Betoninstandsetzung an Baudenkmälern
Detaillierte Bauwerksuntersuchungen sind Voraussetzung für den Erhalt

Immer mehr Betonbauwerke erhalten einen Denkmal-Status. Erhalt und Instandsetzung dieser Gebäude erfordern denkmalgerechte bauliche Arbeiten. Voraussetzung hierfür sind detaillierte, auf den Einzelfall abgestimmte Bauwerksuntersuchungen.

Kaum ein Baustoff hat im vergangenen Jahrhundert die Architektur so stark beeinflusst wie Beton. Kein Wunder: Beton ist wirtschaftlich und Beton ermöglicht qualitativ hochwertige, ästhetisch ansprechende Konstruktionen. Immer mehr Betongebäude dieser Zeit werden wegen ihrer inzwischen erkannten Eigenschaften als schützenswert eingestuft und in den Rang eines Baudenkmals erhoben.

Die Erhaltung dieser historisch bedeutsamen Betonbauwerke wirft jedoch neue Fragen auf. Wie ist die Betoninstandsetzung unter den Vorgaben des Denkmalschutzes zu leisten, ohne dass die ursprüngliche Konstruktion und Ausdruckskraft verloren gehen? Das Thema gewinnt an Brisanz, da entsprechende Gebäude in zunehmendem Maße zur Instandsetzung anstehen. Erst Ende des vergangenen Jahres hat die Landesgütegemeinschaft Betoninstandsetzung Berlin und Brandenburg dies zum Anlass einer Weiterbildungsveranstaltung genommen.

„Anfangs,“ erklärte Corinna Tell von der Unteren Denkmalschutzbehörde im Bezirksamt Neukölln in Berlin, „wurde Beton von den Architekten als altersfreies Material eingesetzt. Die Entwürfe waren nicht darauf angelegt, Patina anzusetzen.“ Entsprechend steht bei der Instandsetzung die Herstellung der Integrität der Betonstruktur im Vordergrund, die oftmals mit massiven Eingriffen in die Bausubstanz verbunden ist. Sowohl bei der Auswahl der Reparaturmaterialien als auch bei den Reparaturtechniken spielt der Erhalt der Oberflächenstruktur eines denkmalgeschützten Betonbauwerks zunächst nur eine untergeordnete Rolle. In der Regel werden Alterungsspuren beseitigt und entsprechend den Richtlinien des Deutschen Ausschuss für Stahlbeton (DAfStb) großflächige, meist irreversible Beschichtungen aufgetragen. Das Ergebnis wird den Denkmälern nicht immer gerecht. Um das vom Architekten gewollte Erscheinungsbild trotzdem zu erhalten, werden häufig Brettmuster aufgedrückt, die den schalungsrauen Beton imitieren sollen.

Vor diesem Hintergrund wird etwa seit den 90er Jahren aus dem Kreis der Denkmalpflege der Ruf nach einem sensibleren Umgang mit denkmalgeschützten Sichtbetonfassaden laut. Durch eine partielle Instandsetzung soll so wenig wie möglich in die Substanz eingegriffen und vorhandene Oberflächen so weit wie möglich erhalten werden. „Erst bei über 10 Prozent der Fläche,“ weiß Denkmalschützerin Corinna Tell aus der Praxis, „ist dies teurer als eine herkömmliche Instandsetzung.“ Wenn die Instandsetzung kurz nach der Erbauung erfolgt, so ihre Erfahrung, liegt der Wert sogar bei 25 Prozent der Flächen. Regelmäßige Wartung spare also Kosten.

Schadensbilder

Grundsätzlich unterscheiden sich die Schadensbilder bei denkmalgeschützten Betonbauwerken nicht von denen anderer Betonbauten: Witterungseinflüsse, Immissionen, Kiesnester oder poröse Oberflächen und mechanische Belastungen nagen hier wie dort an der Substanz. Abplatzungen, Risse oder korrodierende Bewehrungsstähle weisen auf eine deutliche Schädigung der Substanz mit langfristig tiefgreifenden Folgen hin, wenn nicht umgehend darauf reagiert wird. Und hier wie dort gelten auch die gleichen Regelwerke (DAfStb Richtlinie und DIN EN 1504).

Entsprechend unterscheidet sich eine denkmalgerechte Instandsetzung nicht von einer normalen Betoninstandsetzung. „Zunächst ermitteln wir den Ist-Zustand und legen den Soll-Zustand fest,“ beschreibt Dr.-Ing. Andrei Walther vom Ingenieurbüro Bauconsulting.com, dessen Schwerpunkt die gutachterliche sowie planerische Begleitung von Sanierungen und der Instandsetzungen ist, die Vorgehensweise. Anhand des Soll-Ist-Vergleichs werde ein Instandsetzungskonzept mit anschließender Instandsetzungsplanung erstellt.

Feststellung des Ist-Zustandes

Auch wenn im Denkmalschutz teilweise unkonventionelle Denkansätze gefragt sind, die Hilfsmittel zur Feststellung des Ist-Zustandes sind konventionell:

Rissbreitenmessung

Betondeckungsmessung

Betondruckfestigkeitsmessung

Messung des Feuchtegehalts

Nivellement

Karbonatisierungsmessung

Prüfung des Untergrundes

Bohrmehlentnahme zur Chloridbestimmung

Durch eine detaillierte Recherche zum Bauwerk werden zur Beurteilung folgende Kriterien herangezogen:

Baujahr (Hinweise zu typischen Konstruktionen ...)

bisherige Umbauten und Sanierungen

außergewöhnliche Einwirkungen (Krieg, Erdbeben)

Nutzung beziehungsweise geänderte Nutzung

Statisches System (Beurteilung der Standsicherheit einschließlich der Tragfähigkeit bei der Sanierung)

„Oberstes Gebot bei der Ist-Zustand-Ermittlung,“ so Dr. Walther, „ist eine detaillierte Kartierung der Schäden – erst visuell vom Gelände, später vom Fassadengerüst aus.“ Hinzu kommen Baustoffprüfungen (unter anderem stoffliche Zusammensetzung des Festbeton: Körnung, Farbzuschläge ...) sowie Substanzuntersuchungen (Prüfung der Carbonatisierungstiefe, Prüfung der Wassereindringtiefe, zerstörungsfreie Prüfung der Betondeckung, Messung von Durchmesser/Restquerschnitt der Bewehrungsstähle). Für zerstörende Substanzuntersuchungen – wie eine Bohrkernentnahme – müsse im Vorfeld stets die Zustimmung der Denkmalschutzbehörde eingeholt werden.

Festlegung des Soll-Zustandes

Auf Basis des ermittelten Ist-Zustandes wird anschließend im Dialog zwischen Bauherrn, Planer und dem Denkmalamt und auf Basis der einschlägigen Regelwerke (DAfStb Richtlinie und DIN EN 1504) der Soll-Zustand festgelegt. Im Idealfall werden zur Vermeidung fortschreitender Schädigungen zusätzliche Schutzmaßnahmen vereinbart. Dr. Walther lobte hier die Instandsetzung der Fassade des Rias-Gebäudes in Berlin, die durch das Ingenieurbüro für Bauwesen, Dipl.-Ing. Hartmut Heintz, Sachverständiger für Schäden an Gebäuden geplant und auch überwacht wurde, wo Schäden an den Betonwerksteinen der Fensterrahmen behoben wurden. „Hier wurden die Aufsichtsflächen der Fenster-Sohlbänke und Gesimse zusätzlich mit einer rissüberbrückenden Beschichtung ausgestattet. An den Unterkanten der Fensterstürze wurden nach Absprache mit der Denkmalbehörde Tropfkanten angebracht, die im Originalzustand nicht vorhanden waren,“ sagt Dr. Andrei Walther.

Einzelfall-Lösungen

Normalerweise, so Dipl.-Ing. Dirk Dalichow, der als Geschäftsführer der BARG Betontechnik und -instandsetzungs GmbH für die regelkonforme Durchführung der Arbeiten verantwortlich war, sei die Vielzahl der Beteiligten mit jeweils unterschiedlichen, teilweise auch entgegengesetzten Interessen bei der Instandsetzungen von denkmalgeschützten Betonbauwerken problematisch. „Den Bauherren, die eine dauerhafte Instandsetzung erwarten und unserer Verpflichtung, ein mangelfreies Werk abzuliefern, steht der Denkmalschutz mit seinem Interesse gegenüber, den alten Zustand möglichst unverändert wieder herzustellen.“ Nicht immer sei es daher möglich, eine denkmalgerechte Instandsetzung nach den Regeln der Technik durchzuführen. „Die anerkannten Regelwerke werden den Denkmälern nicht immer gerecht. Bestandsschutz und Einzelfalllösungen kann technische Bestimmungen aushebeln,“ bestätigt Corinna Tell. Dr. Andrei Walther geht sogar noch einen Schritt darüber hinaus: „Der Sachkundige Planer kann beziehungsweise sollte unter gewissen Voraussetzungen von den Regelwerken abweichen.“ Dies sei, so Dalichow, jedoch ein hohes juristisches Problem für die ausführenden Unternehmen. „Die Abweichungen müssen daher unbedingt kommuniziert und dem Bauherrn ausführlich erläutert werden. Der Bauherr muss in jedem Fall schriftlich zustimmen,“ sagt Dalichow. Die Entscheidung über die Art der Instandsetzung ist grundsätzlich Aufgabe hierfür qualifizierter Architekten oder Bauingenieure, die bei der Bundesgütegemeinschaft Instandsetzung von Betonbauwerken abgefragt werden können. Dort sind auch fachkundige, ausführende Unternehmen registriert, die als Voraussetzung dafür den Nachweis der Fachkunde nach der HAVO-Verordnung gegenüber einer vom DIBt oder durch das BMVBS zugelassenen Stelle erbringen sowie regelmäßige Weiterbildungen belegen müssen.

Autorin

Rita Jacobs M.A. führt ein PR-Büro mit Schwerpunkt Bau und Architektur in Düsseldorf. Sie arbeitet als freie Journalistin unter anderem für die Zeitschriften bauhandwerk und dach+holzbau.

Web-Service

Informationen zur Bundesgütegemeinschaft Instandsetzung von Betonbauwerken e. V. sind erhältlich unter Tel.: 030/860004-35, Fax: 030/860004-43 sowie per E-Mail: und im Internet unter www.betonerhaltung.com



In der Bundesgütegemeinschaft Instandsetzung von Betonbauwerken e.V. (ib) haben sich neun Landesgütegemeinschaften und die Bundesgütegemeinschaft Betonflächeninstandsetzung (BFI) zusammengeschlossen. Unterstützt werden sie durch Unternehmen, die dem Verein „Deutsche Bauchemie e.V.“ angehören sowie durch Einzelmitglieder. Ziel der Gemeinschaft ist es, durch RAL-gütegesicherte Maßnahmen nach Vorgaben des Deutschen Instituts für Gütesicherung und Kennzeichnung e.V. (RAL) bei der Betoninstandsetzung für eine langfristige Werthaltigkeit der Bausubstanz zu sorgen und Gefahren für die Allgemeinheit aus Mängeln an der Bausubstanz abzuwehren. Diesem Ziel haben das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) durch Anerkennung der Bundesgütegemeinschaft Instandsetzung von Betonbauwerken bzw. ihrer Prüfstelle Rechnung getragen.




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