Umnutztung des historischen Zeughauses in München zur Fakultät für Design

Gelungene Transformation eines Baudenkmals: Im einstigen Zeughaus in München integrierten Staab Architekten die Fakultät für Design. Dabei wurden die Charakteristiken des ursprünglichen Baus wieder gestärkt, nachträgliche Einbauten entfernt, die Erschließung optimiert und der Keller um 50 cm abgesenkt.

Der markante Sichtziegelbau mit Rundbogenfenstern und Zinnentürmchen wurde als Repräsentationsbau für die bayerische Armee und als Waffenlager von 1862 bis 1865 in der Lothstraße errichtet. Das 150 m lange, in Mittelbau und zwei zurückversetzte seitliche Flügel gegliederte Gebäude war damals Teil des Kasernenviertels zwischen Schwabing und Neuhausen. In den Folgejahren diente es als Armeemuseum, Waffenlager und Oberfeuerwerkerschule; seit den 1950er wurde es als Verwaltungs- und Lehrgebäude genutzt, zuletzt bis 2013 von der Technischen Universität München. Im äußeren Erscheinungsbild sehr gut erhalten, hatte man es im Inneren schon mehrfach umgebaut, so dass die historischen Strukturen nur noch in Teilen ablesbar waren. Der Freistaat Bayern beschloss, hier die vorher auf verschiedene Gebäude verteilte Designfakultät der Hochschule München unter einem Dach zu vereinen, denn das Zeughaus entsprach in seiner Größe dem Flächenbedarf, und auch die grundlegende bauliche Struktur erwies sich als geeignet. Das ausgeschriebene VOF-Verfahren gewann 2012 das Berliner Büro Staab Architekten. Die Herausforderung bestand für die Planer darin, ein wichtiges Baudenkmal in seinem Charakter zu erhalten und es gleichzeitig für die neue Nutzung zu ertüchtigen: es galt, eine Nutzfläche von 5200 m2 in das denkmalgeschützte Gebäude zu implementieren, die Innenräume für einen zeitgemäßen Lehrbetrieb umzugestalten und es hinsichtlich Barrierefreiheit, Brandschutz und Energieeffizienz an die aktuellen Standards anzupassen. Die Architekten entwickelten das Sanierungs- und Restaurierungskonzept in enger Abstimmung mit dem Amt für Denkmalpflege. Wesentlich für sie war, dass das im Äußeren so klar gegliederte Gebäude auch im Inneren weitestgehend wieder seine ursprüngliche und ebenso klare Raumstruktur erhalten sollte. Deshalb entfernte man viel von dem nachträglich Eingefügten und konzipierte die Erschließung neu. Die originale Bausubstanz wurde dabei soweit wie möglich erhalten und statisch ertüchtigt; auf der Rückseite entstand ein Erweiterungsbau. Ebenso wie seine Stahl-Glas-Konstruktion sind alle neuen Elemente deutlich erkennbar und nehmen so einen vielschichtigen Dialog mit dem Altbau auf.

Eingangshalle, Glaspavillon und neue Erschließung

Die Grundidee der Architekten ist schon mit dem ersten Schritt in die Eingangshalle erkennbar: Der in den vergangenen Jahrzehnten baulich stark veränderte Raum wurde entkernt und in Anlehnung an die historische Struktur umgebaut. Das einstige Erscheinungsbild und die Symmetrie wurden wiederaufgenommen und in zeitgemäßen Materialien umgesetzt. Da die bauzeitlichen Gewölbe nicht mehr vorhanden waren, wurde eine Stahlbetonkonstruktion eingefügt. Die neuen flachen Gewölbe sind als Rabitzkonstruktion von der Stahlbetondecke abgehängt. Die Kontur definierten die Handwerker mit Rundeisen und fertigten  die Gewölbe daran mit Streckmetall und Gips. Dort, wo ursprünglich die Kutschen vorfuhren, ist nun der ursprüngliche Raumeindruck modern interpretiert  wiederhergestellt: als dezent gestaltetes, puristisch-elegantes Entree mit weißen Wand- und Deckenflächen, hellgrauem Estrich und den geschliffenen, ansonsten unbehandelten Aluminiumplatten der Brüstungsbekleidungen der beiden neuen Treppenaufgänge. Diese fassen den großzügigen Raum ein und führen zu Verwaltung und Computerräumen im Mittelbau. In der Mittelachse gelangen Studenten und Besucher durch einen Durchgang in den rundum verglasten Erweiterungsbau. Dieser transparente Pavillon im ehemaligen Ehrenhof bildet die neue Mitte der Hochschule. Baulich ist er das Bindeglied zwischen den beiden Gebäudeflügeln, setzt sich mit raumhohen Verglasungen, filigranen Stahlstützen und dem gefalteten Dach jedoch bewusst vom Altbau ab. Er ist mit einer breiten Fuge deutlich von den Ziegelfassaden abgesetzt, jedoch über die rahmenlosen Glasfronten optisch mit ihnen verbunden. Eine frei durch den Pavillon spannende Stahlbrücke stellt die bislang fehlende Verbindung zwischen beiden Flügelbauten her. Sie mündet in den beiden umgebauten Treppenhäusern mit Aufzügen, die alle Ebenen barrierefrei erschließen. Was wie selbstverständlich wirkt, war aufgrund der vorhandenen Niveausprünge eine komplexe Planungs- und Bauaufgabe. In allen Treppenhäusern musste stark in die Bausubstanz eingegriffen und großflächig entkernt werden, nur die Außenwände sind noch original. Die neuen Treppenanlagen bestehen aus Stahlbeton, die Brüstungen sind auch hier mit Aluminiumplatten bekleidet. Auf ihren unbehandelten Oberflächen werden die Gebrauchsspuren im Laufe der Zeit eine interessante Patina bilden.

Unterrichtsräume unter akustisch
wirksam beschichteten Gewölben

Mehr als die Hälfte der Räume sind Werkstätten oder Projektstudios mit besonderen Anforderungen. Auch die Studien- und Hörsäle mit verschiedenen Präsentationsmöglichkeiten erforderten genau abgestimmte Lösungen. Ein Beispiel dafür ist der allgemeine Studienraum im Nordostflügel, der als zentraler Arbeitsbereich fungiert, aber auch für Feste, Workshops und Ausstellungen genutzt wird. Zoniert ist das große lichtdurchflutete Raumvolumen durch verschieden hohe Einbauten – den Besprechungsraum für die Fachschaft und die Schließfachboxen. Die bestehenden Gewölbe wurden aufwendig saniert. Zuvor mussten sie jedoch während der Bauarbeiten zur Aussteifung ausgemauert und durch ein temporäres Tragwerk ergänzt werden. Nachdem die Steine wieder entfernt waren, erhielten die freigelegten Gewölbe einen akustisch wirksamen Putz mit Korkeinlagerungen, der den historischen Oberflächen ähnelt.

Die Projekträume befinden sich im ersten Obergeschoss beider Seitenflügel. Sie sind wie in der ursprünglichen Grundrissstruktur einseitig entlang des Flurs angeordnet. Auch die Raumunterteilungen wurden weitestgehend übernommen. Glastüren gewähren Einblick in die Räume und sorgen für Transparenz. Mit zurückhaltender Gestaltung schaffen die Architekten eine atelierartige kreative Atmosphäre für die Studenten. Auch hier fokussieren sie sich auf ein bewusst reduziertes Materiakonzept, dessen robuste, roh wirkende Oberflächen den Werkstattcharakter unterstreichen: der Dielenboden aus Eiche, die Einbaumöbel aus graubraunen, zementgebundenen Holzwerkstoffplatten und die unbehandelten Aluminiumoberflächen der Türen. Die bis zu 65 cm dicken Außenwände sind innenseitig nur verputzt; sie erhielten keine Innendämmung, um das Risiko der Feuchteentwicklung an den historischen Bestandsmauern und Auflagerbereichen der Holzbalkendecken zu vermeiden. Die Fenster wurden erneuert und bestehen nun aus Dreifachverglasung in eloxierten Aluminiumprofilen. Die Deckenkonstruktionen wurden nach Möglichkeit erhalten. Wo statisch nötig verstärkten die Handwerker die Holzbalkendecken mit Laschen, teilweise auch durch zusätzliche Holz- oder Stahlträger. Zahlreiche Decken mussten allerdings bedarfsgerecht erneuert werden. Hier kamen leichte Konstruktionen, beispielsweise Verbunddecken, zum Einsatz. Um die Raumakustik zu verbessern, führten die Handwerker die abgehängten Decken teilweise mit Holzwolle-Akustikplatten aus.

Tieferlegung des Kellerbodens

Eine besonders aufwendige Maßnahme im Bauprozess betraf das Kellergeschoss: Um dessen vormals niedrige, dunkle, feuchte Räume als Werkstätten, Labore und Studios nutzbar zu machen, wurde der Kellerboden um 50 cm abgesenkt. Dabei waren nicht nur die Einbringung der neuen Bodenplatte und die Bauwerksabdichtung aufwendig. Alle bestehenden Stützen mussten verlängert und die historischen Fundamente unterfangen werden. Damit gewährleistet war, dass die Gebäudeteile, die während der Unterfangung nicht mehr stabil auf ihren Fundamenten standen, nicht einstürzen, mussten temporär alle Bögen im Mauerwerk wie im Geschoss darüber ausgemauert werden. Die Stützen mussten entlastet werden. Die Unterfangungen waren nur sehr kleinteilig möglich. Zudem wurde immer nur an einem Gebäudeteil gearbeitet, während die Arbeiten an den anschließenden Bereichen stillstanden, da sie der Stabilisierung dienten. Kolbenpressen stellten während der Bauzeit den Kraftschluss her und verteilten die Gebäudelasten auf die temporären Konstruktionen. Anschließend wurden die Stützen im Düsenstrahlverfahren mit Beton unterfangen. Die neuen Fundamente der Außenmauern wurden von Hand Meter für Meter ausgehoben und mit Faserbeton hergestellt.

Im äußeren Erscheinungsbild blieb das Gebäude weitgehend unverändert. Das Sichtziegelmauerwerk der repräsentativen Fassaden war gut erhalten, es wurde gereinigt und die Steine, wo nötig, ausgebessert oder ausgetauscht. Zudem erneuerten die Handwerker die Fugen und bildeten die historische Engobierung an der Fassade zur Lothstraße handwerklich nach.

Fazit und Ausblick

Im ehemaligen Zeughaus München sind alle Studiengänge der Fakultät für Design nun erstmals unter einem Dach vereint. Die inspirierenden und multifunktionalen Räume nach Plänen des Büros Staab Architekten ermöglichen es den Studenten, interdisziplinär zu arbeiten und sich intern besser zu vernetzen. Doch das neue Leben im Gebäude strahlt auch nach außen: es bildet den Auftakt zum neuen Kreativquartier, das künftig auf dem Gelände der ehemaligen Luitpoldkaserne entsteht.

Autorin

Dipl.-Ing. Claudia Fuchs studierte Architektur an der TU München. Sie arbeitet als freie Redakteurin und Autorin unter anderem für die Zeitschriften Detail, Baumeister und bauhandwerk.

Baubeteiligte (Auswahl)

 

Bauherr Staatliches Hochbauamt München 2, www.stbam2.bayern.de

Nutzer Hochschule München, Fakultät für Design, www.design.hm.edu

Architekten Staab Architekten, Berlin, www.staab-architekten.com

Statik Barthel & Maus Beratende Ingenieure, München, https://barthelundmaus.de

Projektsteuerung Prof. Burkhardt Ingenieure, Waldkraiburg, https://prof-burkhardt.de

Abbrucharbeiten TG Umwelttechnik, Büren, www.tg-umwelttechnik.de

Fassadenrestaurierung Steinwerkstatt Restaurierung & Denkmalpflege, Regensburg, www.steinwerkstatt-regensburg.de

Fassadensanierung Fuchs+Girke Bau- und Denkmalpfelge, Ottendorf-Okrilla, www.fuchs-girke.com

Denkmalpflege Mühlhausen Huschenbeth, Mühlhausen, www.denkmalpflege-muehlhausen.de

Rohbauarbeiten Firma Pfeiffer, Rosenheim, www.pfeifferbau.de

Innenputzarbeiten Baugeschäft Hasan, Miesbach, www.hasanbau.de

Malerarbeiten Firma Hirsch, München, https://maler-hirsch.de

Raum und Schrift, Chemnitz, www.raum-schrift.de

Zimmererarbeiten Firma Bennert, Klettbach, www.bennert.de

Trockenbauarbeiten Goldhofer Trockenbau, Andechs, www.goldhofer-gmbh.de

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