Auf einer Wellenlänge

Ausdrucksstarke Klinkerriemchen in Wellenform für Mehrfamilienhaus in Kleve

Mit seiner großzügigen Fensterfläche und der einzigartigen Fassadentextur beeindruckt das dreigeschossige Mehrfamilienhaus in Kleve. Den passenden Partner für die charakterstarke Fassadengestaltung fand die Architektenpartnerschaft Hülsmann, Thieme und Minor im Klinkerwerk Hagemeister.

Je exponierter und geschichtsträchtiger die Lage, desto größer ist die Aufmerksamkeit und desto intensiver sind die städtebaulichen Diskussionen. So gestaltete es sich auch bei der Neubebauung der Fläche Lindenallee 20 in Kleve. Neben der benachbarten Nassauer Allee zeigt sich die Lindenallee als historisch bedeutende Achse der Stadt. Der frühere Bau an der Stelle galt als nicht mehr sanierungsfähig und musste abgerissen werden. An den Neubau waren hohe gestalterische Erwartungen geknüpft. Nach Genehmigung des Entwurfs des Architekturbüros Hülsmann, Thieme und Minor im Bauausschuss schied jedoch der Lieferant für die geplante Wellenfassade aus. Fraglich war zu diesem Zeitpunkt, ob eine Gestaltung wie in der Bemusterung vorgesehen, überhaupt noch möglich sei. Die Architekten erinnerten sich an eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Klinkerwerk Hagemeister. Damals war ein kleinformatiger Klinker in Mosaikoptik zum Einsatz gekommen. Erneut nahmen die Architekten Kontakt zu ihrem Hagemeister Ansprechpartner auf. „Für uns war dies eine glückliche Fügung“, erinnert sich Friedhelm Hülsmann.

„Bei der Fassadendiskussion hatten wir sehr konkrete Vorstellungen: Wir wünschten uns eine besondere Textur und ein erdiges, natürliches Material. Daher tendierten wir zum Rohstoff  Ton“, erläutert Kevin Minor. „Eine Gestaltung der Vorhangfassade mit Klinkersteinen wäre aus maßlichen Gründen nicht gegangen. Daher fiel die Überlegung auf schlanke, hochwertige Klinkerriemchen, die optisch nahezu identisch sind“.

Wellenform als Bezug zu klassizistischer Architektur

Die beiden Architekten wünschten eine horizontale Wellenform auf der Oberfläche der Klinkerriemchen. Diese sollte an der Fassade die Textur waagerechter Auskehlungen ergeben. In der Kultur- und Baugeschichte befinden sich sogenannte senkrechte Auskehlungen an griechischen und römischen Säulen. In der an antiken Vorbildern orientierten geradlinigen Architektur des Klassizismus im 18. und 19. Jahrhundert lebten diese Auskehlungen in Form von Kanneluren erneut auf. Dies war auch die Blütezeit des Herzogtums Kleve. Dieser historische Hintergrund führte die Architekten zur Idee, Kanneluren auch für die angestrebte Blickfang-Fassade des Neubaus zu verwenden. Doch lässt sich das mit Klinkerriemchen realisieren? Die Antwort auf diese Frage lieferte die Produktionstechnik bei Hagemeister. Seine Riemchen produziert das Klinkerwerk aus dem ganzen Klinker heraus. Das sichert ihre enorme Härte und ermöglicht Sonderformen. Die Form der Wellen ist sehr genau durchdacht: Die Wellenberge sollten markant, aber nicht zu spitz ausfallen und ein fließendes Bild erzeugen. Der Entwurfsstein überzeugte – und die Lösung zur Gestaltung der besonderen Wellenfassade war gefunden.

Format und Farbton in Harmonie
mit der Gebäudestruktur

Analog zum stringenten Raster des kubischen Gebäudes fertigte Hagemeister die Klinkerriemchen im quadratischen Format 90 x 25 x 90 mm. Farblich wünschten sich die Architekten einen hellen, sandigen Farbton. „Kleve galt aufgrund der klassizistischen Architektur mit typischerweise hell verputzten Wänden einst als ‚weiße Stadt‘“, sagt Friedhelm Hülsmann. „Unsere Farbtonwahl fiel daher auf den Fassadenklinker Marbach GT in einem warmen Weißton“. Die helle Patinierung des Klinkers ergibt sich durch eine Schlämmung der Tonstränge mit einer Engobe vor dem Brand. Als Fugenfarbe wählten die Architekten denselben Farbton, was die Harmonie des Fassadenbildes verstärkt.

Zur Pressung der Stränge aus beige brennendem Ton fertigten die Produktionstechniker bei Hagemeister ein eigenes Werkzeug an, das die wellenförmige Oberfläche erzeugt. Die geformten Stränge wurden in Länge geschnitten, gleichmäßig geschlämmt, getrocknet und schließlich bei 1200 °C gebrannt. Nach diesem Prozess erfolgte der Schnitt zu 2,5 cm schlanken Klinkerriemchen. Insgesamt produzierte Hagemeister für die Fassade etwa 35 000 Klinkerriemchen-Läufer mit der charismatischen Wellenoptik.

Millimetergenaue Verklebung
der Klinkerriemchen im Gebäuderaster

In millimetergenauer Arbeit klebten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Unternehmens Kohl Maler- und Restaurator GmbH aus Kleve die quadratischen Riemchen auf die wärmegedämmte Fassade des Effizienzgebäudes 55 auf. „Für den Abschluss gedämmter Wände sind Klinkerriemchen aufgrund ihrer geringen Tiefe ideal. Mit dem quadratischen Format und nur 9 cm Längen passte das Klinkerriemchen außerdem optimal in die Gitterstruktur des Gebäudes“, freut sich Kevin Minor.

Autor

Johannes Beusker ist Leiter Marketing und Produktmanagement beim Klinkerwerk Hagemeister in Nottuln.

Baubeteiligte (Auswahl)

 

Bauherr

RFM-Sozialdienstleistungen, Kleve, www.rfm-sozialdienstleistungen.de

Planung

Hülsmann Thieme Minor Architektenpartnerschaft, Kleve, htm-architekten.de

Verarbeitung

Kohl Maler- und Restaurator, Kleve, www.kohlmaler.de

Klinkerriemchen

Hagemeister, Nottuln, www.hagemeister.de

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