Messner Mountain Museum von Zaha Hadid

Beim Messner Mountain Museum auf dem Kronplatz meint man, dass man es mit einem massiven Betonbau zu tun hat. Doch der Eindruck täuscht: Massiv ist nur der Kern der Wände, an dem die Handwerker sowohl außen als auch innen hauchdünne Schalen montierten.

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„Die Verwirklichung des Museums war ohne Zweifel eine Herausforderung nicht nur für uns, sondern für alle am Bau beteiligten Unternehmen, die größtenteils aus Südtirol stammen“, sagte Skirama-Präsident Matthias Prugger als Bauherr Ende Juli 2015 in seiner Rede anlässlich der Eröffnung des sechsten und damit letzten Messner Mountain Museums. Skirama Kronplatz betreibt das Skigebiet und erhofft sich vom Museum zusätzliche Attraktivität für den über 2000 m hoch gelegenen Kronplatz, den größten Skiberg Südtirols.

Eine Herausforderung war der Bau des rund drei Millionen Euro teuren Museums allemal und ein außergewöhnliches Bauprojekt noch dazu. Nachdem der Wettbewerb 2011 entschieden und die Mitwirkung von Reinhold Messner als Museumskurator gesichert war, wurde klar, dass sowohl Messner als auch die Wettbewerbsgewinnerin und mit der Planung beauftragte – ebenfalls weltberühmte – Stararchitektin Zaha Hadid außergewöhnliche Vorstellungen mit diesem Museumsprojekt verfolgten. Aus dieser Konstellation heraus resultiert die besondere, von Matthias Prugger eingangs beschworene Herausforderung für die am Bau beteiligten Handwerker.

Museum parametrisch in den Berg gebaut

Das Messner Mountain Museum auf dem Kronplatz bei Bruneck, kurz MMM Corones, ist zu allererst ein unterirdisches Museum. Dies ist Messners Wunsch geschuldet, auf dem Berg optisch so wenig Natur zu verändern wie möglich. Gleichwohl gibt es durch große Schaufenster in die Landschaft am Ende der drei „Finger“, die aus dem Berg herausstoßen, fantastische Ausblicke in die Bergwelt der Dolomiten. Um das auf drei Ebenen verteilte 1000 m2 große Museum in den Berg zu graben mussten beim Bau jedoch 4000 m3 Fels weggegraben werden.

Formal ist das MMM Corones das erste Museum Italiens, das nach dem Prinzip des parametrischen Bauens entstand, das heißt unter Verwendung digitaler Entwurfstechniken. Das erlaubte der Architektin Zaha Hadid und ihrem Team einen besonders freien Entwurf mit weichen fließenden Formen ohne rechte Winkel. Um ein nach solchen Prinzipien gestaltetes Gebäude in einen Berg hinein zu bauen, bietet sich Beton in besonderer Art und Weise an – im Kern der Wände massiv und sowohl außen als auch innen als vorgehängte Schale.

Ein logistisch besonderer Ort

Natürlich ist ein 2275 m hoher Berg ein logistisch schwer erreichbarer Ort. Zudem erlaubte die Lage und Witterung pro Jahr nur eine fünfmonatige Bauphase. Daher ist es verständlich, dass möglichst viel vorgefertigt werden sollte.

Im Sommer 2013 rückten die ersten Arbeiter und Handwerker auf der Baustelle an. Sie gelangten über die Nordseite auf einer 15 Kilometer langen Forststraße auf den Gipfel des Kronplatzes. Das Baumaterial hingegen, in erster Linie also die vorgefertigten Fassaden- und Verschalungselemente, mussten ihren Weg auf der gegenüberliegenden Seite des Berges zum Gipfel nehmen. Sie wurden über eine Schotterstraße transportiert, die wegen der nassen Witterung im Sommer 2013, als die Rohbau- und Montagearbeiten an der Reihe waren, immer wieder repariert werden musste. Dies hatte Zeitverzögerungen im Bauablauf zur Folge.

Auch der Transport der doppelt gekrümmten Verschalungselemente, die die Firma CEton (B&T Bau & Technologie GmbH) in Raubling bei Rosenheim fertigte, war eine besondere logistische Leistung – nicht etwa der fast dreistündigen Anfahrt wegen, sondern weil die Elemente von den Sattelschleppern aus für die Auffahrt auf den Berg auf kleinere Lkw umgeladen werden mussten. Auf dem Berg erfolgte die Verteilung der Elemente dann über die gesamte Baustelle mit geländegeeigneten Baggern.

Besondere logistische Vorüberlegungen waren auch beim Eingraben des Gebäudes in den Berg von Nöten. So trugen die Handwerker die während des Aushubs anfallende, bewachsene Oberflächenschicht ab und lagerten sie für die spätere Auffüllung ein. Zur Stabilisierung des Erdreichs wurde zudem ein hochalpiner Rasen ausgesät, der speziell für eine Höhe über 1800 m gezüchtet wurde.

Beton im Kern und in den Schalen

Die bis zu einem halben Meter dicken Ortbetonwände – die Decken sind sogar bis zu 70 cm dick – bilden den Rohbau und Kern der Außenwände, an dem die Handwerker sowohl außen als auch innen hauchdünne Betonschalen montierten. „Beton sowohl als äußeres wie auch inneres Bekleidungsmaterial zu verwenden, war naheliegend für uns, da er neben den guten Materialeigenschaften auch am ehesten unserem Wunsch zur freien Gestaltung der geometrischen Form entspricht. Kaum ein anderes Material lässt sich so gut in alle denkbaren Formen gießen wie der Beton. Als Grundlage hierfür dienten die am Computer entworfenen, komplexen 3D-Formteile, die dann über einen mehrfach gelagerten CNC-gesteuerten Fräsroboter aus gewaltigen Styroporblöcken heraus modelliert wurden,“ erläutert Cornelius Schlotthauer, Senior Associate bei Zaha Hadid Architects und Projektleiter des MMM Corones.

Herstellung der hauchdünnen Schalen

Um auf diese Weise nicht nur ausgesprochen dünne, sondern auch besonders stabile Betonschalen zu erhalten, mussten die Mitarbeiter der Firma CEton in Raubling zunächst einen extrem gut haftenden, neu entwickelten Beton im Wechsel mit Kohlefasermatten auf die Formkörper aus Styropor schichten. Anschließend wurden darauf Aluminiumwabenmatten gelegt und mit der Maschine mit Beton befüllt. Die Alu­minium­wabenmatten sind es, die den extrem dünnen Formteilen erst ihre Stabilität geben. Nachdem der Beton erhärtet war, wurden die vergleichsweise großen Betonschalen mit dem Gabelstapler von den Styroporblöcken abgehoben.

Über eine Unterkonstruktion aus Metall befestigten die Handwerker die Schalen vor Ort auf dem Kronplatz innen und außen an den Betonrohbauwänden. „Die Großzügigkeit der Paneele lässt das Fugenbild in den Hintergrund treten, die Dynamik der Form ist ungebrochen und zusammenhängend. Darüber hinaus schafft der Beton optimal den Bezug zum Thema Fels. Die natürliche Farbigkeit des Betons fügt sich wie selbstverständlich in das Umgebungsbild der Berglandschaft ein“, so Cornelius Schlotthauer.

Ergänzende Materialien und Bauteile

Ergänzt wird die Raumschale aus Beton unter anderem wegen der vergleichsweise „harten“ Akustik durch Steinwolleplatten (Rockfon Mono), die die Handwerker unter den Decken montierten. Hierzu schraubten sie die Platten zwischen die Enden der gebogenen Betonschalen auf eine abgehängte Metallunterkonstruktion aus CD-Profilen.

Auch funktionale Bauteile wie Fächer und Türen passten die Handwerker in die Raumschale aus Beton fließend ein. Die Decken werden sowohl vom Fugenbild der Betonschalen als auch durch die „Lichtkanäle“ strukturiert, in denen die Beleuchtungselemente optisch verschwinden und indirekt die Ausstellungsräume beleuchten.

Seit Juli 2015 ein Besuchermagnet

„Im MMM Corones erzähle ich von der Entwicklung des modernen Bergsteigens, von der Ausrüstung, wie sie sich im Laufe von 250 Jahren verbessert hat, von Triumphen und Tragödien an den berühmtesten Bergen der Welt – Matterhorn, Cerro Torre, K2 – und der Darstellung unseres Tuns, so widersprüchlich es auch erscheinen mag“, sagt Reinhold Messner. Die organische Form der Ausstellungsräume machte ihm die Präsentation der Gegenstände und insbesondere der Bilder, die er zum traditionellen Alpinismus in seinem Bergsteigerleben gesammelt hat, allerdings nicht leicht. Nicht die Exponate seines Museums, sondern die Architektur von Zaha Hadid steht nämlich im Vordergrund. Jedoch fand Messner für die Nutzung des Gebäudes seinen Weg – vielleicht gerade weil er die Architektur von Hadid für sein Museum wollte. Zum Beispiel ließ er dort, wo man an den runden Wänden nichts anhängen konnte, seine Texte und Zitate anbringen. Letztendlich wirkt die Architektur von Zaha Hadid für sich selbst wie von Wasser glatt gewaschener Fels – Wasser, das über die Treppen kaskadenartig durch die drei Ausstellungsebenen fließt, die Besucher mit sich spült und doch viel mit der Welt der Berge zu tun hat.

Autor
Dipl.-Ing. Thomas Wieckhorst ist Chefredakteur der Zeitschriften bauhandwerk und dach+holzbau.
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