Hochleistungsdämmputz für das Ausstellungsgebäude Mathildenhöhe in Darmstadt

In Darmstadt wurde das Ausstellungsgebäude der 2021 zum UNESCO-Welterbe erklärten Mathildenhöhe energetisch saniert. Dabei kam ein Hochleistungsdämmputz zur Anwendung. Dieser ermöglichte, denkmalgerecht mineralisch zu sanieren ohne bestehende Gebäudeproportionen zu verändern.

Die Darmstädter Mathildenhöhe entstand zwischen 1899 und 1914 als Künstlerkolonie, deren Mäzen der letzte hessische Großherzog Ernst Ludwig war. Er stellte dafür die Grundstücke zur Verfügung und übernahm auch die Baukosten. So wurden vornehmlich im Art-Déco-Stil zahlreiche Wohnhäuser für Künstler geschaffen sowie zwei Ausstellungsbauten und der berühmte Hochzeitsturm, das Wahrzeichen von Darmstadt. Nicht wenige dieser Bauten, insbesondere aber diese Ausstellungsbauten und den Turm, entwarf der Architekt Joseph Maria Olbrich (1867 - 1908), der als primus inter pares der Künstlerkolonie vorstand.

Seit gut 12 Jahren wird das jüngere, aus dem Jahr 1908 stammende Ausstellungsgebäude, durch das Frankfurter Architekturbüro schneider+schumacher unter Leitung der Architektin Astrid Wuttke umfassend saniert. Es entstand als Erweiterung des benachbarten Ernst-Ludwig-Hauses aus dem Jahre 1903, das bis heute das Zentrum des ganzen Ensembles bildet. Verwirrenderweise steht jedoch dieser jüngere Bau direkt auf dem Gipfel der Mathildenhöhe. Denn er wurde auf der Flachdecke eines bereits in den 1880er Jahren gebauten, halb eingegrabenen Wasserspeichers errichtet. Diese Bauoption hatte man bei Gründung der Künstlerkolonie zunächst nicht in Betracht gezogen. Die heute als Industriedenkmal stillgelegte Kavernenanlage besteht aus zwei jeweils 2 500 m³ großen Wasserbecken und hatte bis in die 1990er Jahre Darmstadt mit Trinkwasser versorgt.

Architektonische Anlage

Ursprünglich besaß das Ausstellungsgebäude auf dem Gipfel der Mathildenhöhe einen U-förmigen Grundriss, dessen nördlichem Schenkelkopf der erwähnte Hochzeitsturm vorgelagert ist. Dieser ist jedoch nicht von der aktuellen Sanierung betroffen, da er bereits vor einigen Jahren aufwändig restauriert wurde. An der Stirnseite des südlichen Gebäudeschenkels befindet sich der Haupteingang, der in eine kompakte Eingangshalle führt, die von einem Pyramidendach bekrönt wird.

Ostansicht der Mathildenhöhe, im Hintergrund der Hochzeitsturm. In der Mitte die langgestreckte Halle 2 mit den wieder freigelegten Fensteröffnungen. Seitlich davon die Hallen 1 (links) und 3 (rechts)
Foto: Robert Mehl

Ostansicht der Mathildenhöhe, im Hintergrund der Hochzeitsturm. In der Mitte die langgestreckte Halle 2 mit den wieder freigelegten Fensteröffnungen. Seitlich davon die Hallen 1 (links) und 3 (rechts)
Foto: Robert Mehl
Neben dieser Eingangshalle verfügt der Ausstellungsbau über vier Ausstellungshallen. Drei davon sind bauzeitlicher Natur und in besagter U-Form angeordnet. Sie umschließen eine vierte Halle, die einmal ein mit Rosen bepflanzter Innenhof war. Dieser wurde nach dem Zweiten Weltkrieg infolge eines kommunalen Raummangels überdacht, in den 1970er Jahren noch einmal überformt und weist seitdem ein aktuell ebenfalls saniertes Sheddach auf. Zwischen den Ausstellungsbereichen und dem Hochzeitsturm hatte Olbrich einst die Heizungszentrale des Gebäudes angeordnet.

Nach 1945 entstand hier zunächst eine notdürftige Hausmeisterwohnung, die in den 1970er Jahren durch einen kleinen Verwaltungsflügel ersetzt wurde. schneider+schumacher haben an dessen Stelle einen repräsentativen Empfangs- und Besprechungsraum vorgesehen. Dessen geschosshohe Glaswände schaffen eine sinnfällige Zäsur zwischen dem verputzten Ausstellungsgebäude und dem Backsteinturm, womit hier erstmals eine wahrnehmbare Gebäudeecke entsteht.

Nanoporöse Schwammstruktur

Der für den Erhalt und die Pflege der Künstlerkolonie verantwortliche städtische Eigenbetrieb Kulturinstitute beauftragte im Vorfeld das Stuttgarter Fraunhofer Institut mit der Forschung nach einer geeigneten Innendämmung des Ausstellungsgebäudes. Zwei Mock-ups zeigten, dass sich die Raumproportionen unbefriedigend veränderten und außerdem die Gestaltungsmöglichkeiten erheblich eingeschränkt waren: Man hätte zum Beispiel keinen Nagel mehr an einer beliebigen Stelle einschlagen oder gar schwere Kunstobjekte aufhängen können. Auf der Suche nach Alternativen stieß man auf die Aerogel-basierten Wärmedämmputze: Dabei handelt es sich um Putze mit hochporösen Festkörperzuschlägen, deren Volumen zu 99,98 Prozent aus Poren bestehen. Die Zugabe dieses Materials lässt eine nanoporöse Schwammstruktur entstehen, die eine hohe wärmedämmende Wirkung besitzt. Aerogele werden aus Silikaten hergestellt, wie etwa Kieselsäure, aber auch aus Metalloxiden von Aluminium oder Chrom.

Führend in der Herstellung von Aerogel-Vorprodukten ist die amerikanische Cabot Corporation. Daraus entwickelte die Schweizer Fixit AG eine hochwärmedämmende Aerogel-Putzmischung zur Marktreife. Tests haben ergeben, dass Aerogel-Putze einen Dämmwert von 0,028 W/mK besitzen, womit 3 cm Aerogel-Putz so effektiv ist wie 8 cm EPS-Hartschaum.

Erhalt bisheriger Putzdicken

Der entscheidende Vorteil von Aerogel-Putzen ist die erhebliche Verbesserung der Wärmedämmung allein durch einen Putzflächenaustausch, wodurch alle Fassadendetails in ihrer Bemaßung identisch bleiben. Vor diesem Hintergrund war es nur eine restauratorische Frage, wie man bestehende, in den Putz eingelassene Außenwanddekorationen, wie etwa Mosaikintarsien oder horizontale Würfelbänder, angeht. Tatsächlich wurde unter diesen Details keine Dämmung eingebracht, da das historische Mauerwerk allein 60 cm dick und die entstehende Kältebrücke damit akzeptabel ist. Allerdings bot der Rückbau der 1970er-Jahre-Putzschichten die Möglichkeit einer Restauration der seinerzeit teilweise nachlässig überputzten Würfelbänder.

Sven Braune, ehemaliger bauleitender Meister bei den mit der Ausführung beauftragten Frankfurter Malerwerkstätten Mensinger, hat das Projekt begleitet und erläutert dessen Verarbeitung: Im Grunde genommen ist Aerogel eine flüssig applizierte Wärmedämmung. Es bildet nach dem Aushärten einen kristallinen Schwamm, der eine hochwärmedämmende Wirkung besitzt. Das Aerogel ist relativ weich, muss nach dem Anmachen sofort appliziert und dann schnell vor Witterung und Sonneneinstrahlung geschützt werden. Während des Aushärteprozesses muss man es feucht halten, damit wenig Schwindrisse entstehen. Das eigentliche Aerogel-Vorprodukt ist kornförmig und wird einem mineralischen Basisputz beigemischt. Geliefert wird der Aerogelputz fertig abgemischt in Säcken durch die Schweizer Fixit AG. Mit dem Wasserkontakt beim Anmachen beginnt ein Quellprozess, der den erwähnten Mineralschwamm entstehen lässt.

Flüssig applizierte Wärmedämmung

Der Handwerker beginnt die Putzapplikation auf der zurückgebauten Wandfläche
Foto: Robert Mehl

Der Handwerker beginnt die Putzapplikation auf der zurückgebauten Wandfläche
Foto: Robert Mehl
Der hochdämmende Putz bindet mit etwa 1 cm pro Tag relativ langsam ab. Die Ausführungsplanung sah eine durchschnittliche Putzdicke von 3 cm vor, im Bereich der Fensteröffnungen und Intarsien wächst jedoch die Putzdicke auf bis zu 7 cm an. Die Zeit bis zum Stocken des Putzes ist schwierig zu beurteilen, da das ausgehärtete Material recht weich bleibt und zudem nass gehalten werden muss. Es muss vermieden werden, dass der Putz aufreißt, weshalb sich nach dem Aufbringen einer etwa 1 cm dicken Aerogel-Schicht das Einfügen einer Gewebematte empfiehlt.

Es folgt das sofortige Abziehen nach dem Aufbringen der ersten Lage innerhalb dieses Pilasterfensters
 
Foto: Robert Mehl

Es folgt das sofortige Abziehen nach dem Aufbringen der ersten Lage innerhalb dieses Pilasterfensters
 
Foto: Robert Mehl
Der Putz muss kaum mit einer Traufel abgestrichen werden, vielmehr wird er appliziert und sofort abgezogen. Dann werden die Gewebematten aufgelegt und direkt die nächste Putzlage aufgebracht oder alles gleich mit Folien geschützt. Im November 2022 war die TVB GmbH aus Dreieich – ein Subunternehmen der Malerwerkstätten Mensinger – am Sockel des Ausstellungsgebäudes noch beschäftigt, diesen mit Aerogel zu verputzen.

Preiswürdiges Objekt

An dem im Sommer 2021 als UNESCO-Welterbe eingestuften Ausstellungsgebäude der Darmstädter Mathildenhöhe wurde insgesamt eine Fassadenfläche von 2000 m² mit dem Aerogelputz verputzt. Damit handelt es sich um das bislang größte Einzelprojekt, bei dem ein solcher Hochleistungsputz insbesondere unter besonderer Beachtung des Denkmalschutzes verarbeitet wurde. Vor diesem Hintergrund wurden im NEST, dem Forschungs- und Innovationsgebäude der Eidgenössischen Materialprüfanstalt (Empa), den Sanierungsarbeiten am Ausstellungsgebäude der Darmstädter Mathildenhöhe im Sommer 2022 der „Aerogel Architecture Award“ verliehen. Der Preis wurde 2020 von der Empa und den Industriepartnern Fixit, Agitac, Hag AGA Naturbaustoffe, Hasit und dem Verband AdvaPor initiiert.

Autor

Dipl.-Ing. Robert Mehl studierte Architektur an der RWTH Aachen. Er ist als Architekturfotograf und Fachjournalist tätig und schreibt als freier Autor unter anderem für die Zeitschriften bauhandwerk und dach+holzbau.

Baubeteiligte (Auswahl)

Bauherr Städtischer Eigenbetrieb Kulturinstitute, Darmstadt

Architekten schneider+schumacher
Bau- und Projektmanagement, Frankfurt/Main,
www.schneider-schumacher.de

Ausführung Außenputz  Malerwerkstätten
Mensinger, Frankfurt/Main, www.mensinger.de

Subunternehmer TVB, Dreieich,
www.baudekoration-tvb.com

Putzhersteller Fixit AG, Holderbank/CH,
www.fixit.ch

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