Denkmalgeschütztes Wohnhaus in Tübingen mit Aerogel-Dämmputz energetisch saniert

Das Anwesen mit der Hausnummer Neckarhalde 32 hat in Tübingen als Kulturdenkmal eine besondere architektur- und sozialhistorische Bedeutung für die Stadt. Um die bestehende Anmutung des Wohnhauses zu erhalten, setzte Energieberaterin Verena Klar auf einen Aerogel-Dämmputz.

Ursprünglich war das dreigeschossige Gebäude mit Gartenhäuschen am Südhang des Tübinger Schlossbergs 1829 für den Juristen Dr. Eberhard Friedrich Hehl erbaut worden. Architekt war Bauinspektor Christian Friedrich Roth (1787-1855). 1931 ging das Haus in den Besitz der evangelischen Kirchengemeinde über. Ende 2016 erwarben die jetzigen Eigentümer das Anwesen. Ihr Ziel war es, das sanierungsbedürftige Gebäude wieder in ein attraktives Wohnhaus umzuwandeln, das aber auch den aktuellen energetischen Anforderungen entsprechen sollte. „Gleichzeitig wollten wir unbedingt den Charakter des Hauses als altes Kulturdenkmal erhalten“, erklärt die Bauherrschaft.

Aus diesem Grunde zogen sich die Planungsphase und das Baugesuch gut ein Jahr hin, galt es doch die Auflagen des Denkmalamtes an die Fassade zu erfüllen. Ein in Auftrag gegebenes denkmalpflegerisches Gutachten sollte untersuchen, ob noch alter originärer Putz erhalten war. Restauratorin Dr. Julia Feldtkeller konnte keinen Originalputz mehr feststellen und fand lediglich eine spätere Putzvariante aus den 1930er Jahren sowie einen Rest der originalen Struktur und Farbe am Giebel. „Deshalb durften wir den vorhandenen Putz schließlich auch komplett entfernen“, sagt der Bauherr.

Bedenken des Denkmalamtes ausgeräumt 

Das Wohnhaus orientiert sich mit der Traufseite zur Straße und besitzt ein vorgreifendes Satteldach mit großem Traufhaus. Die ursprüngliche, erhaltene Tragkonstruktion besteht aus Holzfachwerk mit einer Ausfüllung aus Bruchstein. Die komplett darüber aufgebrachte Putzlage war nach vielen Jahren durch intensive Bewitterung schadhaft und sanierungsbedürftig. So entschied der Bauherr im Zuge der energetischen Sanierung die Fenster auszutauschen, einen neuen Boden oberhalb des Kellers zu verlegen, das Dach zu dämmen und letztendlich auch die Fassade so zu sanieren, dass alle Veränderungen zusammen mit einer Pellet-Heizung die Auflagen aus der EnEV für Altbauten erfüllen.

Eine Besonderheit war in diesem Zusammenhang der Erhalt der bestehenden Fassade beziehungsweise ihres Erscheinungsbildes, insbesondere sollten bauzeitliche Gebäudeteile, wie Fensterlaibungen und Dachgesimse erhalten werden und nicht „versinken“. Zu diesem Zweck suchten Bauherr, Bauleiter und die Energieberaterin nach einer schlanken Lösung, die auf dicke äußere, aber auch innere Wärmedämmungen verzichten konnte. Energieberaterin Verena Klar schlug für die Straßenfassade sowie die beiden Giebelseiten deshalb den Aerogel-Dämmputz von Hasit vor, dem man beim Denkmalamt aber wegen der Fachwerkkonstruktion zunächst sehr skeptisch gegenüberstand. Aufgrund der mineralischen Zusammensetzung des Dämmputzes, den Erfahrungen bei einem vergleichbaren Objekt in der Schweiz sowie der Auflage eines Monitorings gab die Behörde dann grünes Licht. „Für die Zustimmung des Denkmalamtes zum Aerogel-Putz war maßgeblich die Energieberaterin verantwortlich. Sie hat hier viel Überzeugungsarbeit geleistet“, betont der Bauherr.

Stuckateur und Bauherr von Verarbeitung begeistert 

Der Stuckateurbetrieb Steger aus Rottenburg arbeitete an der Neckarhalde 32 erstmals mit diesem Material und zeigte sich begeistert von der leichten Verarbeitbarkeit sowie der Zeitersparnis gegenüber herkömmlichen Dämmlösungen. „Die Verarbeitung des Dämmputzes war sehr einfach“, betont Udo Steger. „Es war überhaupt nicht anstrengend, wie es sonst doch immer mal vorkommt. Wir sind sehr vorsichtig mit dem Material umgegangen, weil wir es nicht kannten und überhaupt keine Erfahrung mit seiner Verarbeitung hatten. Durch den Einsatz des Aerogel-Putzes konnten wir unseren Zeitaufwand für die zu verputzende Fläche im Vergleich zu anderen Dämmmaterialien deutlich reduzieren.“ Ein Team von Fachleuten von Hasit hatte die Arbeiten begleitet.

Die Vorteile des noch relativ unbekannten Hochleistungsdämmputzsystems liegen in seinen einzigartigen Eigenschaften. Es ist das erste mineralische, kalkhaltige Dämmputzsystem mit Aerogel-Technologie und besitzt sehr gute Dämmeigenschaften. Die Wärmeleitzahl liegt mit einem Nennwert von 0,028 W/mK deutlich niedriger als die vieler anderer Wärmedämmmaterialien. So genügt eine Materialdicke von nur rund 4 cm, um den gleichen Effekt zu erreichen wie bei einem herkömmlichen, denkmalgerechten, kalkbasierten Wärmedämmputz mit einer 11 cm dicken Schicht. Das Hochleistungsdämmputzsystem ist außerdem sehr leicht und wird in die Brandschutzklasse A1 eingestuft, ist also nicht brennbar. Auf den Dämmputz kam abschließend noch ein streichfähiger Oberputz mit 1 mm Kornstärke.

„Mit dem Gipser hatten wir schon bei früheren Projekten zusammengearbeitet und waren sehr zufrieden. Auch für ihn war es Neuland, mit Aerogel zu arbeiten“, betont der Bauherr. „Nach den Vorarbeiten, das heißt nach dem Egalisieren der vertieften Gefache und Abdeckung des Fachwerks mit Papierdeckstreifen, wurde der Putzträger ,Gima Welnet‘ auf die Fassadenflächen aufgebracht und im Bereich der Ausfachungen verankert. Anschließend spritzten die Handwerker den Aerogel-Dämmputz auf, was für uns sehr interessant war, weil er sich total einfach verarbeiten ließ. Das Material ist wirklich toll an der Wand geblieben. Das war eine schöne Sache, und es hat uns als Bauherrn viel Freude gemacht, das zu beobachten. Vom Ergebnis her sind wir sehr zufrieden und auch der Zuspruch von Passanten, die das Haus vor der Sanierung gesehen haben, ist positiv.“

Während die beiden Giebelseiten und die Straßenfront eine neue Außenhaut aus 4 cm dickem Aerogel-Dämmputz erhielten, wurde die Nordseite mit einem 10 cm dicken WDVS aus Mineralwolle-Platten versehen. Da die Rück- beziehungsweise Gartenseite nicht einsehbar ist, war der Vorschlag des Bauleiters für das Denkmalamt kein Problem. Als Oberputz kam schließlich auf allen vier Seiten eine mineralische Variante mit feiner Körnung zur Ausführung.

Gemeinsam mit dem Denkmalamt entschieden die Baubeteiligten die zuletzt gelb bis ockerfarbene Oberfläche mit vertikalem Kammzug aus der 1930er Jahren durch einen feinen Kratzputz mit dem von der Restauratorin gefundenen bauzeitlichen zarten Grünton zu ersetzen. „Dank des dünnen Aufbaus der Putzkonstruktion konnte die alte Anmutung des Hauses erhalten bleiben“, freut sich Verena Klar.

Autor

Dr. Klaus Fockenberg ist Freier Architekt und Freier Journalist. Er lebt und arbeitet in Waldenbuch bei Stuttgart.

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