Aus Holz, Stroh und Lehm gebaut
Nachhaltiger Neubau eines Zweifamilienhauses in Bad König

Das Wort “Nachhaltigkeit“ wird leider viel zu oft missbraucht, um Firmen ein grünes (Deck)Mäntelchen zu verleihen. Wirklich nachhaltig sind aber solche Bauprojekte, die in ihrer Substanz aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen. Zum Beispiel ein Holzhaus, gedämmt mit Strohballen und verputzt mit Kalk und Lehm.

Das ungewöhnliche Zweifamilienhaus mit Büroräumen, einer Gesamtfläche von 250 m² und einem gekrümmten Sparrendach war nach Bauende 2010 das erste Strohballen-Wohnhaus in Hessen. Gelegen auf einem wunderschönen Hanggrundstück am Ortsrand von Bad König im Odenwald wurden dafür 750 Strohballen aus der Region in Eigenarbeit für die Dämmung der Wände und des Daches eingesetzt. Ganz nach dem Motto: „Bauen mit Strohballen – nachhaltig, energieeffizient und günstig”, sollte ein KfW 40-Haus entstehen, das in Punkto Energieeffizienz, wohngesundem Bauen und Nachhaltigkeit (im eigentlichen Sinne des Wortes = nachwachsend zu verstehen) keine Wünsche offen lässt.

Bauen mit Strohballen hat in Deutschland immer noch Pioniercharakter, auch wenn es inzwischen aktuell rund 100 Gebäude in dieser Bauweise gibt. Es gibt aber viele gute Gründe, weshalb das Bauen mit Strohballen immer mehr an Bedeutung gewinnt und was für den zunehmenden Einsatz von Strohballen als ökologischem Dämmstoff spricht.


Das Thema Nachhaltigkeit wird wirklich umgesetzt

Ein absolutes Plus in Sachen Nachhaltigkeit stellt der Primärenergiegehalt des Baustoffes Stroh dar, gepresst in Ballen. Von allen Dämmstoffen liegt Strohballen als absoluter Spitzenreiter an erster Stelle mit nur 74 MJ/m². Ökologische Dämmstoffe wie Zelluloseflocken liegen bereits bei dem 4-fachen Primärenergiegehalt, der beliebte Öko-Dämmstoff Hanf liegt mit dem rund 10-fachen Wert von 746 MJ/m² fast gleichauf mit Glaswolle mit 797 MJ/m². Da die Strohballen in der Regel direkt nach dem Pressen auf dem Acker ohne weitere Verarbeitung lokal eingesetzt werden können, entfallen Kosten und Energieeinsatz für die Verarbeitung, Lagerung und der Weitertransport des Baustoffes. 

Ein weiteres Plus für Strohballen ist, dass es sich um einen nachwachsenden Rohstoff handelt. Der Vergleich einer Strohwandkonstruktion mit einem konventionellen Wandaufbau hat gezeigt, dass die Strohwand um den Faktor 10 besser abschneidet: Bei der Herstellung einer Strohwand werden also zehn Mal weniger natürliche Ressourcen verbraucht als bei einem vergleichbarer konventioneller Wandaufbau (Quelle: Forschungsprojekt S-Haus in Österreich www.s-house.at). Noch immer werden in Deutschland rund ein Drittel der Gesamtenergie für Heizung und Kühlung von Gebäuden verwendet (Lexikon des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft), hinzu kommt die Energie, die zur Erzeugung und zum Abriss von Gebäuden notwendig ist (graue Energie).

 

Sehr gute Dämmeigenschaften

Auch der Dämmwert von Strohballen kann mit den gängigen ökologischen und nicht-ökologischen Dämmstoffen mithalten: Mit einem Lambda-Wert von 0,045 W/mK liegt die Wärmedämmfähigkeit nur wenig unter dem Durchschnittswert von Mineralwolle mit 0,04 W/mK (bzw. Holzweichfaserplatten) und gleichauf mit Zellulosefasern (0,04 - 0,045 W/mK).


Strohballen sind günstig

Vergleicht man die reinen Materialkosten sind Strohballen das weitaus günstigste Dämm-Material: umgerechnet auf 1 m³ kosten Strohballen im Kleinformat (1 m x 0,5 m x 0,36 m) 9 bis 15 Euro/m³. 1m³ Hanfdämmung liegt dagegen bei rund 145 Euro, 1 m³ Holzweichfaserplatte bei 200 Euro, 1 m³ Mineralwolle-Putzträgerplatten rund 140 Euro und 1 m³ Styroporplatten (PUR) liegen bei rund 75 Euro (aktuelle Preise 2012). Zu berücksichtigen sind hier natürlich auch der Kostenaufwand beziehungsweise die eigene Arbeitszeit für den Einbau der Strohballen, die sich durch eine Vorfertigung stark reduzieren lassen.

Leimbinderkonstruktion bildet das Grundgerüst

Die tragende Konstruktion für das Strohballenhaus in Bad König besteht aus einer Leimbinderkonstruktion mit Ständerquerschnitten von 6 / 30 cm mit einem maximal zulässigen Abstand von 1 m lichter Breite. Die gesamte Holzkonstruktion wurde in der Zimmerei vorgefertigt und per Kran in drei Tagen komplett aufgerichtet. Aufgrund der teilweise geschwungenen Wände, die wegen der Raumharmonie gewählt wurden, war ein vorgefertigter Einbau der Strohballen in die Wandgefache nicht möglich. Bei gerade Wänden können die kompletten Wand- und Dachelemente einschließlich der eingebauten Strohballen in der Zimmerei vorgefertigt werden. Die rund 750 Strohballen, die nach geforderter Rohdichte und benötigten Längen von einem Landwirt in der Nähe gepresst worden waren, wurden zusammen mit einigen Helfern innerhalb von zwei Wochen in die drei Stockwerke und das Dachgeschoss eingebaut.

 

Die Logistik muss bei Strohballenbau stimmen

Werden die Strohballen auf der Baustelle und nicht in der Zimmerei eingebaut, sollte der Holzbau bis spätestens Ende Juli fertig sein, damit das Stroh direkt nach der Ernte eingebaut werden kann. Die Ballen müssen bis zum Einbau trocken gelagert werden. In Bad König wurden die Strohballen direkt vom Acker auf die Baustelle geliefert, auf die einzelnen Geschosse verteilt und mit Folien abgedeckt. Danach wurden sie mit Wagenhebern komprimiert, so dass es keine Setzungen in den Wänden gab. Kleine Lücken wurden mit Stroh ausgestopft, Ballen bei Bedarf auf die gewünschte Länge gekürzt. Nachdem die Wände standen wurden die Strohballen von außen in Eigenleistung mit einem hydraulischen Kalkputz dreilagig direkt verputzt.

 

Stroh im Dach

Durch die ungewöhnliche Dachform entstand viel nutzbarer Raum im Dachgeschoss, der sogar noch Platz bietet für eine kleine Galerie. Auch für die Dachdämmung kamen Strohballen zum Einsatz, eingebracht in die 1 m breiten Gefache zwischen den Sparren. Unterseitig wurde eine Holzschalungvorbereitet, darunter die Dampfbremse DB Plus (Pro Clima) und ein Lehmputz auf Schilfrohrmatten als Putzträger. Auf der Dämmung liegt die diffusionsoffene Unterspannbahn Solitex (Pro Clima), darüber eine Konterlattung als Hinterlüftungsebene, Lattung und die Dachziegel Cosmo (Wienerberger / Koramic), die für unterschiedliche Dachneigungen geeignet sind.

 

Durchdachtes Energiekonzept, niedriger Verbrauch

Der Jahres-Primärenergieebedarf für das Strohballenhaus beträgt nur 22 kWh/m²a. Der Jahresheizwärmebedarf Q“h liegt bei 31,9 kWh/m²a (Passivhausstandard =/<15 kWh/m²a). Bei einem Einbau einer zentralen Lüftungsanlage, auf die bewusst verzichtet wurde, würde der Jahresheizwärmebedarf Passivhausstandard erreichen. Für das Energiekonzept war den Planern wichtig, ein nachhaltiges, kostengünstiges und pflegeleichtes System zu verwenden. Heizung / Warmwasser erfolgt über einen 25 kW Holzvergaser für Stückholzscheite. Das Warmwasser wird von Frühjahr bis Herbst fast ausschließlich über die 13 m² Solarthermie-Vakuumröhrenkollektorenanlage erzeugt, im Winter ergänzt die Anlage die Erwärmung des Brauchwassers durch die Holzheizung.

Der Verbrauch an Holz für Heizung und Brauchwasser liegt für die 250 m² Wohn- und Bürofläche bei rund sieben bis acht Raummetern Fichtenholz pro Jahr. Die Kosten hierfür betragen jährlich lediglich 500 Euro.

Die 3,4 kWp Photovoltaikanlage erzeugt die rechnerisch im Haus benötigte Strommenge und wird zu rund 50 Prozent für die Selbstnutzung verwendet.

 

Gesundes Bauen mit der Natur

Mit Hilfe von traditionellen Gestaltungsmethoden wie Feng Shui, Geomantie und Vastu planen wir die Gebäude so, dass sie sich bestmöglich an einem Ort einfügen und sowohl die Harmonie der Bewohner als auch das Gleichgewicht der Natur unterstützen. Aus den Erfahrungen, die wir beim Strohballenhaus in Bad König und in anderen Projekten gesammelt haben können wir sagen, dass die richtige Verwendung von Strohballen ein sinnvoller Beitrag zu einer nachhaltigen ökologischen Bauweise darstellt. Einige Baustoffhersteller und Fertighausproduzenten schreiben sich Ökologie auf ihre Fahnen, indem sie mit einem niedrigen Heizbedarf werben, aber den Energieverbrauch für die Erzeugung ihrer Produkte und deren Recyclebarkeit (graue Energie) außer Acht lassen.

Wir möchten mit einem Gesamtkonzept aus ökologisch sinnvollen und gesunden Materialien, energieoptimierten Produktions- und Betriebsabläufen und einer bewussten Gestaltungsweise Gebäude schaffen, die über die Erfüllung von Energiestandards hinausgehen.

 

Autorin

Susanne Körner ist Architektin und hat sich auf wohngesundes Bauen spezialisiert. Mit ihrem Kollegen Tilman Schäberle betreibt sie das Institut Shakti Haus (www.shaktihaus.de).

Bauen mit Strohballen hat in Deutschland
immer noch Pioniercharakter

Das tragende Hausgerüst besteht aus einer Leimbinderkonstruktion

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