Fachwerksanierung mit Lehm in Arnstadt

Den beispielhaften Umbau eines 430 Jahre alten Fachwerkhauses in Arnstadt zu einem am ökologischen Bauen orientierten Hotel haben Umbau eines 430 Jahre alten Fachwerkhauses in Arnstadt wir in der Zeitschrift bauhandwerk bereits 2013 ausführlich vorgestellt. Der folgende Beitrag legt den Schwerpunkt nun auf die Fachwerk­sanierung mit Lehm.

Das Stadthaus Arnstadt ist ein denkmalgeschütztes Ensemble der ehemaligen Möller’schen Handschuhfabrik, einem Fabrikgebäude von 1903 und einem Fachwerkhaus von 1582/1697. Über einem wahrschein­lich bis zu 150 Jahre älteren, großen Gewölbekeller entstand nach einem verheerenden Stadtbrand 1582 das dreigeschossiges Fachwerkhaus im Stil der Renaissance mit einer großen und hohen Eingangshalle mit kassettierter Decke, einer repräsentativen Bohlenstube und mit Blumenornamentik beziehungsweise Diamantmuster bemalten Holzdecken im ersten Obergeschoss.

Das Fachwerkgebäude ist mit seinen Details und seiner Geschichte exemplarisch für die Bauweise und Nutzung, die seit dem 13. Jahrhundert Mitteleuropa erobert. Das Stadthaus ist ein Stockwerkbau, der sich seit dem frühen 16. Jahrhundert mehr und mehr durchsetzt. Beim Stockwerkbau haben die Ständer nur die Höhe einer Etage und werden durch ein Rähm abgeschlossen.

Fachwerkhaus wird zum Hotel

Nach 15 Jahren Leerstand erwarben Judith Rüber und der Fotograf Dr. Jan Kobel das Gebäudeensemble und machten aus dem historischen Fachwerkgebäude ein am ökologischen Bauen orientiertes Hotel. Nachdem An- und Zwischenbauten aus dem 20. Jahrhundert abgerissen waren, haben die privaten Bauherren zunächst das Fachwerkhaus aufwendig und nach allen Regeln der Kunst saniert. Die starke industrielle Überformung und der Leerstand hatten statische Probleme zur Folge. Doch es gelang, beide Häuser in ihrer Struktur und der noch vorhandenen Bausubstanz weitgehend zu erhalten, zu sanieren und zu rekonstruieren. Dabei setzten die Bauherren konsequent auf traditionelle Handwerkskunst und traditionelle Baumaterialien. Zum Teil wurde hierzu fast 500 Jahre altes Baumaterial aus Lehm wieder aufbereitet und eingebaut, ergänzt um moderne Lehmbaustoffe speziell zur Sanierung von Fachwerkgebäuden.

Sanierung der Gefache mit Lehm

So wurde das alte Stroh-Lehm-Gemisch der Gefache herausgekratzt, eingesumpft und danach mit Glasgranulat sowie frischem Lehm aus der Grube vermischt wieder in das Weidengeflecht eingebracht. Die Deckschicht bildet ein diffusionsoffener Luftkalkmörtel ohne Zuschlagstoffe. An der Gebäuderückseite packten die Handwerker Lehmsteine in die Gefache hinein und befestigten darauf Schilfrohrmatten als Putzträger, die sie anschließend mit Luftkalkmörtel verputzten. Das dunkel gestrichene Holz der Fachwerkkonstruktion auf der Gebäudevorderseite wird durch eine Leinöllasur vor Witterungsschäden geschützt. Statt auf Chemie setzten die Bauherren so weit wie möglich auf traditionelle, ökologische Baustoffe.

Als Innendämmung der Fachwerkaußenwände dienen 5 cm dicke Schilfrohrplatten, die die Handwerker auf den Wänden verschraubten. Darauf verlegten sie die Rohre der Wandheizung und putzten sie in Lehm ein. Den Abschluss bildet ein zweilagiger Lehmoberputz.

Umbau des benachbarten Fabrikgebäudes

Im zum Ensemble gehörigen von 1903 bis 1905 errichteten Fabrikgebäude war die erweiterte Möller’sche Handschuhfabrik mit Stanz- und Nähsälen untergebracht. Dort hat Jan Kobel im ersten Obergeschoss sein Fotostudio eingerichtet. In dem knapp 4 m hohen, 180 m2 großen Saal finden auch Seminare, Konzerte, Lesungen und Ausstellungen statt. Im zweiten Obergeschoss wohnen die Bauherren selbst.

Die bis zu 48 cm dicken Außen- und Innenwände der ehemaligen Fabrik wurden mit Lehm verputzt und weiß gestrichen. Im Putz verlaufen – ebenso wie im Fachwerkhaus – Heizregister: „Durch die Wandheizung herrscht ein besseres Raumklima. Die Wärme sammelt sich nicht unter der Decke und wirbelt weniger Staub auf“, sagt Jan Kobel. Das Erdgeschoss wird zurzeit zu einer Ferienwohnung umgebaut. Im Rahmen eines Workshops wurde dort im vergangenen Jahr ein Lehmterrazzoboden eingebaut (siehe folgender Beitrag).

Die Mühe, das historische Gebäudeensemble einer neuen Nutzung zuzuführen, hat sich gelohnt: Im historischen Fachwerkgebäude befindet sich heute ein Hotel. In der ehemaligen Schwarzküche (so nannte man im Mittelalter die wegen der offenen Feuerstellen verrußten Küchen) des Fachwerkhauses wird heute gefrühstückt, im enormen Gewölbekeller darunter sind zukünftig Weinverkostungen geplant, die Zimmer des Hotels sind sorgsam und ökologisch saniert. Ganz zu Recht wurde den Eigentümern Judith Rüber und Jan Kobel 2014 der renommierte Thüringer Denkmalschutzpreis zuerkannt, „für die Sicherung, Restaurierung und Belebung des Gebäudekomplexes Stadthaus Arnstadt, ehemalige Möller‘sche Handschuhfabrik“.

Autor

Dr. Michael Willhardt betreibt das Büro für Öffentlichkeitsarbeit Willhardt & Wosnitzka in Duisburg. Er ist als freier Autor unter anderem für die Zeitschrift bauhandwerk tätig.

Der Lehm enthält Glasgranulat und Stroh, damit er sich besser verarbeiten lässt

Baubeteiligte (Auswahl)

 

Bauherren Judith Rüber und Jan Kobel, Arnstadt

Architektin Jana Bollmann, Mötzelbach

Zimmererarbeiten Holzbau Kaulsdorf, Kaulsdorf

Malerarbeiten Ralf Gleißner, Restaurator im

Handwerk, Saalfeld/Saale

Lehm- und Kalkputzarbeiten

Mathias Bechstedt, Zella-Mehlis

Peter Multhauf, Lehmbau, Erfurt

 

 

Herstellerindex (Auswahl)

 

Lehmbaustoffe Claytec, Viersen, www.claytec.de

Kalkprodukte Solubel, Lauf-Neunhof,

www.solubel.de

Franken Maxit, Kasendorf, www.maxit.de

Leinölfarben Ottosson, Deffner & Johann, Röthlein, www.deffner-johann.de

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