Sanierung und Umbau des Rathauses in Frankfurt an der Oder
Die Sanierung des Rathauses in Frankfurt an der Oder war so vielfältig wie seine Geschichte. Das Herz des Gebäudes ist das Atrium mit seiner Metallkassettendecke. Handwerklich herausfordernd war auch der Einbau der Wandelemente zwischen den Säulen der Wandelhalle.
Die Geschichte des Rathauses in Frankfurt an der Oder beginnt mit einer kleinen, sogenannten Gerichtslaube an der Nordwest-Ecke des heutigen Gebäudes. Bereits im 13. Jahrhundert wurde sie gebaut und bildete den Anfang eines Baus, der immer wieder erweitert, verändert, teilweise zerstört und wieder aufgebaut wurde. Die aktuelle Sanierung hat maßgeblich im Inneren des Komplexes stattgefunden. Lediglich das neue Dach des U-förmigen Gebäudeteils von 1913 auf der Ostseite wurde nun wieder in seiner Proportion an den bauzeitlichen Entwurf angepasst.
Im Vordergrund der Sanierung durch das Berliner Büro ff-Architekten stand der Wunsch, das Rathaus zu einem offenen und lebendigen Ort der Stadtgesellschaft, einem Ort der Debatte und des Gemeinwesens zu transformieren.
Der markante gotische Giebel links bildet die Fassade des Kernbaus zum Marktplatz. Rechts schließt der
Anbau mit dem neuen Haupteingang des Rathauses an
Foto: Andreas Meichsner
Vorausgegangen war der Sanierung ein Realisierungswettbewerb (2015), den das Architekturbüro ff-Architekten in einer Arge mit Andreas Schwarz Architekten für sich entscheiden konnte. Die Idee, den Wirtschaftshof zu einem großzügigen, dreigeschossigen, überdachten Atrium mit Treppenanlage und Galerie zu machen, war bereits wesentlicher Bestandteil des Wettbewerbsentwurfs. Anlass für die Sanierung waren starke Bauschäden gewesen, durch die unter anderem einer der großen Säle bereits nicht mehr genutzt werden durfte. Zudem spielten das Schaffen von Barrierefreiheit und die energetische Ertüchtigung eine wesentliche Rolle.
Standort und Baugeschichte
Steht man auf dem mittelalterlichen Marktplatz von Frankfurt an der Oder und blickt Richtung Norden, erhebt sich auf der linken Seite der Südfassade des Rathauses der markante gotische Giebel des ehemaligen Kernbaus, an den sich der U-förmige Anbau von 1913 östlich anschließt. Über die mittigen Rundbögen des Anbaus wird das Rathaus erschlossen, während im Erdgeschoss des Kernbaus das Brandenburgische Landesmuseum für moderne Kunst mit eigenem Eingang und einer Freitreppe ansässig ist.
Die 1253 errichtete Gerichtslaube wurde um 1300 um den Kernbau, eine zweistöckige, südlich anschließende Kaufhalle mit Keller, erweitert. Nach diversen weiteren kleineren und größeren Anbauten entstanden zwischen 1700 und 1900 auf der Ostseite Bürgerhäuser, die schließlich in die Rathausnutzung eingegliedert wurden. Entscheidend ist allerdings für den heutigen Bau der Erweiterungsbau von 1911 bis 1913, für den die Bürgerhäuser abgerissen wurden. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Rathaus stark beschädigt. Die hölzernen Dachstühle brannten komplett aus und auch im Inneren des Gebäudes waren erhebliche Schäden zu verzeichnen. In den 1950er Jahren wurde das Rathaus wieder aufgebaut und von der Stadtverwaltung bezogen.
Ein wesentlicher Umbau des Rathauses fand in den 1970er Jahren statt. Im Zuge dieser Arbeiten wurde die Erschließung von der Ost- an die Südseite verlegt, ein neuer Erschließungsturm gebaut und der Innenhof erhielt eine Zwischendecke. „Wir hätten gerne mehr der Oberflächen und des Interieurs dieser Phase erhalten, was aus technischen Gründen nicht möglich war“, so Architekt Ralf Fleckenstein. „Unser primäres Ziel war dennoch, so viel wie möglich der vielfältigen Baugeschichte zu erzählen und für die Besucherinnen und Besucher nachvollziehbar zu machen.“
Atrium und Metalldecke
Das Atrium während der Bauphase.Die Fundamente mussten nicht ertüchtigt werden, die Bodenplatte wurde allerdings gedämmt
Foto: Andreas Meichsner
Betritt man das Rathaus durch den Haupteingang am Markt, steht man zunächst im Foyer, der ehemaligen Kassenhalle der Sparkasse, die hier lange ihren Sitz hatte. Das Atrium liegt dahinter im Zentrum des gesamten Gebäudes und bildet quasi das Herz der Entwurfsidee: ein hoher, heller Raum mit Sitzstufen, Galerie, Einblicken und Durchblicken, belichtet über ein Dach mit 15 kreisrunden Oberlichtern und einer Deckenverkleidung aus Metall. Während die gesamte Optik des Raums von weißen, verputzten Oberflächen, hellem Terrazzoboden und Akzenten aus Eichenholz geprägt ist, schimmert in 11,2 m Höhe die Decke goldbronzefarben. Dieses neue Dach mit einer Größe von 18,7 m x 12,2 m ist von außen mit einer simplen Bitumenbahn gegen die Witterung geschützt.
Die Tragkonstruktion besteht aus größeren Stahlhauptträgern, die über die kürzere Richtung spannen und auf Betonpolstern im Mauerwerk aufliegen sowie kleineren Stahlnebenträgern. Unter einer Brandschutzebene hängt das Stahlschienensystem für die vorgefertigten Metallkassetten. „Die Primärstahlkonstruktion war also bereits montiert. Vereinfacht gesagt, haben wir dann die zweite Unterkonstruktionsebene aus einem Schienensystem und Trapezflächen gefertigt und an diesem die Kassetten aus einer 1,5 mm dicken Kupfer-Aluminium-Legierung befestigt“, erklärt Andreas Fella, Geschäftsführer der Firma Metallbasis GmbH & Co.KG.
Das helle, dreigeschossige Atrium mit der Metallkassettendecke ist das Herzstück des
sanierten Rathauses
Foto: Andreas Meichsner
„Das Rohmaterial kam als Coilware in unsere Werkstatt, wo wir es durch Stanzen, Richten und Kanten zu den fertigen Kassetten verarbeitet haben.“ Zur Aussteifung mussten im Anschluss Versteifungsbleche (mit exakt demselben Lochbild) eingeklebt werden. Neben der Lochung sorgt eine vlieskaschierte Akustikdämmung für die optimale Schallaufnahme. Wichtig war den Architektinnen und Architekten, die diagonalen Fugen zu betonen und die orthogonalen in den Hintergrund treten zu lassen, um das Gesamtbild aufzulockern. „Da hier zunächst die schwere Zwischendecke über dem Erdgeschoss entfernt worden war, konnten die bestehenden Fundamente die Lasten des neuen Atriumdaches gut aufnehmen und mussten nicht ertüchtigt werden“, erklärt Tragwerksplaner Peter Schoch von der 2B Planungsgesellschaft mbH aus Berlin.
Wandelhalle, Säle und Tischlerarbeiten
Während im Erdgeschoss des Kernbaus das Museum untergebracht ist, befinden sich im zweiten Obergeschoss die Säle des Rathauses, erschlossen über die sogenannte Wandelhalle. Besonders markant ist hier das zweiachsige Kreuzgewölbe, das bis zur Sanierung nicht in seiner Zweiachsigkeit erkennbar war. Über die Wandelhalle werden von Norden nach Süden der Heilbronnsaal, drei Sitzungssäle unterschiedlicher Größe sowie der Trausaal erreicht. Ebenfalls im zweiten Obergeschoss, aber im U-förmigen Anbau oberhalb des Foyers, befindet sich der Saal der Stadtverordnetenversammlung (SV-Saal).
Im Zuge der Sanierung wurde die bestehende Mittelwand der Wandelhalle aus den 1970er Jahren komplett entfernt und durch Wandelemente zwischen den Säulen ersetzt. Dabei handelt es sich um Tür- und Wandelemente mit Holzverkleidung und hohen, halbrunden, den Bögen folgenden Glasoberlichtern auf der Saalseite. Auf der gegenüberliegenden Seite zum Atrium ist die transparente Wirkung durch Glastüren, deren einziger Holzanteil aus der umlaufenden Laibung besteht, noch deutlicher.
Aufwändig in der Sanierung, aber sehr gut gelungen, sind die Anschlüsse der Holzwände an die profilierten Säulen
Foto: Andreas Meichsner
Die hölzernen Wand- und Türelemente zur Flurseite sind als Wandplatten mit unterschiedlichen Tiefenrastern gefertigt, so dass eine reliefhafte Oberfläche mit unterschiedlichen geometrischen Formen entstand. Die im Werk vorgefertigten Wandplatten wurden vor Ort in ein Schienensystem eingehängt. Was einfach klingt, wurde insbesondere an den Anschlussfugen zu den profilierten Säulen aufwändig, zumal zum Zeitpunkt des Aufmaßes die Säulen noch nicht vollständig reprofiliert waren. „Aufgrund des Zeitplans mussten die Anschlussplatten vor Ort angepasst werden“, erläutert Jan Thoröe, Geschäftsführer der Tischlerei Corpuslinea GmbH & Co.KG. „Da es sich dabei aber unter anderem um Brandschutzplatten mit Betonanteilen handelt, waren diese extrem hart und sehr schwer vor Ort mit den entsprechenden Handmaschinen zu bearbeiten.“ Ein hoher Aufwand, der sich gelohnt hat – das Ergebnis kann sich wirklich sehen lassen.
Auch die Wände des großen, zweigeschossigen SV-Saals wurden mit Eichenfurnierplatten verkleidet. Dabei war vor allem die Westwand, also die Anschlusswand zum Kernbau, so wellig und in sich verdreht, dass hier im Endeffekt mit einem Vorwandsystem gearbeitet werden musste.
Spannend wurde es bei der Holzdecke: „Bauseits gab es hier bereits ein U-Schienensystem, das auch der Be- und Entlüftung dienen sollte“, so Tischlermeister Thoröe. Daran haben wir dann ein Gitternetz aus Trockenbauprofilen befestigt, das durch Höhenversprünge mit individuellen Metallsonderbauteilen für die gewünschte Optik und Akustik sorgt und vor allen Dingen die Leuchten integriert.“ Dabei müssen Leuchtmittel und Trafos möglichst leicht ausgetauscht werden können und die Leuchten hinreichend Platz haben, um auch bei einer Laufzeit von 12 Stunden nicht zu warm zu werden.
Putz- und Malerarbeiten
An sämtlichen Gewölbepfeilern der Wandelhalle mussten die mehrschichtigen Altanstriche komplett entfernt werden und vom Stuckateur danach reprofiliert und angearbeitet werden. Das bedeutete, dass sämtliche Versätze, die durch abgerissene Wände entstanden sind, sorgfältig rekonstruiert und die Säulen anschließend mit Feinputz gefilzt und mit Silikatfarbe gestrichen wurden. Ebenso mussten an 800 m2 Kreuzgewölbe-Decken die Altanstriche entfernt, teilweise neu verputzt und gefilzt werden. „Das können nur Stuckateure, die viel Erfahrung haben, wie bei unserem Subunternehmen, der Firma Historische Fassaden“, so Frank Schuppan von der Firma Maler und Korrosionsschutz Schuppan GmbH. „Bei einem Kreuzgewölbe laufen zwei Tonnengewölbe aufeinander zu, die vier Bögen beziehungsweise Kappen ergeben. An den Graten, die zum Kreuz führen, können keine Eckschienen eingesetzt werden. Diese müssen frei Hand gezogen werden.“ Anschließend wurden die Flächen mit Feinputz gefilzt und mit Silikatfarbe gestrichen. Zudem wurden die materialsichtigen Säulen zwischen Atrium und SV-Saal mit Silikat versiegelt, der Heilbronnsaal gestrichen und diverse profilierte Türrahmen und -faschen reprofiliert und lackiert.
Deckengemälde: Einziges Dokument der Nachkriegszeit restauriert
2017 war das Deckengemälde zunächst konserviert und gesichert worden, bevor es 2024 restauriert werden konnte
Foto: CBB-Restaurierung
Die Sanierungsarbeiten des Gebäudes waren so vielfältig wie seine Geschichte. So wurde beispielsweise auch ein Deckengemälde im nördlichen Treppenraum des Anbaus restauriert. Das Gemälde des Künstlers Rudolf Grunemann von 1952 ist im Grunde das einzige Dokument der Nachkriegszeit im Gebäude. Es zeigt die Geschichte der Stadt und wurde von CBB-Restaurierung restauriert. Zum Schutz des Bildes während der Sanierung wurde es bereits im Vorfeld, 2017, konserviert und gesichert. Die eigentliche Restaurierung erfolgte dann 2024. „Das Bild hatte während der Bauphase Schaden genommen“, so Restauratorin Sara Buchheim, „aber durch die Vorzustandsbilder hatten wir eine gute Grundlage für eine Rekonstruktion. Eine Herausforderung war die Konservierung der Grundierung, was wir schließlich durch eine spezielle Auswahl an Festigungsmitteln in den Griff bekommen haben.“
Dipl.-Ing. Nina Greve studierte Architektur in Braunschweig und Kassel. Heute lebt und arbeitet sie als freie Autorin in Lübeck (www.abteilung12.de) und ist unter anderem für die Zeitschriften DBZ, bauhandwerk und dach+holzbau tätig.
Baubeteiligte (Auswahl)
Bauherrin
Stadt Frankfurt Oder
Gewinner Wettbewerb
ff-Architekten, Feldhusen und Fleckenstein, Berlin, www.ff-architekten.de
Schwarz Architekten, Berlin, schwarz-arch.com
Entwurfs- und Ausführungsplanung
ff-Architekten, Feldhusen und Fleckenstein, Berlin, www.ff-architekten.de
Ausschreibung und Bauüberwachung
Behrens und Heinlein Architekten BDA, Potsdam, www.behrens-heinlein.de
Tragwerksplanung
2B Planungsgesellschaft, Berlin, 2bplan.de
Decke SV-Saal und Wände Wandelhalle
Corpuslinea, Hoppegarten, www.corpus-linea.de
Metalldecke Atrium
Metallbasis, Hammelburg, www.metallbasis.de
Malerarbeiten
Maler und Korrosionsschutz Schuppan,
Eisenhüttenstadt
Putzarbeiten
Historische Fassaden, Weber & Schulze,
Eisenhüttenstadt, www.historischefassaden.de
