Fachwerk richtig sanieren

Die Bebauung auf dem Lande, sowie in kleineren und mittleren Städten wird bis etwa 1870 von Fachwerkhäusern geprägt. Diese Gebäude haben über Jahrhunderte bewiesen, wie haltbar und strapazierfähig ihre Konstruktion ist. Fachwerkgebäude machen heute etwa ein Drittel des Baudenkmalbestandes aus.

Die denkmalgerechte Erhaltung von Fachwerk muss bei heute erforderlichen Veränderungen und modernen Ergänzungen eingehalten werden. Das verlangt Sensibilität und hohe Fachkompetenz. Dazu bedarf es vorrangig bewährter Arbeitstechniken an den Gefachen und dem Gebälk von erhaltenswertem Fachwerk. Ohne Schadensanalysen und Befunduntersuchungen kann an historischen Gebäuden keinesfalls erfolgreich gearbeitet werden. Defizite gibt es beim Einsatz richtiger Ziegel, Putze, Mörtel und Farben und bei den richtigen Ausführungstechniken. 

Gefachsanierung

Unterschiedliche Gefache mit Kalk-Lehm-, Ziegel- oder gemischtem Ausbau bedürfen grundlegend verschiedener Behandlungen. Gefachfüllungen sollten nur entfernt werden, wenn es aus Reparaturgründen unvermeidbar ist. In diesem Fall werden nach kontrolliertem Abklopfen nur die losen Teile behutsam entfernt. Ausbesserungen mit Zementputz oder mit Kunststoffmaterial, sowie Silikon, Montageschaum und plastischen Fugenmassen haben im Fachwerk hingegen nichts zu suchen. Rostiges und auch verzinktes Metall, beispielsweise Nägel oder Armierungsgewebe, muss entfernt werden, ebenso wie Putze mit Salzschäden, die nach Herstellervorgaben mit Sanierungsputz erneuert werden müssen.

Mauerwerksfugen müssen ausgekratzt werden. Nicht kapillarwirksame, dichte alte Anstriche und Spachtelmassen sowie Kunststoffdispersionen müssen restlos entfernt werden. Sie sind daran zu erkennen, dass sie unter Einwirkung von Nitroverdünner klebrig weich werden. Bei unbedenklichen Silikatprodukten passiert das nicht. So muss der Handwerker auch den Balkenanstrich prüfen.

 

Sanierung des Ständerholzes

Bei der sorgfältigen Ausführung von Vorarbeiten am Ständerholz muss geprüft werden, ob sich unter dicken, optisch intakten Farbschichten durch Luftabschluss zerstörtes Holz befindet. Morsches Holz muss ausreichend entfernt werden. Ein erfahrener Zimmermann sollte die Schäden mit artgleichem gesundem Altholz fachgerecht ergänzen. Risse über 10 mm sollten mit Holzspänen, eingebettet in geeignete Risspaste, beispielsweise Histolith von Caparol, gefüllt werden. Senkrechte Fugen dürfen nicht wasserführend und stauend sein.

Alte Farbschichten und verwitterte Holzschichten müssen behutsam vom Fachmann entfernt werden. Sandstrahlen mag die Denkmalpflege nicht. Das gilt auch für Hochdruckreiniger. Dafür gibt es wirksame umweltfreundliche Abbeizer und den Heißluftfön. Die entfernte Farbe ist Sondermüll, da möglicherweise ein Anteil von Bleifarben enthalten sein kann. Splintholz wird vorsichtig abgebeilt. Bei Verdacht auf echten Hausschwamm ist es vorgeschrieben, einen autorisierten Fachgutachter hinzuzuziehen. Vor Verputzarbeiten an den Gefachen müssen die Flanken der Balken grundiert werden und den ersten Vorstrich erhalten.

 

Putzarbeiten

Für die Erneuerung der Putzfelder sollten nur die bewährten Materialien Kalk und Lehm genutzt werden. Kalkputzhersteller empfehlen einen Aufbau aus grobem Unterputz und Feinputz als Finish. Die Schichten sollten jeweils in einer Dicke von maximal 1 cm aufgetragen werden. Der grobe Kalkputz kann sowohl zum Mauern, als auch verdünnt als Haftschlämme genutzt werden. Für dünne Schichten – auch auf mineralischen Anstrichen oder Putzen – liefern beispielsweise die Hessler Kalkwerke den bewährten Kalkhaftputz HP 14 für diese kritischen Untergründe. Bei Ausbesserungen müssen die Anschlüsse um 45° angeschrägt werden. Der Oberputz wird bündig mit den Balken ausgeführt. Der erforderliche Umgang mit Dreikantleisten und der Kellenstrich dürfte im Handwerk mittlerweile bekannt sein. Ausreichend Vornässen beim Putzen nicht vergessen!

Bei Lehmuntergründen muss zwischen Lehm und Kalkputz immer ein flächiger Verbund geschaffen werden. Das kann neben geeigneter Haftschlämme, Armierungsgewebe, beispielsweise aus Jute oder Edelstahl, sein. Verzinktes Material oxidiert und hat sich nicht bewährt. Bei reinem Lehmaufbau hat das verbaute Stroh auch eine armierende Wirkung. Zu dem Zweck sind dem Lehm früher auch Tierhaare zugegeben worden. Ob Lehm oder Kalk: Für alle Bereiche und Ausführungstechniken geben die Hersteller hilfreich Hinweise.  

Schutz vor Feuchtigkeit

„Am Wetter“ muss Fachwerk mit Lehm- oder auch Kalkputzgefachen besonders geschützt werden. In besonders niederschlagreichen Regionen werden diese Fassaden in langer Tradition unterschiedlich verkleidet. Für ausreichende Schlagregendichtheit kommen klassische Ziegel wie Biberschwänze, Schiefer, Holzschindeln, Verbretterungen und metallische Verkleidungen in historischer Verarbeitungstechnik zum Einsatz. Bodenschwellen sind durch Spritzwasser und aufsteigender Feuchtigkeit besonders gefährdet. Eine Horizontalsperre ist hier gefordert. Als Schutz wird auch vielfach die untere Reihe Fachwerk mit hochwertigen Ziegeln gefüllt.

Zum Schutz von Fachwerk ein Satz in Plattdeutsch aus der Heimat des Autors: „En Fachwerkhus met Lehm bruikt en grotet Dack un dreuge Fuete“, oder übersetzt: „Ein Fachwerkhaus mit Lehm benötigt ein großes Dach und trockene Füße.“

Die Erneuerung der Holzoberflächen, und die Behebung von Schäden an den Balken muss man besonders sorgfältig ausführen. Obwohl Fachwerkgebäude ursprünglich statisch höher als gefordert konstruiert sind, können beschädigte oder morsche Balken für die Stabilität nicht mehr ausreichen. Solche Teile müssen weitläufig von einem erfahrenen Zimmermann und Statiker fachgerecht ausgetauscht werden.

Für und Wider gibt es bei der Fachwerkergänzung im vollen Querschnitt mit der Beta-Technik (auch Holzprothese genannt) für stark feuchtbelastete Bereiche mit Polymerbeton (siehe WTA-Merkblatt Holzergänzung – E 1 – 7).

Farbe am Fachwerk

Auf alten Ölfarbenresten sollte wieder mit Ölfarben gearbeitet werden. Der Maler muss diese nicht mehr selbst anrühren. Caparol liefert beispielsweise fertige Produkte in den für alle Regionen üblichen, historischen Farbtönen. Das gilt auch für Halböl und Bläueschutz für die Grundierung sowie Leinstandöl für die Oberflächenverbesserung.

Die neuen VOC-Bestimmungen machen jedoch auch vor Fachwerk nicht halt. Neutrale, gut vorbereitete Untergründe können durchaus auch mit den neuen wasserbasierenden Farben behandelt werden. Der Autor hat gute Erfahrungen mit den Produkten von Dyrup-Gori gemacht, beispielsweise mit „Blockern“ gegen austretende Holzinhaltsstoffe. Die Produkte haben sich im rauen Klima des hohen Norden Skandinaviens auf Holzhäusern in vielen Farbtönen langjährig bewährt.

Die wild wuchernde Farbigkeit sollte auch gezügelt werden. Fachwerkhäuser waren ursprünglich keineswegs so farbig, wie sie heute vom Maler gestaltet werden. Es entspricht der historischen Bausubstanz eher, zu den ursprünglichen Farbklängen zurückzukehren. Gefüge und Gefache müssen immer eine harmonisch gestalterische Einheit bilden. Richtschnur dafür ist der historische Hintergrund. 

 

Autor

Hans Jürgen Ronicke ist Malermeister, Innenarchitekt WKS, Restaurator im Handwerk und freier Autor der Zeitschrift bauhandwerk. Er lebt und arbeitet in Wittenberg.

Ohne Befunduntersuchungen können historische Gebäude nicht erfolgreich saniert werden

„En Fachwerkhus met Lehm bruikt en grotet Dack un dreuge Fuete“

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