Zwiebel-Look oder All-in-one-Kleidung?
In der kühlen Jahreszeit ist das Arbeiten auf dem Bau herausfordernd. Zum Schutz gegen Wind und Wetter und zur Vorbeugung gegen Erkältungskrankheiten ist richtige Kleidung wichtig. Beliebt sind mehrlagige Systeme im Zwiebel-Look, aber auch Komplettlösungen. Beide haben Stärken und Schwächen.
Das Herbstwetter beginnt oft mit kühlen Temperaturen am Morgen und zum Arbeitsende, während es um die Mittagszeit noch relativ warm werden kann. Im Winter ist es morgens eisig, mittags möglicherweise feucht und es weht ein unangenehmer Wind. Dazu kommt ein stetiger Wechsel vom Rohbau aufs Gerüst in den geheizten Bauwagen – und zurück. Wer bei solchen Extremen nicht richtig angezogen ist, riskiert schnell auszukühlen oder zu überhitzen. Beides kann die Konzentration und die eigene Sicherheit negativ beeinflussen.
Um diese Risiken zu vermeiden, hat sich in Bauhandwerken eine Berufskleidung etabliert, die flexibel an die äußeren Bedingungen und zugleich auch an das persönliche „Klimaempfinden“ angepasst werden kann. Sie setzt sich aus mehreren Bekleidungslagen zusammen, die unterschiedliche Funktionen haben. Daher ist dieses System auch als Zwiebel-Look oder Mehrlagen-Prinzip bekannt.
Drei Komponenten mit zugewiesenen Funktionen
Ein typischer Zwiebel-Look besteht aus einem Base- und einem Midlayer für die Wärmeisolierung und wird durch eine dritte, äußere Bekleidungslage abgerundet, die als Wetterschutz dient. Der Baselayer – meist Funktionsunterwäsche – hat die Aufgabe, zu wärmen und gleichzeitig den bei der Arbeit entstehenden Schweiß schnell von der Haut abzutransportieren. Dazu muss die eng am Körper anliegende Bekleidungsschicht aus einem dünnen Material gefertigt sein, das aus wärmender Wolle beziehungswei-
se aus feuchtigkeitsableitendem, schnell trocknendem Polyamid oder Polyester besteht.
Die mittlere Lage soll die Körperwärme speichern, ein wärmendes Luftpolster bilden und dadurch gegen Kälte isolieren. Je nach Aktivitätsniveau kommen verschiedene Bekleidungsteile zum Einsatz: eine leichte Fleecejacke, ein Shirt oder ein Hoodie eignen sich für aktive Arbeiten. Ein Troyer, eine Arbeitsjacke oder eine Softshelljacke sind bei weniger schweißtreibenden Tätigkeiten optimal, während Daunen- oder Thermojacken bei langen Standzeiten – etwa beim Führen eines Krans – vor dem Auskühlen schützen. Eine interessante Ergänzung sind Heizjacken und -westen: An besonders kalten Tagen geben sie gezielt Wärme ab und halten warm, ohne dass man sich dick einpacken muss.
Die oberste Bekleidungsschicht schützt vor äußeren Einflüssen wie Regen, Schnee, Kälte und Wind, aber auch vor Dreck und Sand. Weil die beiden unteren Lagen für die Wärmeisolation sorgen, sind Outerlayer üblicherweise nur leicht oder gar nicht gefüttert. Damit sie vor Nässe schützen und gleichzeitig den beim Schwitzen entstehenden Wasserdampf ableiten, sind sie aus besonderen Materialien gearbeitet. Diese kombinieren häufig eine wasserdichte, atmungsaktive Membran mit einem robusten Außenstoff, der mit einem Nässeschutz imprägniert ist. Eine Alternative sind Oberstoffe, die auf der dem Körper zugewandten Seite beschichtet sind. Solche Lösungen sind in der Regel preiswerter, jedoch weniger atmungsaktiv, neigen zu Raschelgeräuschen und sind anfällig für Risse, durch die Wasser eindringen kann.
Funktionierendes System aufeinander abstimmen
Das 3-Lagen-Bekleidungssystem des Zwiebel-Looks zeichnet sich durch eine hohe Flexibilität aus. Die Teile können untereinander kombiniert oder auch für sich alleine getragen werden. Jeder Beschäftigte kann dementsprechend für sich selbst entscheiden, welche Zusammenstellung für ihn oder sie die richtige ist.
Obwohl das Mehrlagen-Prinzip Kombinationsvielfalt verspricht, ist die Freiheit nicht grenzenlos. So können zu dicke oder ungeeignete Schichten die Bewegungsfreiheit beeinträchtigen oder zu Hitzestau führen. Wenn der Abtransport von flüssigem und verdunstetem Schweiß und/oder die Wärmeisolation nicht funktionieren, ist das Zwiebel-Prinzip quasi unwirksam. Daher müssen alle drei Schichten im Hinblick auf Passform und Funktion optimal aufeinander abgestimmt sein. Händler oder Hersteller unterstützen bei der Zusammenstellung. Bei Abschluss eines Mietvertrags ist dieser Service inklusive.
Manchmal muss es eine richtige Winterjacke sein
Auch wenn sich der Zwiebel-Look im Bauhandwerk zunehmender Beliebtheit erfreut, ist er nicht für jeden das richtige. So haben All-in-one-Lösungen, wie gefütterte Winterjacken mit zusätzlich einzippbaren Westen oder Fleecefutter und Thermohosen, nach wie vor ihre Berechtigung. Dabei wirken sich moderne Gewebe positiv auf den Tragekomfort aus, denn sie stellen den Effekt des Zwiebel-Looks im Hinblick auf das Feuchtigkeitsmanagement nach. Vor allem sind solche Komplettlösungen einfach in der Benutzung: Man zieht nur ein einziges Teil an. Bei den mehrlagig aufgebauten Systemen kann das An- und Ausziehen mehrerer Bekleidungslagen hingegen lästig werden – zumal sie auch sperrig sein können und dadurch die Bewegungsspielräume einschränken.
Hinzu kommt, dass gefütterte Jacken und Hosen üblicherweise leichter sind als ein Layer-Konzept, dessen Gewicht bei körperlich anstrengender Arbeit für zusätzliche Belastung sorgt. Und auch wirtschaftliche Aspekte spielen eine Rolle: So führt die größere Anzahl an Kleidungsstücken zu zusätzlichen Kosten – und der Pflegeaufwand steigt. Allerdings wirkt sich die Nutzungsintensität auf die Lebensdauer der Teile aus: Je seltener sie getragen werden, umso länger halten sie.
Bei Schutzkleidung geht die Sicherheit vor
Da es unterschiedliche Vorlieben gibt, empfiehlt sich, die Beschäftigten die Arbeitskleidung ausprobieren zu lassen. Und damit auch das Corporate Design durchgängig eingehalten werden kann, sollten alle Lagen dieselbe Handschrift tragen und die Aufbringung des Firmenlogos zulassen. Die Freimütigkeit hat jedoch Grenzen, sobald Schutzkleidung getragen werden muss. Je nach Ergebnis der Gefährdungsanalyse ergeben sich folgende Anforderungen: Bei Temperaturen oberhalb von - 5 °C müssen Oberteile und Hosen nach DIN EN 14 058, bei Temperaturen unter - 5°C nach EN ISO 342 zertifiziert sein. Und wer im Dauerregen schuften muss, braucht zertifizierte Nässeschutzkleidung der EN 343.
Ob Zwiebel-Look oder Komplettlösung – einige grundsätzliche Eigenschaften müssen alle Bekleidungsteile mitbringen: Eine Jacke muss eine Kapuze haben, unter die ein Helm beziehungsweise ein Gehörschutz passt. Entsprechend muss sie in der Tiefe und im Rundmaß weitenregulierbar sein, damit der Träger im Gesichtsfeld nicht eingeschränkt wird. Zum Schutz vor Unfällen, zum Beispiel wenn die Kapuze in eine Zugrolle gerät, sollte sie mit Druckknöpfen als Sollbruchstelle, nicht aber mit Reißverschluss an der Jacke befestigt sein. Damit die Kordeln zur Regulierung des Bundsaums nicht heraushängen und sich verfangen, sollten sie an Schlaufen an den Seitennähten fixiert sein. Zudem ist ein länger geschnittener Rückenbereich empfehlenswert, der beim Bücken vor Zug schützt. An den Ärmeln dürfen innenliegende Strickbündchen oder Daumenstulpen nicht fehlen. Optimal ist außerdem eine Kinnschutzblende
aus Fleece, die verhindert, dass das Ende des Reißverschlusses scheuert.
Dipl.-Ing. Sabine Anton-Katzenbach ist Textil-Veredlungsingenieurin und Inhaberin der Textilberatung Hamburg. Sie arbeitet als Beraterin und Journalistin.
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