Denkmalpflege und Tourismus
Erhaltung von Baudenkmalen für den Tourismus ist ein Wirtschaftsfaktor fürs Handwerk

100 Millionen Menschen besuchen jährlich Deutschlands Burgen und Schlösser und geben dabei rund eine Milliarde Euro aus. Damit steht neben öffentlichen Mitteln Geld für den Erhalt dieser Baudenkmale zur Verfügung, was sie zu einem Wirtschaftsfaktor fürs Handwerk macht.

Der Tourismus als bedeutender Faktor für den Erhalt von Baudenkmalen war für das Deutsche Nationalkomitee für Denkmalschutz ein guter Grund, seine diesjährige Pressereise im Welterbe Oberes Mittelrheintal zu veranstalten – eine Denkmallandschaft, die vor Burgen und Schlössern nur so strotzt. All diese historischen Bauten müssen natürlich erhalten und gepflegt, saniert und restauriert und manchmal auch umgebaut werden, womit das Handwerk allgemein und die Restauratoren im Handwerk insbesondere ins Spiel kommen.

Schloss Engers in Neuwied-Engers 

Erste Station war das ehemalige Lust- und Jagdschloss Engers, das Hofbaumeister Johannes Seiz Mitte des 18. Jahrhunderts erbaute. Nach der Restaurierung des zuvor als Klinik genutzten Baudenkmals ist es heute ein Hotel und Standort der „Villa Musica“ – einer Stiftung des Landes Rheinland-Pfalz zur Förderung junger Musiker. Für den Tourismus bedeutend ist vor allem der im Stil des Rokoko ursprünglich vom Maler Januarius Zick mit einem Deckenfresko üppig gestaltete Festsaal im Schloss. Diese Fassung war zwischenzeitlich in Teilen übermalt worden, was an der Decke mit einem Schriftzug verbürgt ist. Eine Restaurierung im Sinne einer Wiederherstellung der ursprünglichen Fassung hätte zwei Millionen Euro gekostet – Geld, das einfach nicht vorhanden war. So reinigten die Restauratoren im Handwerk die vorhandene Fassung lediglich mit einem trockenen Schwamm. Das vorhandene Geld war unter anderem in die statische Sicherung des Deckenfreskos geflossen, denn die bemalte Decke hing an einem Holztragwerk, dessen Auflagerpunkte in Form der Balkenköpfe im Mauwerk bereits verfault waren. Daher musste ein neues Tragwerk aus Holzleimbindern darüber gelegt werden, an dem das Deckenfresko heute hängt.

Industriedenkmal Sayner Hütte 

Ein Magnet für alle an Technikgeschichte interessierten Touristen ist die 1770 in Bendorf erbaute Sayner Hütte – ein Monument der Epoche des Gusseisenzeitalters, das 100 Jahre nach Erbauung der Hütte endete. Besichtigen kann man das Industriedenkmal zurzeit nicht, da sein Gusseisentragwerk saniert und in Teilen ausgewechselt wird. Alle Tragteile und Knoten sind aus Eisen. Die Gusssäulen wurden als Rohre und die Fischbauchträger sogar am Stück gegossen. Rost und vor allem Risse an den Gusseisenteilen machten die Sanierung erforderlich. „Die handwerkliche Herausforderung besteht darin, dass man Gusseisen nicht schweißen, die Risse also nicht flicken kann“, sagt Prof. Karl Ganser, der die Internationale Bauausstellung (IBA) Emscher Park bis zur Jahrtausendwende leitete und daher mit Industriedenkmalen und deren Erhaltung bestens vertraut ist. Schadhafte Teile werden also gezielt durch neue Gusseisenteile ersetzt, die farblich an den Bestand angeglichen werden. Die Oberfläche dieser Bauteile ist allerdings glatt und lässt sich so vom Bestand unterscheiden. Wenn die Arbeiten abgeschlossen sind, wünscht sich Ganser als touristisches Nutzungskonzept für die Sayner Hütte einen „Ort der Stille in der Gusseisenbasilika“.

Abteikirche Sayn 

Nicht zuletzt aufgrund ihres Baujahres 1202 gilt auch die romanische Sayner Abteikirche als bedeutendes Baudenkmal. Im Zuge ihrer Sanierung wurde der Fußboden tiefer gegraben, damit die Kirche ihre romanische Größe wieder erlangte. Die Außenwände wurden so verspannt, dass ihre statische Sicherheit wieder hergestellt ist, denn die Giebelwand war bereits um 15 cm und die Seitenwände um 10 cm nach außen gekippt. Außerdem mussten das Dachtragwerk und die Dacheindeckung komplett erneuert werden. Die heute steinsichtige Fassade der Kirche – der ursprüngliche Putz wurde 1912 entfernt – soll zum Schutz vor weiteren Schäden im kommenden Jahr mit Kalk verputzt werden, denn die schieferige Grauwacke der Außenwände ist in einem erbärmlichen Zustand, der in Teilen bereits eine Mauerwerksinjektion zur Gesteinsfestigung erforderlich machte.

Burg und Schloss Sayn 

Die im 12. Jahrhundert erbaute und 1632 zerstörte Burg Sayn bildet mit dem romanischen Bergfried den historischen Kern der Anlage aus Burg und Schloss. Letzteres geht auf ein Burghaus aus dem 14. Jahrhundert zurück, das Fürst Ludwig zu Sayn-Wittgenstein-Sayn Mitte des 19. Jahrhunderts erwarb und vom französischen Architekten François Joseph Girard, dem späteren Generalintendanten des Louvre in Paris, im neugotischen Stil umbauen ließ. Im Zuge dieser Arbeiten erhielt das Schloss viele gusseiserne Bauteile, die in der nahen Sayner Hütte hergestellt wurden. Darunter waren auch Fenstergewände aus Gusseisen – eine Besonderheit, denn damit ist das Schloss das einzige größere Gebäude mit gusseisernen Fenstergewänden.

Bis 2000 wurde das im Zweiten Weltkrieg erheblich beschädigte Gebäude erneut umfassend saniert und umgebaut. Viele der Fenstergewände waren allerdings nicht mehr vorhanden, da der Urgroßvater des heutigen Fürsten Alexander zu Sayn-Wittgenstein-Sayn sie als Eisenschrott verkauft hatte. Die fehlenden Gewände wurden auf der Schauseite des Schlosses aus Gusseisen nachgegossen, der Rest aus Fiberglas hergestellt. Damit ist das Sayner Schloss nun das einzige Baudenkmal der Welt, in dem Fiberglaselemente verbaut wurden. Ein weiterer Schwerpunkt der Restaurierungsarbeiten lag in der Wiederherstellung der neugotischen Stuckelemente. „Heute sieht das Schloss wieder so aus, wie es früher einmal ausgesehen hat“, meint Fürst Alexander zu Sayn-Wittgenstein-Sayn. Genutzt wird das Schloss heute als Museum.

Festung Ehrenbreitstein in Koblenz 

Die Festung Ehrenbreitstein entstand in ihrer heutigen Form zu Beginn des 19. Jahrhunderts. 1832 waren die Bauarbeiten in Koblenz abgeschlossen. Schon seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts wird die Festung allerdings nicht mehr militärisch genutzt. Nach dem Zweiten Weltkrieg befanden sich in Teilen der Kasematten Flüchtlingswohnungen. Heute dient die Festung als Landesmuseumsowie als Jugendherberge und bietet darüber hinaus noch Raum für Gastronomie und Ausstellungen. Auch eine der Flüchtlingswohnungen wurde als Teil des Museums so wieder hergerichtet, wie sie nach dem Zweiten Weltkrieg ausgesehen hatte. „Wir bemühen uns, alle Nutzungsphasen zu dokumentieren“, erläutert Thomas Metz, Generaldirektor der Generaldirektion Kulturelles Erbe (GDKE) Rheinland-Pfalz.

Im Vorfeld der Bundesgartenschau 2011 wurde die Festung nach Plänen des Architekturbüros HG Merz aus Stuttgart umfassend saniert und umgebaut. „Die hinzugefügten Bauten ducken sich im Gelände weg“, erläutert Metz. Seiner Meinung nach ist das auch der Grund dafür, warum HG Merz den bereits 2004 durchgeführten Wettbewerb gewann. Wesentliche Sanierungsarbeiten betrafen die Dächer und Wände. So mussten die Fugen des Sichtmauerwerks saniertewerden – eine anspruchsvolle Arbeit, denn die Wände bestehen über den Schießscharten aus gemauerten Bögen, die verhindern sollten, dass das Mauerwerk bei Beschuss über den Öffnungen zusammenbricht. Für die Fugarbeiten verwendeten die Handwerker Trasskalkmörtel, den sie im Trockenspritzverfahren verarbeiteten. Anschließend wurde das Mauerwerk mit Kirschkernen abgestrahlt. Im Ehrenhof der Festung erhielten die Fassaden einen neuen Anstrich mit gelber, wasserglasgebundener Silikatfarbe, da die Maler es hier mit einem sehr heterogenen Untergrund (zum Teil Zementputz) zu tun hatten. Die begrünten Dächer erhielten eine Folienabdichtung und traditionelle Lehmabdichtung mit Wurzelschutzabdeckung.

Das sind nur einige der Baudenkmale, die im Rahmen der Pressereise des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz besichtigt wurden. Letztendlich hat die Pressereise gezeigt, wie vielfältig und unterschiedlich die historischen Gebäude sind, die die Besucher anziehen. Eines aber steht unbestritten fest: Ohne Erhalt und ohne Fachkenntnis der beteiligten Handwerker und Restauratoren gibt es auch keine Burgen und Schlösser und sonstigen Baudenkmale, die dem Tourismus so dienlich sind.

Autor

Dipl.-Ing. Thomas Wieckhorst ist Chefredakteur der Zeitschriften bauhandwerk und dach+holzbau.

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