Haus der Zukunft

Der Gütersloher Architekt Thomas Spooren wählte für die Erweiterung seines Büros den Passivhaus-Standard. Eigentlich als kompaktes Doppelhaus geplant, entschied sich der Nachbar schließlich, dass er doch nicht bauen wollte, was die Anforderungen an Planung und Ausführung noch einmal verschärfte.

Der Weg zum Passivhaus begann mit der Anfrage eines Nachbarn: Dieser war einer der Besitzer des alten Hauses gegenüber dem Architekturbüro Spooren, das aus zwei Teilen bestand: Einem zweistöckigen, ursprünglich als Lager und Werkstatt genutzten Teil sowie einer einstöckigen ehemaligen Druckerei. Beide Gebäudeteile befanden sich in einem schlechten baulichen Zustand. Vor allem die ehemalige Druckerei entpuppte sich als unvermietbar. Daraufhin hatte sich der Besitzer dieser Haushälfte Gedanken über einen Neubau gemacht und war mit seiner Idee bei Thomas Spooren vorstellig geworden. Schnell wurde klar, dass ein Neubau nur dann sinnvoll wäre, wenn auch das Nachbargebäude abgerissen und die schmalen Grundstücke mit einem Doppelhaus komplett neu bebaut werden. Mit diesem Plan kontaktierte der potenzielle Bauherr den Besitzer der zweiten Haushälfte, der sich wenig später ebenfalls entschloss, neu zu bauen. Das Architekturbüro Spooren fertigte daraufhin eine Planung an, die eine gegenseitige Bauverpflichtung beider Grundstückseigentümer enthielt, das neue Doppelhaus als gestalterische Einheit zu bauen.

 

Referenz für künftige Bauherren

In der Zwischenzeit hatte der Besitzer der ehemaligen Druckerei jedoch seine Meinung geändert: Er wollte nun doch nicht bauen, was Thomas Spooren dazu veranlasste, das Grundstück zu erwerben und dort neue Räume für sein Büro zu errichten. „Das bot sich an, denn unsere bisherigen Büroräume platzten damals aus allen Nähten“, erinnert sich der Architekt. Es war von Beginn an klar, dass es sich bei diesem Büroneubau nicht um ein konventionelles Haus handeln sollte: Es sollte ein Passivhaus werden, das erste Passivhaus des Architekten und überdies, wie sich später herausstellen sollte, der erste Bürobau im Kreis Gütersloh, der die strengen Anforderungen des Passivhausstandards erfüllt. „Die Idee war, für zukünftige Bauherren ein Referenzhaus zu errichten, um so möglichen Vorbehalten gegen die Bauweise mit einem gebauten Positivbeispiel entgegentreten zu können“, so Thomas Spooren.

 

Anspruchsvolle Passivhaus-Planung

Nachdem klar war, dass ein Passivhaus an dieser Stelle funktionieren würde, begann Regine Schmelzer vom Büro Spooren mit der Erarbeitung eines Projektierungs-Pakets für das Passivhaus. Dabei galt es, noch eine Hürde zu nehmen: Auch der zweite Nachbar, der Besitzer der zweistöckigen Haushälfte, wollte sich schließlich nicht zum Bauen durchringen. Die Folge: Das geplante Doppelhaus konnte zunächst nur zur Hälfte in Angriff genommen werden, was vor allem für die Passivhaus-Planung eine große Herausforderung darstellte. Ursprünglich als Grenzbebauung und Doppelhaushälfte geplant, war die Nordwand als rechnerisch nicht wärmeübertragende Fläche in die Planung eingegangen und konnte auch in der Praxis nicht gedämmt werden – der Nachbar konnte sich schließlich jederzeit dazu entschließen, den Bau mit seiner Haushälfte zu komplettieren. Das Problem ließ sich nicht vernünftig lösen, so dass Thomas Spooren das Risiko einer auf unbestimmte Zeit ungedämmten Nordwand akzeptieren musste. Weitere Probleme ergaben sich aus den Gebäudeanschlüssen an der Sohlplatte, der Fassade und der Traufe des giebelständigen Doppelhauses. „Die Bauverpflichtung legte zwar die Ausführung des geplanten Entwurfs fest, nicht aber die Dämmschichtdicken und die Ausführungsdetails des Nachbargebäudes“, erinnert sich der Architekt. Daher gründete er die Fundamente seiner Haushälfte vorsichtshalber deutlich tiefer als nötig, um den möglichen Keller der zweiten Haushälfte in die Gründung integrieren zu können – das Büro-Passivhaus sollte nämlich nur eine kleine Teilunterkellerung für den Haustechnikraum erhalten. Nur so war es möglich, in jedem Fall eine einheitliche 0-Ebene zu garantieren und damit auch sicherzustellen, dass sich beide Bauten später an der gemeinsamen Traufe auch tatsächlich exakt treffen.

 

Einbau des Dämmschotters und Rohbauarbeiten

Nach dem Abriss der beiden Bestandsbauten begannen die Handwerker im Mai 2009 mit den Bauarbeiten. Für das Rohbauunternehmen bedeutete dies die Auseinandersetzung mit einem neuen Baumaterial: Für die Dämmung der Sohlplatte hatte Projektleiterin Maren Bückmann nämlich statt der üblichen Schotterschicht eine Lage Schaumglasschotter vorgesehen. „Dieses Material hat wärmedämmende und tragende Eigenschaften, muss aber behutsam verdichtet werden“, erinnert sich die Architektin. Die Mitarbeiter des Rohbaubetriebs waren dem neuen Baustoff gegenüber sehr aufgeschlossen und verdichteten die 40 cm hohe Schaumglasschicht auf Schalbrettern mit einer Rüttelplatte in kleinen Schritten auf etwa 30 cm. Auf die darauf ausgebrachte Bodenplatte setzten die Maurer Außenwände aus 17,5 cm dicke Porenbetonsteinen. Diese bieten gute Dämmeigenschaften und ermöglichen gleichzeitig schlanke Wände. Darauf brachten die Maler anschließend ein 24 cm dickes WDV-System aus Polystyrol auf, so dass die Außenwände inklusive Putz schließlich 43,5 cm dick wurden.

Die Decken sind so genannte Filigrandecken: Diese Betonfertigteile wurden in großformatigen Elementen auf die Baustelle geliefert, mit dem Kran versetzt und auf der Oberseite mit Ortbeton komplettiert. Da die Stirnseiten der Decken mit einer 2 cm dicken Dämmung als verlorene Schalung versehen wurden, sind die Auflagerflächen maximalstatisch ausgereizt worden.

 

Holzbauarbeiten am Dachstuhl

Um im Dachgeschoss sowohl auf eine Kehlbalkenlage als auch auf Stützen verzichten zu können, mussten die beiden Pfetten des Dachstuhls zusätzlich zu den beiden Auflagern auf den Giebelwänden an zwei Stellen mit Stahlträgern unterstützt werden. Für die Herstellung der Sparren verwendete die Zimmerei speziell für den Passivhausbau entwickelte Doppelsteg-Träger, die mit ihrem schlanken Querschnitt eine 45 cm dicke Dämmschicht ermöglichen. Diese Träger verkleideten die Zimmerleute auf der Außenseite mit Holzweichfaserplatten und auf der Innenseite mit dampfdicht verklebten OSB-Platten. Für die Dämmung des Dachgeschosses hatte Projektleiterin Maren Bückmann eine Einblasdämmung aus Zellulose vorgesehen, die von einem Spezialbetrieb eingebracht wurde.

 

Innen und außen farblich abgestimmt

Die Farben des neuen Bürogebäudes sind fein aufeinander abgestimmt: So erhielt das neue Passivhaus einen terrakottafarbenen Anstrich; im Kontrast dazu sind sowohl die dreifachverglasten Holz-Aluminium-Fenster als auch die engobierte Ziegeldachdeckung in anthrazitgrau gehalten.

Im Gegensatz zur Fassade präsentieren sich die modernen Innenräume mit zurückhaltenden Farben und vielen unverkleideten Oberflächen. So besteht der Fußboden aus einem geschliffenen Estrich, den die Handwerker im so genannten Terrazzoschliff in mehreren Arbeitsgängen nass abschliffen. Die Decken hingegen sind die unverkleideten Sichtbeton-Unterseiten der Filigranelemente. Abgesetzt wurden die unterschiedlichen Materialien mit umlaufenden, verzinkten Schattenfugenprofilen. Sämtliche LED-Leuchten und Möbel wurden vom Architekturbüro auf eine optimale Büronutzung abgestimmt und zum großen Teil eigens für dieses Haus entworfen.

 

Passivhaus bis ins Detail

Beim Bau eines Passivhauses gilt es jedoch nicht nur Planung, Haustechnik und die sorgfältige Ausführung, sondern auch so manches kleine Detail zu beachten – zum Beispiel den Briefkasten. Das Architekturbüro Spooren löste dieses Problem mit einem in die Außenwand integrierten Durchwurfbriefkasten, der auf der Innenseite mit einem kleinen Passivhausfenster geschlossen wird.

So verfügt die gesamte Gebäudehülle – Boden, Außenwände und Dach – über einen U-Wert von 0,12 W/m²K. Nur die Fenster sind mit einem U-Wert von 0,76 W/m²K geringfügig schlechter. Das ergibt im Zusammenspiel mit der hochwertigen Haustechnik, dem kompakten Baukörper und der konsequenten Südausrichtung einen Heizenergieverbrauch von weniger als
1,5 Liter pro Quadratmeter und Jahr.

Nach der Fertigstellung im Sommer dieses Jahres wartet das neue Passivhaus nun auf den Praxistest im ersten Winter, wobei sich die Hauptsorge des Architekten (die ungedämmte Nordwand) bereits in Wohlgefallen aufgelöst hat: Der Nachbar hat seine Grundstückshälfte nämlich mittlerweile an einen Bauträger veräußert, der momentan gerade die zweite Haushälfte baut.

Pläne und Baubeteiligte

Hier finden Sie die Pläne (Grundrisse und Schitte) als PDF sowie eine vollständige Liste der Baubeteiligten als Exeltabelle.

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