Fenstersanierung im Umgebindehaus

Das Besondere der Umgebindehäuser ist die statisch vom Rest des Hauses entkoppelte Block- oder Bohlenstube. Sie war der einzige beheizte Raum. Die Fenster übernahmen die Entwässerung von Kondensat – und genau hier muss der Handwerker bei der Sanierung aufs Detail acht geben.

Umgebindehäuser findet man noch heute in Nordböhmen und in der Oberlausitz. Auch im westlichen Teil von Sachsen, im südöstlichen Sachsen-Anhalt und in Ostthüringen gibt es sie. Charakteristisch ist für solche Häuser die statisch vom Tragwerk des Gebäudes entkoppelte Block- oder Bohlenstube. Sie steckt meist auf der Süd- oder Ostseite des Hauses wie ein separater Kasten im Erdgeschoss. Die Lasten des Dachgeschosses beziehungsweise dieses und die eines weiteren Obergeschosses werden auf zwei oder meist drei Seiten über Ständer abgetragen. Diese sind seit dem Ende des 18. Jahrhunderts über leicht gebogene Kopfhölzer und Knaggen – die so genannten Umgebindebögen – miteinander verbunden. Daraus entstand der Name für diese Bauweise. 

Entstehung der Umgebindehäuser 

Die Meinungen darüber, warum man eine solche entkoppelte Bauweise wählte, gehen auseinander. Typische Umgebindehäuser waren die Häuser der Weber. Daher bezeichnet man die Block- oder Bohlenstube auch als Weberstube. Möglicherweise sollte die Entkopplung der Stube bewirken, dass die Schwingungen der Handwebstühle nicht auf den Rest des Hauses übertragen wurden. Wahrscheinlich war aber die bessere Statik und das für Weberzeugnisse nicht unerhebliche gleichbleibende Klima der Grund für diese von Dorfhandwerkern über Jahrhunderte hinweg entwickelte Volksbauweise. Denn vor allem der hohe Holzanteil der aus Bohlen gezimmerten Stube wirkte sich klimatisch positiv aus. Damit die Stube vom Rest des Hauses unabhängig ist, geht der Flur im Erdgeschoss quer durchs Haus und trennt die Bohlenstube damit vom in der Regel massiv erbauten Wirtschaftsteil. Massiv ist an der Bohlenstube nur der meist aus Bruchsteinen gemauerte Sockel, auf den die im Bogen um die Stube laufenden Ständer ihre Lasten abtragen.

 

Türen und Fenster im Umgebindehaus 

Eine Besonderheit vieler Umgebindehäuser sind die aus Granit oder Sandstein gefertigten Türstöcke, auf denen häufig auch das Baujahr des Hauses vermerkt ist. Meist wurden sie auch kunstvoll verziert, um den gesellschaftlichen Rang des Bewohners zu verdeutlichen. Die Fenster sind in einer Bohlenstube jeweils mittig in der vom Umgebindebogen gerahmten Wandfläche angeordnet. Dabei handelt es sich häufig um eine aus einem Innenfenster und einem Vor- oder Winterfenster gebildete Kastenfensterkonstruktion, die auch das Kondenswasser aus dem meist einzigen beheizten Raum im Haus abführen musste. „Aufgrund dessen wurden in der Vergangenheit schräg angereihte Holzfensterbänke konstruiert, die das anfallende Kondensat in einer Kuhle ganz automatisch über eine Opferfuge nach außen entwässern“, weiß der Schreinermeister Wilfried Berger aus Ettishofen zu berichten. Die ganz bewusst undicht konstruierten Kastenfenster der Bohlenstube waren damit der bauphysikalisch schwächste Punkt im Haus.

 

Energetische Fenstersanierung 

Setzt man nun im Zuge einer energetischen Sanierung in solche Häuser dichte Kunststofffenster ein, kehrt man das bauphysikalische Prinzip um: Die Fenster werden zum stärksten Bauteil des Hauses und damit sind Kondensatschäden an den Anschlusshölzern der Bohlenwand programmiert. „Entscheidend ist“, so Schreinermeister Berger, „dass die energetisch hochwertigen Kunststofffenster nun nicht – wie etwa im Neubau – an die Rohbauebene, sondern an den Kasten des Kastenfensters angeschlossen werden.“ Der auch als Sachverständiger der Kammer Ulm im Schreiner- und Tischlerhandwerk tätige Meister (www.baufach

forum.de) empfiehlt seinen Kollegen daher, auch in die Fuge zwischen der Bohlenwand und dem Kasten eine „moderne Dämmung“ (zum Beispiel einen Polyurethanschaum) einzubauen. Die bessere Lösung ist jedoch immer die Restaurierung des originalen Kastenfensters. Zur energetischen Aufwertung dieses Bauteils kann zum Beispiel auf dem Innenflügel eine zusätzliche Glasscheibe angebracht werden. Wenn jedoch Kunststofffenster eingebaut werden müssen, rät Wilfried Berger dazu, in der Werkstatt ein ausdämmbares Holzbauteil als Basisprofil zum Kasten herzustellen, so, wie in der Zeichnung auf dieser Seite gezeigt. „Die Dämmung ist notwendig, weil die Fuge sonst einer viel zu hohen Wärmeausleitung ausgesetzt wäre. Darüber hinaus stellt auch die enorme Baudynamik der Bohlenwände ein nicht unerhebliches Problem dar“, so der Schreinermeister. Eine Bohle hat bei einem Querschnitt von 140 x 140 mm bei 5 bis 10 Prozent Schwundmaß eine Eigenbewegung von 5 bis 7 mm, was sich in der Stockhöhe dann erheblich summiert. So kommen bei 2,80 m Höhe (also 20 Bohlen übereinander) und einer Eigenbewegung je Bohle von 7 mm gut 14 cm zusammen. Aus diesem Grund können die Fugenbänder beim Fenstereinbau auch nicht direkt an den Bohlen angeschlossen werden. Der Handwerker muss mit einer Oberfräse oder einer Kettensäge zunächst einen Schnitt rund ums Fenster ausführen, in den anschließend eine frei gleitende Holzleiste eingebaut werden kann. „Die Leiste darf aber nicht press auf die Bohle geschraubt werden, sondern muss über vorab in die Leisten eingefräste Längsschlitze horizontal flexibel verschraubt werden“, warnt Wilfried Berger. Ein in dieser Weise konstruktiv ausgebildeter Anschluss ist nun in der Lage, die enorme Baudynamik der Bohlenwand auszugleichen. Zwischen dem oben beschriebenen Basisprofil und dem Kunststofffenster sollten Handwerker dann besser VKP-Bänder einbauen. Zum Schluss wird außen der Wetterschenkel montiert, der das Fugenband verbirgt. Die inneren Fugenbänder sollte man ebenfalls unter entsprechend profilierten Abdeckleisten verstecken.

Das Schwundmaß einer Bohle liegt bei 5 bis 10 Prozent

Ein ausdämmbares Holzbauteil sollte als Basis­profil zum Kasten hergestellt werden

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