systems einen bestehenden Verwaltungsbau in ein Schulungszentrum für seine Bauprodukte umgewandelt. Denn die Produkt­schulung ist dem Familien­unternehmen enorm wichtig.

Als vor 50 Jahren Werner Schlüter seine Fliesenhandwerkermeisterprüfung ablegte, wollte er mit guter Arbeit zunächst nur einen erfolgreichen Betrieb aufbauen. Aber neben seinem handwerklichen Geschick zeichnet den Firmengründer von Schlüter-Systems ein pragmatischer Erfindergeist aus. Als echter Handwerker will er die gestellten Aufgaben nicht nur gut, sondern für sich auch einfach lösen. So ersann er 1975 die bekannte Schlüter-Schiene: Ein Kantenprofil für Fliesen, auf das diese einfach in einer Flucht verlegt werden können und zudem einen seitlichen Schlagschutz besitzen. Bis heute ist die Metallschiene, deren Schenkel mit trapezförmigen Rauten in das Fliesendünnbett eingelegt werden, ein Klassiker, der in zahllosen Variationen lieferbar ist.

Seit jeher sieht sich das Unternehmen nah am Handwerk und besitzt bis heute einen firmeneigenen Fliesenverlegebetrieb. Dabei geht es dem Hersteller von Produkten, die das Bauen und vor allem das Fliesenlegen leichter machen, nicht darum, seine Waren einfach nur im Handel zu platzieren – nach dem Motto „Es wird sich sicher verkaufen“. Das Unternehmen verfolgt ein Verkaufskonzept, dessen wesentlicher Bestandteil das „Education Based Marketing“ ist, also ein auf Schulung beruhendes Marketing.

Gefragte Produktschulungen

Seit langem führt Schlüter-Systems Handwerkerschulungen durch, die sich einer großen Nachfrage erfreuen. Da diese in den alten Räumlichkeiten veranstaltet wurden, war die Möglichkeit der Teilnahme oft mit Wartezeiten verbunden. Daher begann man nach neuen Schulungsräumen Ausschau zu halten, und die Wahl fiel auf eine schon vor Jahren zugekaufte Halle mit angeschlossenem Verwaltungstrakt. Für die praktischen Schulungen war ohne allzu große Umbauarbeiten dessen Untergeschoss geeignet. Die theoretischen Lehreinheiten sollten hingegen in den früheren Verwaltungsräumen stattfinden, die zu diesem Zweck jedoch umfassend saniert und umgebaut werden mussten: der konstruktive Anlass für die Schaffung der im April eingeweihten „Schlüter-WorkBox“.

Kern ist ein dreifach teilbarer, aber genauso auch zum Foyer hin ganz zu öffnender Vortragssaal für rund 200 Personen im Obergeschoss. Allerdings war hierfür die bestehende Decke schlicht zu niedrig. So entschloss man sich zu einem Abriss des Flachdachs und der Schaffung eines etwa 3 m höher liegenden Ersatzes mit einer stählernen Tragkonstruktion.

Nachhaltiges Bauen

In Anlehnung an die nordamerikanischen Schlüter-Niederlassungen, aber auch, weil das Unternehmen sehr stark die Idee einer nachhaltigen Planung befürwortet, war man bestrebt, eine entsprechende Zertifizierung zu erhalten. Zudem erhält das Unternehmen zunehmend Gewerke-Ausschreibungen, bei denen Produktzertifikate abgefragt werden und man entsprechende Referenzen vorweisen muss. Zunächst favorisierte man eine Zertifizierung nach dem amerikanischen Standard LEED – Leadership in Environmental Energy Design, stellte jedoch fest, dass sich die erforderlichen Standards nur schwer auf deutsche Bauvorhaben übertragen lassen. Deshalb entschied man sich für das Zertifizierungssystem der DGNB – der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen. Udo Schlüter, der zusammen mit seinem Bruder Marc Geschäftsführer bei Schlüter-Systems ist, findet es bemerkenswert, wie weitreichend die Angaben sein müssen, die im Rahmen einer Nachhaltigkeitszertifizierung abgefragt werden. So geht es eben nicht nur darum, wie gut ein Gebäude isoliert ist, wie wenig Energie zu dessen Unterhalt erforderlich ist und wo diese herkommt. Das Konzept beinhaltet auch strenge Anforderungen hinsichtlich der Nutzerfreundlichkeit des Gebäudes. Dazu gehören Faktoren wie Licht, Akustik, Raumluft oder auch emissionsfreie Baustoffe. Nicht zuletzt musste Schlüter-Systems eine Facility-Management-Planung vorlegen, die unter anderem Konzepte sowohl für das Abfallmanagement und die Gebäudereinigung enthielt.

Eine DGNB-Zertifizierung basiert auf einem Punktesystem, das in Summe ein Prädikat in Bronze, Silber, Gold oder Platin ergibt. Die „Schlüter-WorkBox“ wurde im Rahmen der Eröffnungsfeierlichkeiten durch die DGNB mit dem Prädikat Platin ausgezeichnet. Damit ist die „WorkBox“ der erste Schulungsbau überhaupt, der eine solche Ehrung erhielt.

Konstruktion der „WorkBox“

Der Schulungsbau wird von außen durch ein markantes Eingangsportal geprägt, das entsprechend der Unternehmensfarben in Orange gehalten ist. Die Fassade des schachtelförmigen Schulungsbaus ist in Anthrazit angelegt. Sie besteht aus 75 x 150 cm großen Fliesen, die auf eine gedämmte Trockenbauunterkonstruktion montiert sind. Gebäudeprägend ist der Sonnenschutz aus Streckmetall, der mit einer dem menschlichen Knie ähnelnden Mechanik geöffnet und geschlossen wird. Unmittelbar an den Haupteingang schließt sich die zweigeschossige Empfangslobby an. Sie wird beherrscht von einer 20 m² großen Grünfläche, die vertikal vom Fußboden bis unter die Decke an der Innenwand angebracht ist und die nachgewiesener Weise die Raumluft positiv beeinflusst.

Schulungsablauf und Schulungsphilosophie

Da sich für die Schulungen Handwerker aus ganz Deutschland anmelden, hat es sich bewährt, gegen 11 Uhr zu beginnen. Zunächst gibt es einen theoretischen Teil, auf den ein Mittagsbuffet im Foyer des Obergeschosses folgt. Nachmittags startet dann im Untergeschoss der praktische Schulungspart. Am Tag unseres Besuchs standen Fußbodenheizungen und das entsprechende Schlüter-System „Bekotec-Therm“ auf dem Programm.

Während Klaus-Dieter Berger, Leiter des Seminarwesens, das Prinzip der „Bekotec-Therm“ Fußbodenheizung erläutert, baut Vorführmeister Lars Echtermann vor den Augen der Teilnehmer das System auf. Dabei werden zunächst die Noppenplatten ausgelegt, anschließend verlegt Echtermann die Heizungsrohre und schließt sie an den Verteilerkasten an. Parallel dazu erläutert Berger die korrekte Vorgehensweise und gibt Tipps für die fachgerechte Ausführung.

Im Anschluss an die Vorführung legen die Seminarteilnehmer selbst Hand an und erstellen im Praxisraum einen kompletten Modellaufbau des Keramik-Klimabodens. Hier wird nicht nur das Heizrohr in der „Bekotec“-Platte verlegt, sondern auch der Estrich darüber eingebracht. Die Besonderheit des Systems liegt dabei auf der geringen Estrichhöhe: Der Estrich muss die Noppen der Platte um lediglich mindestens 8 mm überdecken. Anschließend wird die Verbundentkopplung „Ditra 25“ verklebt, bevor der Oberbelag aus keramischen Fliesen aufgebracht wird.

Im Gespräch betont Klaus-Dieter Berger einen elementaren Gedanken der Schulungsphilosophie des Unternehmens: Die Gewerke müssen sich nicht als Konkurrenz, sondern als gegenseitige Chance verstehen. Er plädiert für das Aufbauen von Netzwerken wider strenge Gewerkgrenzen, nicht für einen Wettstreit von Fliesenleger vs. Heizungsbauer. Wichtig ist, so Berger, dass der Einbau der Systeme und das Verlegen der Fliesen handwerklich richtig und sicher ausgeführt wird. Schlüter-Systems bietet dazu Systeme für alle Handwerker wie auch alle Bauteile für das jeweilige System.

Autor

Dipl.-Ing. Robert Mehl studierte Architektur an der RWTH Aachen. Er ist als Architekturfotograf und Fachjournalist tätig und schreibt als freier Autor unter anderem für die Zeitschriften DBZ, bauhandwerk und dach+holzbau.
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